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Tony Reed hob die Arme, um sie zum Schweigen zu bringen. »Jetzt beklagt euch nicht. Solange die Toilette funktioniert, ist doch alles in bester Ordnung.«

Ilona fand das nicht komisch. »Noch sechzehn Stunden. Puh!«

»Versuch dich zu entspannen«, drängte Reed. »Schlaf ein bißchen.«

»Hätten Sie Lust auf eine Partie Bridge?« fragte der griechische Biologe.

»Nicht mit dir«, fauchte O’Hara. »Das wäre wie ein Wettschwimmen mit einem Hai.«

Xenophanes lachte, aber Jamie fand, daß es angestrengt klang.

Wosnesenski sagte: »Wir sollten nicht vierzehn Stunden lang müßig herumsitzen.«

Ilonas Lippen kräuselten sich schon, als sie zu einer höhnischen Antwort ansetzte, aber Reed kam ihr schnell zuvor.

»Was würden Sie vorschlagen, Mikhail Andrejewitsch?« fragte der Engländer.

»Einen Arbeiterrat«, antwortete der Russe. »Wir sind alle hier. Niemand hat irgendwelche dringenden Aufgaben zu erledigen. Dies ist der richtige Zeitpunkt für eine Selbstanalyse-Sitzung.«

»Eine Art Quality Circle wie bei den Japanern, der Vorschläge zur Produktivitäts- und Qualitätssteigerung erarbeitet?« fragte Tad Sliwa, der Ersatz-Biochemiker.

»Eher ein Selbstkritik-Zirkel«, sagte Ilona. »Wie bei Gefangenen in Sibirien.«

Wosnesenskis fleischiges Gesicht rötete sich ein wenig, aber er erwiderte nichts darauf. Der hagere Iwschenko, der mit seinem schmalen, dunkelhäutigen Gesicht auf fast levantinische Weise gut aussah, sagte: »Selbstanalyse kann eine sehr nützliche Methode zur Untersuchung zwischenmenschlicher Probleme sein.«

Es gab ein paar Einwände, aber Wosnesenski war fest entschlossen, und keiner der anderen hatte einen echten Alternativvorschlag auf Lager. Daher nahmen die zwölf Männer und Frauen auf den Bänken einander gegenüber Platz.

»Wie fangen wir an?« fragte Ollie Zieman.

»Ich werde anfangen«, sagte Wosnesenski. »Es war meine Idee, also bin ich der erste Freiwillige.«

»Dann schießen Sie mal los«, sagte Reed, der dem Russen auf der anderen Seite des Durchgangs gegenübersaß.

Wosnesenski schaute kurz zu Ilona und ließ den Blick dann über die Männer und Frauen auf der Bank gegenüber schweifen. »Ich habe das Gefühl, daß einige von Ihnen Ressentiments haben. Ressentiments dagegen, daß ich das Kommando führe. Vielleicht auch dagegen, daß ein Russe das Kommando führt.«

»Das ist doch ziemlich natürlich, oder?« fragte Katrin Diels. »Gegen jede Autoritätsfigur gibt es zwangsläufig Ressentiments.«

Das setzte die Diskussion in Gang, und sie ging hin und her. Jamie schaute schweigend zu. Er bemerkte, daß Ilona wie eine Katze an der Wand lehnte; ihr Blick wanderte von einem Sprecher zum nächsten, und ihre Lippen waren ein wenig gekräuselt, fast so, als ob sie lächelte. Aber sie sagte kein Wort.

Es war wie bei den Sitzungen des Studentenausschusses, dachte Jamie und erinnerte sich an seine Zeit an der Uni. Diejenigen, die am meisten redeten, hatten ohnehin schon führende Positionen inne. Diejenigen, die am dringendsten hätten reden müssen, blieben stumm und fraßen ihren Ärger in sich hinein.

Nachdem fast eine Stunde vergangen war, hörte Jamie zu seiner Überraschung, wie O’Hara sagte: »Also, wenn wir hier schon unsere Seelen und alles bloßlegen — mir gefällt der Gedanke nicht besonders, daß ich während unseres gesamten Marsaufenthalts im Orbit hocken werde, während mein geschätzter Kollege hier«, er reckte einen Daumen in Jamies Richtung, »die ganzen sieben Wochen unten auf der Oberfläche verbringen darf. Das finde ich nicht fair.«

»Der Meinung bin ich auch«, hörte Jamie sich sagen. »Es ist nicht fair.« Aber, fügte er stumm hinzu, so steht es nun mal im Missionsplan, und so wird es sein.

O’Haras Beschwerde führte zu einer weiteren einstündigen Debatte darüber, weshalb die Mission auf diese Weise geplant worden war und ob sie sich wohl an Dr. Li wenden könnten, um das Verfahren zu ändern, so daß die Ersatzteams ebenfalls einige Zeit auf dem Mars verbringen konnten.

»Es wäre zwecklos«, erklärte Wosnesenski rundheraus. »All diese Verfahren sind jahrelang sehr gründlich untersucht worden. Das eine Team bleibt unten auf dem Mars, das Ersatzteam bleibt im Orbit. Daran wird sich nichts ändern. Soviel steht fest.«

»Ich bin auch Georges Meinung«, grummelte Ollie Zieman. »Es ist nicht fair.«

»Aber effizienter«, konterte Wosnesenski mit der kategorischen Endgültigkeit eines Mannes, der die Diskussion für beendet hielt.

»Warum muß der Leiter jedes Teams ein Russe sein?« fragte Ilona. Ihre kehlige Stimme hatte eine säuselnden, beinahe schläfrigen Klang.

Alle drehten sich zu ihr um.

»Ich meine, bei dieser Mission haben wir Männer und Frauen jeder Nationalität an Bord. Aber alle vier Teams werden von einem Russen geleitet. Noch dazu von einem russischen Mann

Einen langen Moment herrschte Stille. Jamie konnte das elektrische Summen der Geräte auf dem Schiff und das leise Zischen der Lüftung hören.

»Ich kann das beantworten«, sagte Pete Connors.

»Dann tun Sie’s bitte«, sagte Ilona.

Der schwarze Astronaut saß neben Wosnesenski, der wiederum den anderen Kosmonauten, Iwschenko, neben sich hatte. Connors schenkte ihnen ein kleines Grinsen, dann wandte er sich wieder Ilona zu.

»Erstens« — er hob einen langen Finger — »muß der Kommandant jedes Teams ein Pilot sein. Ein Mann vom Militär, der es gewohnt ist, Befehle zu geben und dafür zu sorgen, daß sie befolgt werden. Der es gewohnt ist, Befehle von höherer Stelle entgegenzunehmen und sie auszuführen. Ohne Disziplin könnten wir alle ums Leben kommen. Wir sind hier nicht auf einem Wochenendausflug.«

»Sie haben gesagt, ein Mann«, unterbrach Katrin Diels. »Weshalb keine Frau?«

Connors zuckte unbehaglich die Achseln. »Ich schätze mal, sie konnten keine Frau mit den erforderlichen Qualifikationen finden.«

Alle drei Frauen buhten ihn aus. Und die meisten Männer lachten.

Sobald sie sich beruhigt hatten, fuhr Connors fort: »Zweitens, die russische Föderation hat die Raketentriebwerke und die Lebenserhaltungssysteme für diese Expedition zur Verfügung gestellt. Russische Kosmonauten haben mehr Erfahrung im Raumflug als sonst jemand auf der Erde; sie unternehmen schon seit 1971 Langzeitmissionen an Bord ihrer Raumstationen, Herrgott noch mal!«

»Weil ihr Amerikaner euch mit der Einrichtung einer permanenten Raumstation fünfundzwanzig Jahre Zeit gelassen habt«, sagte Xenophanes etwas spöttisch.

»Ja, das ist wahr«, stimmte ihm Connors zu. »Als wir mit der Planung der Marsmission begonnen haben, hat sich die amerikanische Regierung damit einverstanden erklärt, daß die Teamleiter unter jenen Militärpiloten ausgesucht werden sollten, die die meiste Erfahrung im Raumflug hatten.«

»Und das hieß: Unter Russen«, sagte Xenophanes.

»So hat es sich ergeben.«

»Die Russen haben euch ausgetrickst, ehe das Programm überhaupt richtig angelaufen war«, schnaufte Sliwa. »Verhandlungsgeschick hatten sie ja schon immer genügend.«

»Ich glaube nicht, daß man sagen kann, Mikhail oder Dimitri seien hier, weil ein russischer Politiker sein amerikanisches Pendant überlistet hätte«, wandte Connors ein.

Sliwa zog die Schultern hoch. Wosnesenski funkelte den Polen an.

Iwschenko warf einen Blick auf seinen Landsmann, dann sagte er: »Die russische Föderation hat für dieses Privileg, die Teamleiter stellen zu dürfen, einige Opfer gebracht. Kein russischer Wissenschaftler ist für das Bodenteam ausgewählt worden, obwohl wir viele Männer — und Frauen — haben, die auf den Fachgebieten der Planetologie hoch qualifiziert sind.«

»Bei den Staaten ist es das gleiche«, fügte Connors hinzu. »Wir haben Astronauten in allen vier Teams, aber keine Wissenschaftler in den Bodenteams, bis auf Jamie hier.«