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Dort kauerte sie sich in Fötusstellung zusammen, ohne ein Wort mit jemandem zu sprechen.

Warum hat sie eine solche Angst ertragen, fragte sich Jamie.

Warum hat sie sich so geschunden, um all die Qualen des Trainings durchzustehen und hierher zum Mars zu kommen?

Dann fiel ihm ihr Ausflug auf den Gletscher in McMurdo wieder ein, und schließlich wurde ihm klar, wovor Joanna sich in Wahrheit fürchtete.

Vor ihrem Vater! Sie fürchtet sich davor, ihn zu enttäuschen.

Sie hat Angst, Brumado im Stich zu lassen, mehr Angst als vor Haien oder vor dem Erfrieren – oder davor, hundertfünfzig Millionen Kilometer von zu Hause entfernt zu sterben. Sie fürchtet sich nicht davor, selbst zu versagen, sondern nur davor, ihn zu enttäuschen.

Ihre Seele gehört tatsächlich ihm. Er füllt ihr ganzes Leben aus. Was wird sie tun, wenn wir zur Erde zurückkehren? Besonders, wenn wir keinen Beweis für Leben finden, den sie ihrem alten Herrn zeigen kann?

Er drehte sich um und fiel in einen unruhigen Schlaf. Er träumte von erdbedeckten Navajo-Balkenhütten, die die kahle Marswüste sprenkelten, und von prächtig gefiederten Göttern, die auf Flammensäulen aus dem Himmel herabstiegen. Der prächtigste aller Götter sah genau wie Alberto Brumado aus, und er funkelte Jamie mit den zornigen, glitzernden Augen eines Adlers an.

ERDE

WASHINGTON: Harvey Todd war so klein, daß man ihn mit Alexander Hamilton hätte vergleichen können, einem der Väter der amerikanischen Verfassung. Wie Hamilton hatte er in seinem Leben nie ein öffentliches Amt bekleidet, in das man gewählt wurde. Er hatte ein jungenhaftes, freundliches Gesicht, modisch geschnittenes sandfarbenes Haar und stand im Ruf, dynamisch und rücksichtslos zu sein. Noch keine fünfunddreißig Jahre alt, arbeitete in der Regierung mit, seit er in seiner College-Zeit einer der unermüdlichen jungen Männer in der Wahlkampagne einer schrillen Lehrerin aus New Jersey gewesen war, die es damals zur Kongressabgeordneten gebracht hatte.

Nun war diese Kongressabgeordnete Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, und Harvey Todd war ihr Berater für Wissenschaft und Technik. Er verbrachte seine Zeit bereits jetzt größtenteils damit, ihre Vorwahlen im nächsten Jahr vorzubereiten.

Todd schien sich wohlzufühlen, als er Alberto Brumado an dem kleinen Tisch gegenübersaß. Die Mittagsgäste des Restaurants im Jefferson Hotel unterhielten sich leise und gedämpft, als würde sich jeder vollbesetzte Tisch im Flüsterton über seine ganz eigenen Geheimnisse austauschen; die Menschen hockten in tiefen, luxuriösen, gepolsterten Sitznischen, so daß es nahezu unmöglich war zu sehen, wer mit wem zusammensaß.

Brumado trank einen Schluck aus seinem tulpenförmigen Glas mit portugiesischem vinho verde. Er nahm den Geschmack des Weines kaum wahr, so sehr konzentrierte er sich auf das, was Todd sagte.

»Ich habe ein Exemplar der Rede mitgebracht.« Der Berater der Vizepräsidentin zog eine winzige Computerdiskette aus der Innentasche seines Jacketts und legte sie auf das Tischtuch aus Damast. »Ich denke, sie wird Ihnen gefallen.«

»Akzeptiert die Vizepräsidentin, daß weitere Missionen zum Mars erforderlich sind?« fragte Brumado und beugte sich ein wenig vor.

»Ohne jede Einschränkung.«

»Wunderbar.« Brumado streckte die Hand nach der Diskette aus.

Todd bedeckte sie mit seiner Hand. »Hat der Indianer sein Statement zur Unterstützung der Vizepräsidentin geschrieben?«

»Noch nicht. Er hatte ziemlich viel zu tun.«

Todd zog die Diskette wieder zurück. »Nun, wenn Sie mir seine schriftliche Erklärung zeigen können, kann ich Ihnen die Rede der Vizepräsidentin zeigen.«

»Ich verstehe.«

»Ich habe die Ansprache zum NASA-Jahrestag angesetzt, wie Sie vorgeschlagen haben. Ihr Indianer hat nicht mehr viel Zeit, uns seine Erklärung zukommen zu lassen.«

»Er wird es schon tun. Sobald er von seiner Exkursion zum Tithonium Chasma zurückkommt.«

»Wohin?«

»Zum Grand Canyon des Mars.«

»Ach ja, richtig. Natürlich. Der wissenschaftliche Jargon bringt mich immer völlig durcheinander.«

Brumado produzierte ein verständnisvolles Lächeln.

In Todds jungenhaftem Gesicht saßen die suchenden, tastenden Augen eines Opportunisten. »Ihnen ist natürlich klar, daß die Sache ins Wasser fällt, wenn es bis zu dem Termin, an dem die Ansprache gehalten werden soll, irgendeine Katastrophe gibt. Ich kann nicht zulassen, daß sie auf ein totes Pferd setzt.«

»Ich weiß«, erwiderte Brumado, »daß kein Politiker mit einem Fehlschlag identifiziert werden will.«

»Falls die Mission andererseits ein großartiger Erfolg werden sollte… wenn sie da oben irgendwas Lebendiges fänden, wäre dem Projekt Unterstützung auf der ganzen Linie gewiß.«

»Im Moment suchen sie gerade nach Leben.«

»Wäre gut, wenn sie irgendwas entdecken würden. Selbst wenn es nur ein winziger Hinweis ist, sollen sie uns benachrichtigen, daß sie was gefunden haben und daß es so aussieht, als hätte es dort früher mal Leben gegeben. Das wäre vielleicht sogar noch besser, als wenn sie richtiges Leben auf dem Mars fänden.«

»Sie werden finden, was sie finden«, sagte Brumado.

Todd grinste ihn an. »Das stimmt. Ihre Leute sind Wissenschaftler, nicht wahr? Die geben ihren Berichten niemals eine bestimmte Färbung, habe ich recht?«

Die Implikation gefiel Brumado nicht, ebensowenig wie der verschlagene Gesichtsausdruck des jungen Mannes.

Todd beugte sich näher zu dem Brasilianer und fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Wissen Sie, wenn die tatsächlich irgendwas Spektakuläres finden, eine alte Stadt oder so, würde das Ihrem Indianer praktisch alle Türen öffnen.«

»Er will nur, daß die Vizepräsidentin weitere Missionen unterstützt.«

»Das meine ich nicht«, sagte Todd mit einer ungeduldigen Geste. »Ich meine, er könnte mit mir zusammenarbeiten. Er könnte sogar für ein Regierungsamt kandidieren.«

»Ich bin sicher, daß ihm nichts ferner liegt als das.«

Todd lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück und richtete den Blick an die Decke. »Wissen Sie, die Vizepräsidentin wird von der Partei nicht automatisch nominiert werden. Sie muß sich auf die harte Opposition von Masterson und seiner Koalition einstellen.«

»Mit der amerikanischen Politik kenne ich mich nicht sehr gut aus«, murmelte Brumado.

Der junge Mann sagte beinahe verträumt: »Sagen Sie Ihrem Indianer, wenn er da oben was richtig Gutes findet, stehen ihm bei seiner Rückkehr alle Türen offen. Er könnte beim Nominierungsparteitag sogar das Zünglein an der Waage sein, wissen Sie das?«

Brumado war nicht sicher, daß er richtig gehört hatte. »Wollen Sie damit sagen, daß Sie die Vizepräsidentin im Stich lassen würden, wenn es Ihnen zweckdienlich erschiene?«

»O nein, natürlich nicht!« Todd lächelte wie eine Kobra.

»Aber das Wichtigste ist schließlich, daß die Partei den Mann –

ich meine, den Kandidaten oder die Kandidatin – nominiert, der oder die die Wahl im November gewinnen kann. Habe ich recht?«

Brumado wohnte nicht im Jefferson Hotel. Es war bei weitem zu teuer für ihn. Während dieser Wochen in Washington wohnte er im Haus eines Freundes in Georgetown, der im Auftrag des State Department in Südafrika weilte. Es war ein nettes altes rotes Backsteinhaus im Kolonialstil, hübsch möbliert und mit einem Koch und einem Butler ausgestattet.

Edith Elgin wohnte auch dort. Beinahe.

Als Edith in Washington aufgetaucht war, hatten bei Brumado sämtliche Alarmglocken geklingelt.

»Doktor Waterman hat doch auf Ihre Botschaft geantwortet, oder nicht?« hatte er Edith gefragt.