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Die verdammte Kommunikationsanlage im Cockpit summte wie ein Hornissenschwarm. Außer ihm schien es niemand zu hören. Jamie kroch vorsichtig aus seiner Koje und tappte auf seinen Socken ins Cockpit. Er fröstelte. Sein Overall war von kaltem Schweiß durchtränkt. Sein Kopf dröhnte, als ob er einen fürchterlichen Kater hätte.

Er ließ sich auf den rechten Sitz fallen und legte einen Finger auf die Taste, die den Kommunikator aktivierte. Mit der anderen Hand begann er das kleine Rad zu drehen, mit dem der Thermovorhang von der Kanzel gezogen wurde. Draußen auf dem Boden des Canyons war es noch dunkel. Das einzige Licht im Cockpit kam von den hellen Anzeigen an der Instrumententafel.

Seiji Toshimas rundes Gesicht erschien auf dem kleinen Bildschirm. Mit den dicken Tränensäcken unter den trüben Augen sah er genauso aus, wie Jamie sich fühlte.

»Tut mir leid, daß ich Sie so früh wecke«, sagte der Meteorologe ohne Einleitung, »aber ich muß Sie vor einem Staubsturm warnen, der heute vormittag über Ihre Region hereinbrechen könnte.«

»Staubsturm?« murmelte Jamie. »Was?«

»Ein Staubsturm! Windgeschwindigkeiten von zweihundert Knoten. Sicht beinahe gleich Null. Teilchendichte in der Luft hoch genug, um ungeschützte Geräte zu beschädigen. Ihr müßt euch vorbereiten!«

»Moment…« Jamie schwirrte der Kopf. »Langsam. Wovon sprechen Sie?«

»Das Grabensystem wirkt wie ein Windkanal«, sagte Toshima in rasantem Tempo. »Die herannahende Kaltfront wird eine Energiewelle in den Canyon schicken und einen äußerst heftigen Staubsturm erzeugen. Ihr müßt darauf vorbereitet sein! Ungeschützte Geräte könnten beschädigt werden. Menschen, die sich draußen im Freien befinden, könnten die Orientierung verlieren. Der Staub könnte so dicht werden, daß die Sicht stark eingeschränkt ist. Sogar Funkverbindungen könnten betroffen sein.«

»Aber ich dachte, die Stürme kämen zu dieser Jahreszeit nicht so weit nach Süden«, sagte Jamie, als ihm allmählich dämmerte begann, was Toshimas Worte bedeuteten.

Der Meteorologe bremste sich und erklärte, er glaube, der gesamte Grabenkomplex könne zu einem riesigen Windkanal voller Staub in der Luft werden.

»Ich kann euch stündlich auf dem laufenden halten«, sagte er. »Ich habe Ulanow und Diels im Orbiter gebeten, alle Instrumente heute vormittag auf das Canyongebiet zu richten.

Glücklicherweise bleibt das Raumschiff in seiner Umlaufbahn konstant über dieser Hemisphäre.«

Jamie hörte die Geräusche der anderen, die hinter ihm von ihren Liegen aufstanden.

»Ich würde davon abraten, heute eine EVA zu unternehmen, bei der sich jemand mehr als ein paar Minuten Fußmarsch vom Fahrzeug entfernt«, sagte Toshima. »Bei Windgeschwindigkeiten von zweihundert Knoten könnte so ein Sturm bei euch sein, bevor ihr es richtig bemerkt.«

»Mist«, schimpfte Jamie. »Angenommen, wir fahren mit dem Rover weiter nach Westen? Das wollten wir sowieso tun. Dann graben wir dort ein tiefes Bohrloch und statten es mit Meßinstrumenten aus.«

Toshima zog die Augenbrauen hoch. »Der Sturm wird euch einholen, ganz gleich, wo ihr seid.«

»Falls es tatsächlich einen Sturm gibt«, sagte Jamie.

Der japanische Meteorologe schloß kurz die Augen. »Ja«, zischte er. »Falls meine Vorhersage korrekt ist.«

Jamie lehnte sich im Sitz zurück. Er war jetzt schon erschöpft. »Okay. Danke für die Warnung. Geben Sie uns eine Stunde, damit wir die Sache besprechen und frühstücken können. Dann melden wir uns wieder.«

Toshima wandte den Blick vom Bildschirm ab, dann wurde er von Wosnesenski beiseite geschoben. Der Russe schaute noch grimmiger drein als sonst.

»Jamie, wir haben die Lage mit Doktor Li erörtert. Toshimas Vorhersage ist nicht hundertprozentig sicher, aber ernst genug, daß man sie beherzigen muß.«

»Ja. Ich verstehe.«

»Ihr unternehmt keine EVA und keine Fahrt mit dem Rover ohne vorherige Abstimmung mit mir«, sagte Wosnesenski.

Jamie nickte.

»Jetzt würde ich gern mit Connors sprechen.«

Es kostete Jamie Mühe, den Kopf zu drehen und in den rückwärtigen Teil des Moduls zu schauen. »Er ist auf der Toilette«, sagte Jamie zum Bildschirm. »Ich sage ihm, daß er Sie anrufen soll.«

»Ja. Sofort, wenn er herauskommt.«

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis alle vier sich gewaschen und ihre Tagesoveralls angezogen hatten. Jamie war bereits zu erschöpft, um auch nur ans Rasieren zu denken. Ein Vorteil des indianischen Blutes, sagte er sich, als er mit trüben Augen in den Spiegel spähte. Kein sonderlich starker Bartwuchs. Als er aus der Naßzelle kam, bemerkte er, daß Connors sich ebenfalls nicht rasiert hatte. Sein Bart war von grauen Strähnen durchsetzt; er machte ihn älter.

Sie klappten schweigend die Liegen ein und setzten sich auf die Bänke, vier dampfende Mahlzeiten auf dem Tisch zwischen ihnen, dazu die übliche Flasche Vitaminpillen.

»Mikhail will nicht, daß wir weiterfahren, bis sie wissen, ob sich wirklich ein Sandsturm entwickelt«, sagte Connors, während er in seinen aus Konzentrat zubereiteten Eiern und dem Sojaschinken lustlos herumstocherte.

»Soll mir recht sein«, sagte Ilona. »Ich glaube, wir sind sowieso nicht in der Verfassung, sehr viel zu tun.«

»Geht es dir immer noch so schlecht?« fragte Jamie.

»Schrecklich. Und dir?«

»Ziemlich mies. Aber ich finde, wir könnten wenigstens rausgehen und noch ein paar Proben sammeln. Was ist mit dir, Joanna?«

Sie sah elend aus: blaß und rotäugig. Unter ihren Augen waren dunkle Ringe. Ilona sah noch schlimmer aus: hager und hohlwangig. Jamie wußte, daß er selber auch eingefallene Wangen und ein schrecklich müdes Gesicht hatte.

»Wir kommen nicht drum herum. Wir werden Reed Bescheid sagen müssen.«

Jamie nickte widerstrebend. »Wie wär’s, wenn wir eine Tiefbohrung machen würden, solange wir hier festsitzen?«

»Hat keinen Sinn, den Motorbohrer rauszuholen, wenn wir ihn wieder abbauen und wegpacken müssen, sobald der Sturm losgeht. Wir sind sowieso nicht gerade in der Verfassung, gerade jetzt schwere Arbeiten zu erledigen.«

»Aber wenn es keinen Sturm gibt, haben wir den ganzen Tag vergeudet.« Jamie merkte, daß er sich allmählich wie Patel anhörte. Aus dem gleichen Grund: Ihm wurde wertvolle Zeit gestohlen, Zeit, die er brauchte, um seine Arbeit zu tun.

»In ein oder zwei Stunden müßten wir wissen, ob es einen Sturm geben wird«, meinte Connors.

»Kann sein«, sagte Jamie. »Kann aber auch sein, daß Toshima bloß unüberlegt irgendwas losgetreten hat.«

»Soll ich Mikhail fragen?«

Jamie wußte, daß Wosnesenski einfach wiederholen würde, was er bereits gesagt hatte: Bleibt im Rover, wo ihr in Sicherheit seid, und geht keine Risiken ein.

Joanna aß verbissen ihr Frühstück auf. Sie löffelte die letzten Happen geeistes Obst zum Nachtisch in sich hinein. »Ich kann den Tag ja wenigstens für die Untersuchung der Gesteins- und Bodenproben nutzen, die wir gestern mitgebracht haben«, sagte sie.

Ilona murmelte: »Ich helfe dir. Ich glaube, das schaffe ich.

Die mit den leuchtend orangefarbenen Intrusionen sehen interessant aus.«

»Wie Jamies grüner Stein?« Joanna zwang sich zu einem Lächeln.

Ilona lächelte zurück. »Die hier sind orange.«

Jamie sagte: »Es wäre nett, wenn ihr zuerst die Kernproben analysieren würdet.«

»Nicht die Steine?«

Er schüttelte den Kopf, aber bei der Bewegung schossen ihm neue Schmerzen durch den Schädel. »Aus dem Boden kommen Wärme und Wasser herauf und erzeugen auf irgendeine Weise den Frühnebel. Ich glaube, die Kernproben haben uns mehr zu sagen als bunte Steine.«

Joanna legte den Kopf ein wenig schief. »Wenn du es wünschst«, sagte sie, aber es klang nicht überzeugt.

»Ich rufe Reed an«, sagte Connors und schlüpfte hinter dem Tisch hervor.