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»Wosnesenski ist stinksauer, weil wir keine Abdeckung haben, die wir über die Kanzel ziehen könnten«, sagte Connors.

»Er befürchtet, der Staub wird den Kunststoff so stark zerkratzen, daß wir nicht mehr durchgucken können.«

»Und? Stimmt das?«

Connors wiegte zweifelnd den Kopf. »Schwer zu sagen, bis jetzt. Ich höre nichts, was wie ein Kratzen klingt. Sie?«

»Die Staubpartikel sind mikroskopisch klein.«

»Ja, aber scharfkantig.«

»Wir können nichts anderes tun als warten«, sagte Jamie.

»Wie läuft’s bei den Frauen hinten?«

Jamie schnaubte. »Die sind so beschäftigt, daß sie sich nicht mal für den Sturm interessieren.«

»Sie werden die Show verpassen.«

Jamie wunderte sich erneut über das Fehlen von Wasser in den Kernproben. Da kann etwas nicht stimmen. Uns entgeht etwas.

»Wenn wir die Kanzel abgedeckt hätten, könnten wir das nicht sehen«, sagte Connors. Seine Stimme klang müde.

»Was ist mit den Kameras?«

»Die laufen alle auf Automatik. Wir bekommen eine vollständige Aufzeichnung des Sturms, vorausgesetzt, der Sand zerkratzt die Objektive nicht allzusehr.«

»Wir haben doch Ersatzobjektive an Bord, oder?«

»Klar.« Connors stieß einen Seufzer aus. »Ich hätte sowieso nicht die Kraft, jetzt eine Abdeckung drüberzuziehen.«

»Geht’s Ihnen immer noch schlecht?«

»Schlechter. Und Ihnen?«

»Ziemlich lausig.«

»Meinen Sie, wir sollten Reed Bescheid sagen?«

»Wenn er uns was zu sagen hätte, würde er sich melden«, meinte Jamie.

»Ja. Glaube ich auch.«

Jamie lehnte sich zurück und beobachtete den Staubsturm, der draußen tobte. Er fühlte sich zerschlagen, und er schwitzte, obwohl er den ganzen Tag nichts getan hatte. Er entnahm den Anzeigen an der Instrumententafel, daß der Wind mit konstanten zweihundertfünfundzwanzig Stundenkilometern wehte, in Böen mit einer Geschwindigkeit von bis zu zweihundertneunzig Stundenkilometern. Ein hohes Kreischen war zu hören. Der Rover geriet jedoch nicht ins Schaukeln; er bewegte sich nicht, erbebte nicht einmal. Jamie wußte, daß die dünne Marsluft nur sehr wenig Kraft besaß. Mit seinen fast dreihundert Stundenkilometern war der Wind nicht stärker als ein laues Lüftchen von dreißig Stundenkilometern auf der Erde.

Toshima rief an und erkundigte sich nach der Lufttemperatur außerhalb des Rovers.

»Geht rauf«, meldete Connors überrascht. »Jetzt sind es fast zehn Grad plus.«

Toshima lächelte breit vom Bildschirm. »Die Reibung der Staubpartikel heizt die Atmosphäre auf. Es könnte Blitze geben.«

»Blitze?«

»Es wäre möglich. Vergewissern Sie sich, daß alle Geräte geschützt sind.«

Connors stieß genervt die Luft aus. »Alles ist unter Dach und Fach, nur die Kommunikationsantenne steht wie ein Blitzableiter draußen im Wind.«

»Sie ist doch geerdet, oder?«

»Sicher, aber wie viele Ampere werden diese Blitze haben?«

Toshima setzte eine ausdruckslose Miene auf. Jamie erkannte, daß er einfach schwieg, wenn er die Antwort auf diese Frage nicht wußte.

»Okay«, sagte Connors, »ich fahre die Antenne zwischen den Übertragungen ein.« Der Astronaut warf einen Blick auf die Digitaluhr an der Instrumententafel. »Ich rufe Sie in fünfundvierzig Minuten an, genau um fünfzehn Uhr.«

Der Meteorologe nickte.

»Wenn Sie eine dringende Nachricht für uns haben, kommen Sie über Sprechfunk oder die Computerverbindung. Deren Antennen liegen flach am Dach an. Wir können uns per Modem unterhalten, wenn es sein muß.«

»Ich verstehe.«

Connors verabschiedete sich und drehte sich dann zu der Schalterreihe links neben sich um. Durch das schrille Heulen des Windes hörte Jamie das leise Klicken eines Kippschalters, dann das Summen eines Elektromotors über ihnen.

»Die Antenne ist genau über dem Cockpit. Wenn sie einen Blitzstrahl anzieht, könnten wir gebraten werden.«

Das Summen des Elektromotors wurde zu einem schnarrenden Brummen.

»Mist, verdammter! Sie klemmt. Der Scheiß-Staub muß in die Gelenke geraten sein.« Connors betätigte mehrmals den Schalter. Seine sonstige Gelassenheit wich frustriertem Zorn. Der Motor winselte und mühte sich ab. Kopfschüttelnd sagte Connors: »Ist genau in der Mitte steckengeblieben. Den Satelliten erreichen wir damit nicht mehr, aber sie ragt immer noch so weit raus, daß sie einen Blitz anziehen kann. So ein verfluchtes, nutzloses Stück Schrott!« Er schlug mit der Faust auf die Tafel.

»Aber sie ist geerdet«, sagte Jamie, halb als Frage.

»Ja, aber wer weiß denn, wieviel Saft so ein marsianischer Blitz hat?«

Jamie schaute zu den dunklen Wolken hinaus, die am Cockpit vorbeiflogen, und sagte leise: »Wollen wir hoffen, daß wir’s nicht rausfinden müssen.«

»Möchte wissen, was der Staub sonst noch alles kaputtmacht, verdammt noch mal.«

Jamie merkte, wie seine Augenbrauen in die Höhe gingen.

»Die Räder, zum Beispiel«, schimpfte Connors. »Kann sein, daß wir zur Kuppel zurücklaufen müssen.«

Jamie sah den schwarzen Astronauten genauer an. Es sah Connors gar nicht ähnlich, daß er so verbittert herumjammerte. Das Gesicht des Mannes glänzte vor Schweiß. Seine Wangen wirkten eingefallen, seine blutunterlaufenen Augen lagen tief in den Höhlen.

»Vielleicht sollten wir noch mal eine Dosis von diesem Antibiotikum nehmen«, schlug Jamie vor.

Connors klopfte auf das Display der Digitaluhr und sagte gereizt: »Nicht vor siebzehn Uhr. Anweisung vom Doktor.«

Sie hörten die Schritte beide im selben Moment und drehten sich in ihren Sitzen um. Joanna kam durch die ganze Länge des Kommandomoduls beinahe auf sie zugelaufen. Ihr herzförmiges Gesicht war ausgezehrt, aber sie trug das strahlendste Lächeln zur Schau, das Jamie jemals bei ihr gesehen hatte.

»Wir haben es!« rief sie. »Lebende Organismen! In den Steinen!«

So schnell Connors’ Fliegerreflexe auch waren, Jamie kam als erster vom Sitz hoch. Seine Kehle war so eng, daß er kein Wort herausbekam, aber er stapfte hinter Joanna her durch das Modul und schlüpfte geduckt durch die Luke der Luftschleuse.

Connors folgte ihm auf den Fersen.

Ilona hockte halb zusammengesunken über dem Lichtmikroskop, das die einzige Beleuchtung im Labormodul darstellte.

Im Profil sah sie vor dem hellen weißen Licht völlig entkräftet aus, erschöpft wie eine Frau, die gerade ein Kind zur Welt gebracht hatte.

Sie lächelte matt zu Jamie hinauf.

»In den Steinen«, sagte Joanna. Ihre Stimme war ein ehrfürchtiges Flüstern. »Genau wie du in McMurdo gesagt hast…«

Jamie merkte, daß er Ilona anstarrte. Sie sah furchtbar schwach aus.

»Es ist so etwas Ähnliches wie eine terrestrische Flechte«, erklärte Joanna, ohne ihre Kollegin zu beachten. »Sie haben eine harte Silikatschale, die sie vor der Kälte schützt, aber die Schale ist wasserdurchlässig. Und es sind Fenster drin, die das Sonnenlicht durchlassen.« Ihre Worte überschlugen sich beinahe.

»Wir glauben, daß die Fenster hauptsächlich im Infrarotbereich transparent sind, aber offenbar lassen sie in gewissem Maß auch sichtbare Wellenlängen passieren. Das Wasser in ihrem Innern ist anscheinend mit einer Form von Alkohol versetzt, einem natürlichen Frostschutzmittel. Bei Nacht oder immer dann, wenn die Temperatur so stark absinkt, daß ihr Frostschutz kristallisiert, treten sie aller Wahrscheinlichkeit nach in einen Ruhezustand ein, und sie werden wieder aktiv, wenn die Temperatur soweit ansteigt, daß sich ihr Frostschutz verflüssigt. Es ist eindeutig! Es ist real! Sieh selbst!«

Ilona schaffte es, ihren Stuhl ein bißchen beiseite zu rücken, so daß Jamie sich über das Mikroskop beugen konnte. Er sah ein paar Farbflecken, leicht violette kreisrunde Gebilde, die mit Fäden in einem helleren, bläulichen Ton vernetzt waren.