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»Oder er ist aus irgendeinem Grund in Panik geraten und hat dann den Schlaganfall bekommen.« Wosnesenskis Ton war schwer und düster.

Connors war ebenfalls sehr ernst. »Was auch immer passiert ist, die Politiker springen im Dreieck. Es sieht nicht gut aus, wenn jemand getötet wird…«

»Er ist nicht getötet worden«, fauchte Jamie. »Er ist gestorben.«

»Glauben Sie, das interessiert die in Tokio? Oder in Washington?« knurrte Connors.

»Nein, wohl nicht.«

Wosnesenski sagte: »Wir machen uns morgen früh bei Tagesanbruch auf den Rückweg, wie befohlen. In der Zwischenzeit überspiele ich Ihnen alle Videobänder und die anderen Daten, die wir gesammelt haben.«

»Okay. Ich stelle den Computer auf Empfang.«

Er erwähnt die Felsenbauten nicht einmal, erkannte Jamie.

Mit keinem Wort.

»Kann ich mit Doktor Patel sprechen, bitte?« fragte er Connors. »Ist er da?«

»Sicher.«

Kurz darauf machte Connors’ Gesicht dem des Geologen aus Indien Platz. Pateis dunkle Haut schien immer zu glänzen, als wäre sie von einer feinen Schweißschicht bedeckt oder gerade mit Öl eingerieben worden. Die Augen in seinem runden Gesicht waren groß und feucht und verliehen ihm den unschuldigen Ausdruck eines Kindes, das am Rande der Tränen war.

»Es wäre nett von Ihnen, Rava, wenn Sie O’Hara bitten würden, das Filmmaterial, das wir heute aufgenommen haben, mit dem Bildverbesserungsprogramm zu bearbeiten«, sagte Jamie zu seinem Kollegen.

»Möchten Sie, daß ich etwas Bestimmtes untersuche?«

Jamie merkte, daß sein Kollege sich nicht die Mühe gemacht hatte, sich seinen mündlichen Bericht anzuhören. Wahrscheinlich ist er zu sehr damit beschäftigt gewesen, mit den anderen über den Unfall zu schwatzen.

»Sie werden eine Formation in einer Spalte in der Felswand sehen«, sagte er und setzte nach kurzem Zögern hinzu: »Es –

es sieht fast so aus, als wären es Bauten, die dort errichtet worden sind.«

Die feuchten dunklen Augen wurden noch runder.

»Bauten?« quiekte Patel. »Künstliche Bauten?«

Jamie zwang sich zur Ruhe. »Die Wahrscheinlichkeit, daß es Artefakte sind, ist verschwindend gering; das wissen Sie ebensogut wie ich.« Er holte Luft. »Aber sie erinnern mich jedenfalls an die Felsenbehausungen, die ich im Südwesten gesehen habe.«

Patel zwinkerte mehrmals. Dann sagte er: »Ja, natürlich. Ich werde mir die Bänder sehr genau ansehen. Und ich werde Doktor O’Hara bitten, sie mit dem Bildverbesserungsprogramm zu bearbeiten. Wenn Sie wieder hier sind, haben wir die Daten gründlich analysiert, das versichere ich Ihnen.«

»Danke«, sagte Jamie. Tief im Innern verspürte er den irrationalen Argwohn, daß sie die Daten verzerren, die Bilder verhunzen und alles so hindrehen würden, daß die Felsenbauten, die er gesehen hatte, nur noch wie verwitterte alte Steine aussahen.

Endlich kroch er in sein Bett. Wosnesenski schaltete alle Lichter bis auf die matten Anzeigen an der Kontrolltafel vorne im Cockpit aus.

»Schlafen Sie gut, Jamie«, sagte der Russe und streckte sich gähnend auf der Liege an der anderen Wand aus.

»Sie auch, Mikhail.«

Der sanfte Nachtwind des Mars strich über den geparkten Rover, streichelte dessen metallene Haut nur ein paar Zentimeter von Jamies gespitzten Ohren entfernt. Jamie gab sich alle Mühe, das leise Raunen einer Stimme im Wind zu erhaschen, und sei es auch nur das klagende Seufzen eines längst toten marsianischen Geistes. Nichts.

Hier spuken nachts keine Gespenster, sagte sich Jamie schläfrig. Er war irgendwie enttäuscht.

TOD

Die rote Welt war nicht nur weiter von der Sonne entfernt als die blaue Welt. Sie lag auch viel näher an den kleinen Mini-Welten, jenen übriggebliebenen Bruchstücken aus der Zeit des Anfangs, von denen es in der Dunkelheit des Nichts immer noch wimmelte. Oftmals stürzten sie brüllend wie Ungeheuer auf die rote Welt herab und zogen ihre Dämonenspuren aus Feuer über den fahlen Himmel.

Wenn die kleine, kalte rote Welt, die von Himmelsdämonen bombardiert wurde und deren Luft und Wasser langsam dahinschwanden, überhaupt jemals Leben getragen hatte, dann mußten ihre Geschöpfe hart gekämpft haben, um den Funken des Lebens in ihrem Innern zu bewahren.

Dennoch schlug der Tod rasch und gnadenlos zu.

Eine der größten jener Teufelswelten trieb so nah an die rote Welt heran, daß sie deren Anziehungskraft zu spüren bekam.

Es war ein riesiger Berg aus Stein, der seine Bahn durch die Dunkelheit des Alls zog, tausendmal größer als der Felsbrocken, der den Meteoritenkrater im Süden des Landes erzeugt hatte, in dem das Volk lebte. Tausend Jahrtausende lang führte er einen eleganten, zeremoniellen Tanz mit der roten Welt auf, näherte sich ihr und entschwand wieder in die unendliche Leere draußen. Wie die rituellen Tänzer des Volkes bewegte er sich zum Rhythmus der Ewigkeit. Jedesmal, wenn er sich der roten Welt näherte, kam er dichter an sie heran, jeder Beinahe-Einschlag ein kurzer Aufschub, eine Ankündigung dessen, was kommen würde.

Schließlich stürzte er auf die rote Welt herab, brüllend wie alle Furien der Hölle, und schlug in die Kruste ein. Unter der titanischen Gewalt seines Aufpralls verflüssigte sich das Gestein bis fast in den Kern der roten Welt. Eine gewaltige Wolke aus brennendem Staub quoll in die Atmosphäre empor und breitete sich rasch von Pol zu Pol aus. Der Stoß ließ das gesamte Gefüge der armen, gemarterten roten Welt erbeben und warf den Boden auf der gegenüberliegenden Seite der Kugel zu einem gigantischen Buckel auf. Die Luft der roten Welt wurde fast vollständig weggeblasen.

Dunkelheit bedeckte das Antlitz der roten Welt. Es gab keinen Tag, nur pechschwarze Nacht. Das Wasser gefror und wurde später von dem roten Staub bedeckt, der aus der jämmerlich dünnen Luft herabrieselte. Die Kruste verhärtete sich wieder, aber das Gestein tief im Innern war nach wie vor glühend heiß, flüssig, brodelnd. Vulkane brachen noch Tausende von Jahrhunderten danach aus.

Als der Himmel sich endlich klärte, bot die rote Welt ein Bild der totalen Verwüstung. Die Meere waren verschwunden. Die Atmosphäre war nur noch ein kümmerlicher Rest dessen, was sie einst gewesen war. Der Boden war kahl und öde. Und falls es überhaupt jemals Leben auf der roten Welt gegeben hatte, so war davon nichts mehr zu sehen.

ERDE

NEW YORK: Alberto Brumado blinzelte, als die Overhead-Scheinwerfer eingeschaltet wurden; dann gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit. Wieviel Zeit meines Lebens habe ich wohl in Fernsehstudios verbracht, fragte er sich. Es müssen Jahre sein, viele Jahre, wenn man all die Minuten und Stunden zusammenzählt.

Zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, war er jedoch nervös wegen des bevorstehenden Interviews. Nicht, weil es von einem der amerikanischen Networks ausgestrahlt wurde.

Nicht, weil er mit einem Trio erfahrener, ranghoher Fragesteller von der Zeitung, dem Nachrichtenmagazin und der Network-Nachrichtenabteilung mit dem größten Prestige in den Vereinigten Staaten konfrontiert sein würde. Mit solchen Leuten hatte er schon öfters einen Strauß ausgefochten.

Die Nervosität, die ihn innerlich erzittern ließ, rührte daher, daß die Interviewer Blut gerochen hatten. Dr. Konoyes Tod hatte die Haie angelockt, und nun umkreisten sie sein Marsprojekt, das in ihren Augen schwer angeschlagen war und blutete. Bei diesem Interview würde es keine vornehme Zurückhaltung geben, keine Glacehandschuhe. Brumado wußte, daß ihm eine ziemliche Tortur bevorstand.

Die Mitglieder des technischen Teams waren alle gleichermaßen freundlich gewesen, wie üblich. Die mütterliche Maskenbildnerin lächelte und schwatzte mit Brumado, während sie ihm Naßschminke auf sein gebräuntes Gesicht klatschte.