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Er stöhnte innerlich, als ein Mann mit gerötetem Gesicht, dessen Namensschild am Revers ihn als Geologen aus Kanada auswies, einen hitzigen jungen Astronomen aus Chile zu überschreien versuchte, der ihn unterbrochen hatte.

Alberto Brumado, der mitten an dem langen Tisch stand, der vor dem Auditorium auf der Bühne aufgestellt worden war, schlug plötzlich so heftig mit der Faust auf den Tisch, daß die sechs Männer und Frauen links und rechts neben ihm erschrocken zusammenfuhren.

»Sie setzen sich jetzt beide hin«, rief Brumado in das Mikrofon vor sich. »Setzen Sie sich. Sofort!«

Es wurde mit einemmal still im Raum. Der chilenische Astronom sank auf seinen Stuhl. Der Geologe mit dem roten Gesicht funkelte ihn einen Moment lang an, dann setzte er sich ebenfalls.

Brumado fuhr sich mit einer Hand durch das zerzauste Haar.

»Unsere Erregung trägt den Sieg über die Vernunft davon«, sagte er in normalerem Ton. »Wir machen eine Viertelstunde Pause. Wenn wir zurückkommen, sollten wir alle daran denken, daß wir Männer und Frauen der Wissenschaft sind, keine Politiker oder Straßenhöker. Ich erwarte eine rationale Diskussion, bei der die üblichen Anstands- und Höflichkeitsregeln strikt beachtet werden.«

Wie mürrische, schuldbewußte Studenten verließen die Wissenschaftler nacheinander den großen Saal. Sie waren allesamt führend auf ihren Gebieten, wie DiNardo wußte. Forscher von Weltrang. Nach der inoffiziellen Zählung des Priesters waren mindestens vier Nobelpreisträger in der Gruppe. Die Besten der Besten.

Er ging eine Treppe hinunter zur Herrentoilette. Als er sich durch die Menge am Erfrischungstresen drängte, registrierte er zerstreut, welche Nationalitäten sich für Kaffee anstellten und welche für Tee. Die Amerikaner tranken größtenteils Saft.

Mit viel Eis natürlich.

Valentin Gretschko stand schon an einem der Urinale. Der russische Physiker hatte den Ruf, fortwährend Unmengen von Tee zu trinken und dann auf die Toilette zu laufen. Als Gretschko sich zu den Waschbecken wandte und den Reißverschluß seiner dunkelblauen Hose hochzog, tat DiNardo so, als wäre er fertig.

Gretschko lächelte mit teebraunen Zähnen, als er DiNardo sah. Die beiden Männer bückten sich, um sich nebeneinander die Hände zu waschen. Der Priester sah im Spiegel über seinem Waschbecken, daß er sich hätte rasieren sollen, bevor er zu dieser Konferenz gekommen war. Sein Unterkiefer und der Schädel waren dunkel von Stoppeln. Dann warf er einen Blick auf Gretschkos Gesicht.

Der Direktor des russischen Raumforschungsinstituts war weit über sechzig, und sein schütteres Haar war völlig grau.

Das Jackett seines dunklen Anzugs schien an ihm zu schlackern, als ob er in letzter Zeit Gewicht verloren hätte. DiNardo fragte sich, ob er krank war. Das seltsame kleine Lächeln, das Gretschko stets zur Schau trug, war noch da; die Welt schien ihn beständig zu verwirren. Dennoch hatte er sich mit Zähnen und Klauen an die Spitze der wissenschaftlichen Hierarchie in Rußland hochgekämpft; er war Mitglied ihrer Akademie und Chef des Instituts, das ihre Raumforschung leitete.

Als sie gemeinsam die Toilette verließen, fragte Gretschko:

»Haben Sie sich von Ihrer Operation wieder gut erholt?«

»O ja«, sagte DiNardo und fuhr sich unbewußt mit der Hand über die Seite. »Solange ich aufpasse, was ich zu mir nehme, geht es mir bestens.«

Der Russe nickte. DiNardo bemerkte, daß ihre Anzüge beinahe denselben Farbton hatten. Abgesehen von meinem Kollar hätte unsere Kleidung aus demselben Laden stammen können, dachte er.

»Von Konferenzen wie dieser bekomme ich Magengeschwüre«, sagte Gretschko leise, als sie sich in der Teeschlange anstellten. »Hier schafft es nicht einmal Brumado, für Ordnung zu sorgen.«

»Wir haben eine gewichtige Entscheidung zu treffen: ob wir eine weitere Exkursion zum Grand Canyon erlauben sollen oder nicht. Wenn wir es tun, werden alle anderen Exkursionen verkürzt werden müssen.«

»Oder ganz ausfallen.«

»Wie stehen Sie dazu?« fragte DiNardo.

»In wissenschaftlicher Hinsicht habe ich keine definitive Meinung«, sagte der Physiker. Er senkte die Stimme so weit, daß DiNardo sich nahe zu ihm beugen mußte, um ihn trotz des Stimmengewirrs der Menge zu hören. »Aber ich kann Ihnen sagen, daß unsere Missionsleiter die Politiker bereits überredet haben, den Amerikaner noch einmal nach Tithonium fahren zu lassen.«

»Wirklich?«

Gretschko nickte. Sein immerwährendes Lächeln wich für einen Moment einem Gesichtsausdruck, der fast schon unmutig wirkte.

»Ich möchte wissen, wie die Amerikaner darüber denken«, sagte DiNardo nachdenklich.

»Da ist Brownstein. Den können wir fragen.«

Murray Brownstein war ein ganzes Stück größer als der italienische Priester und der russische Physiker, aber sein Rücken war derart gebeugt, daß er in seinem grauen Jackett und der grauweißen Khakihose fast schon wieder klein und schmächtig wirkte. Sein Gesicht war von der Sonne Kaliforniens gebräunt, sein einstmals goldblondes Haar ergraute allmählich und war so dünn, daß er es nach vorn kämmte, um seine hohe Stirn so weit wie möglich zu verdecken. Während DiNardo wie ein dunkelhäutiger, zu alter Ringer aussah und Gretschko einem freundlichen, verwirrten älteren Herrn glich, strahlte Brownstein eine intensive Unzufriedenheit aus, als ob es der Welt nie so recht gelänge, ihn glücklich zu machen.

Er sah Gretschko und DiNardo auf sich zukommen und machte mit den Augen sofort eine Geste zu einer leeren Ecke ein Stück den Flur hinunter. Wortlos fielen die drei Männer in Gleichschritt und entfernten sich von der Menge am Erfrischungstresen: Gretschko mit einem Glas Tee in der Hand, Brownstein mit einer Dose Cola Light, DiNardo mit leeren Händen.

»Wie denken Sie über das alles?« Brownstein sprach zuerst, als sie die Ecke erreichten. Seine Stimme war leise und nervös, wie die eines Verschwörers, der Angst hatte, daß jemand mithörte.

DiNardo machte eine italienische Geste. »Brumado hat unseren Kollegen und Kolleginnen eine Chance gegeben, ihrem Ärger Luft zu machen, aber jetzt geht selbst ihm allmählich die Geduld aus.«

»Das ist alles eine idiotische Zeitverschwendung«, sagte Brownstein bitter. »Unsere Regierung hat ihre Entscheidung schon längst getroffen.«

»Und sie gefällt Ihnen nicht?« fragte Gretschko.

»Ich mag es nicht, wenn wissenschaftliche Entscheidungen in Washington getroffen und mir dann einfach aufs Auge gedrückt werden.«

»Aber vielleicht ist es eine gute Entscheidung«, sagte DiNardo. »Schließlich ist der Canyon ein außerordentlich interessantes Gebiet. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann wären die Teams auf dem Boden des Canyons gelandet.«

»Viel zu riskant für die erste Mission«, erklärte Gretschko kategorisch.

»Ich war damals anderer Meinung, und das bin ich auch jetzt noch«, sagte DiNardo ohne eine Spur von Verbitterung.

»Wissenschaftlich mag sie in Ordnung sein«, sagte Brownstein. »Was mich wurmt, ist die politische Seite. Wenn wir zulassen, daß die Politiker sich über unsere Beschlüsse hinwegsetzen…«

»Aber deshalb ist diese Konferenz doch einberufen worden«, unterbrach ihn DiNardo. »Damit wir Wissenschaftler unsere Entscheidung treffen und die Politiker dann davon unterrichten können.«

»Ist doch egal, welche Entscheidung wir treffen. Dieser verdammte Indianer wird nach Tithonium fahren, ob es uns paßt oder nicht.«

»Sie meinen Doktor Waterman.«

»Ja, richtig. Waterman.«

»Aber wenn diese Konferenz einhellig gegen eine Änderung des Missionsplans votiert«, sagte Gretschko, »wird das die Politiker zwingen, sich die Sache noch einmal zu überlegen.«

»Nein, wird es nicht. Die Japse haben dem neuen Plan auch schon zugestimmt.«