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»Ich seh sie.« Sie blieb ganz ruhig. »Bitte, Arnie. Du und ich, wir haben schon so oft zusammengearbeitet, bei so vielen lohnenden Gelegenheiten ... um meinetwillen, um Sams willen - wenn du damit nicht aufhörst, weiß ich, daß wir beide nie wieder zusammenkommen werden. Siehst du das denn nicht ein? Ist es wirklich so wichtig, daß du bereit bist, alles dafür aufzugeben?«

Arnie sagte nichts.

Schnaufend tauchte Eddy Goggins neben dem Bus auf. Die Gildeleute waren ausgeschwärmt und kamen von allen Seiten auf Anne Esterhazy und Dr. Glaub zu. Jetzt war auch der andere Hubschrauber gelandet, und Jack Bohlen stieg aus.

»Frag ihn«, sagte Arnie. »Er kommt aus freien Stücken mit; er ist erwachsen und weiß, was er tut. Frag ihn, ob er nicht freiwillig an dieser Wallfahrt teilnimmt.«

Als Glaub und Anne Esterhazy sich Jack zuwandten, setzte Arnie Kott mit dem Bus zurück; er legte den Vorwärtseingang ein und schoß an dem parkenden Wagen vorbei. Es kam zu einer Rauferei, als Glaub versuchte, wieder in sein Auto zu steigen; zwei Gildebrüder packten ihn, und sie rangen miteinander. Arnie steuerte den Bus stur geradeaus, und der Wagen und die Leute blieben hinter ihnen zurück.

»Weiter geht's«, sagte er zu Manfred.

Vor ihnen wurde die Straße zu einer unscharfen, schnurgeraden Linie, die von der Stadt in die Wüste hinausführte, auf die weit entfernten Berge zu. Der schäbige Bus holperte mit Höchstgeschwindigkeit dahin, und Arnie lächelte. Neben ihm strahlte das Gesicht des Jungen vor Aufregung.

Mich hält keiner auf, sagte sich Arnie.

Der Lärm der Balgerei verklang in seinen Ohren; er hörte jetzt nur noch das Summen der kleinen BusTurbine. Er lehnte sich zurück.

Wappne dich, Schmutziger Knorren, sagte er sich. Und dann dachte er an Jack Bohlens Glücksbringer, die Wasserhexe, die der Mann Helios Worten nach bei sich trug, und Arnie runzelte die Stirn. Aber das Stirnrunzeln verging gleich wieder. Er verlangsamte nicht.

Neben ihm krächzte Manfred aufgeregt: »Kwatsch kwatsch!«

»Was soll das heißen, kwatsch kwatsch?« fragte Arnie.

Er wartete vergebens auf Antwort, während sie beide im schäbigen UN-Postbus auf die FDR-Berge direkt vor ihnen zuholperten.

Vielleicht finde ich heraus, was es heißt, wenn wir erst einmal dort sind, sagte sich Arnie. Ich möchte es wirklich gern wissen. Irgendwie machten ihn die Geräusche, die der Junge von sich gab, diese unverständlichen Worte, nervös - nervöser als alles andere. Plötzlich wünschte er sich, daß Helio bei ihnen wäre.

»Kwatsch kwatsch!« schrie Manfred, während sie weiter dahinrasten.

Fünfzehn

In der Glut des frühen Morgens ragte riesig und finster der schwarze, überhängende Vorsprung aus Sandstein und Obsidian vor ihnen auf - der Schmutzige Knorren. Sie hatten die Nacht in der Wüste verbracht, in einem Zelt, unweit des geparkten Hubschraubers. Jack Bohlen und Doreen Anderton hatten kein Wort mit ihnen gewechselt; bei Morgengrauen war der Hubschrauber gestartet, um wieder über ihnen zu kreisen. Arnie und der Junge Manfred Steiner hatten reichlich und gut gefrühstückt, dann zusammengepackt und ihre Reise fortgesetzt.

Jetzt war die Reise, die Wallfahrt zum heiligen Felsen der Bleichmänner, zu Ende.

Als er den Schmutzigen Knorren so dicht vor sich sah, dachte Arnie: Das ist der Ort, der uns alle von jeglichen Leiden befreit. Er ließ Manfred das Steuer des Busses halten und zog die Karte zu Rate, die Heliogabalus gezeichnet hatte. Sie zeigte einen Pfad durch hügeliges Gelände hinauf bis zum Felsen. Helio hatte ihm erzählt, daß es an der Nordseite des Felsens eine Höhle gab, in der man gewöhnlich auf einen Priester der Bleichmänner stieß. Es sei denn, sagte sich Arnie, daß er gerade irgendwo seinen Rausch ausschläft. Er kannte die bleichen Priester; sie waren größtenteils alte Säufer. Selbst die Bleichmänner hatten nur Verachtung für sie übrig.

Am Fuß des ersten Hügels stellte er den Bus im Schatten ab und schaltete den Motor aus. »Von hier aus steigen wir zu Fuß hoch«, sagte er zu Manfred. »Wir nehmen soviel Ausrüstung wie möglich mit, natürlich Lebensmittel und Wasser und den Sender, und wenn wir kochen müssen, denke ich, können wir immer noch zurückkommen und uns den Kocher holen. Es sollen ja nur ein paar Meilen sein.«

Der Junge sprang aus dem Bus. Er und Arnie luden die Ausrüstung ab, und kurz darauf schleppten sie sich einen steinigen Pfad ins FDR-Gebirge hinauf.

Manfred schlang zitternd die Arme um sich und warf ängstliche Blicke in alle Richtungen. Vielleicht durchlebte er wieder seine Erfahrungen im Am-Web. Arnie nahm es an. Das Henry Wallace lag nur hundert Meilen von hier entfernt. Gut möglich, daß der Junge die Emanationen des zukünftigen Gebäudes auffing, dicht genug dran waren sie ja. Er konnte sie fast schon selber spüren.

Oder spürte er den Felsen der Bleichmänner?

Der Anblick mißfiel ihm. Wieso einen Schrein daraus machen? fragte er sich. Pervers - dieser karge Ort. Aber vielleicht war die Gegend vor langer Zeit einmal fruchtbar gewesen. Am Rande des Pfads konnte man Spuren von früheren Lagern der Bleichmänner erkennen. Vielleicht stammten die Marsianer ja von hier; das Land wirkte jedenfalls alt und ausgelaugt. Als hätte eine Million grauschwarzer Wesen, dachte er, alles durch Generationen hindurch bearbeitet. Und was war es jetzt? Die letzte Zuflucht einer aussterbenden Rasse. Eine Reliquie für jene, die es nicht mehr lange geben würde.

Arnie blieb keuchend stehen. Er war die Anstrengung, schwerbepackt bergauf zu steigen, nicht gewohnt. Manfred quälte sich hinter ihm die steile Anhöhe hoch und warf noch immer angstvolle Blicke in die Runde.

»Mach dir keine Sorgen«, ermunterte Arnie ihn. »Hier ist nichts, wovor du dich fürchten mußt.« Vermischte die Begabung des Jungen sich schon mit der des Felsens? Und war der Felsen selber, fragte er sich, auch ängstlich geworden? War das möglich?

Der Pfad wurde ebener und breiter. Und alles lag im Schatten; kalt und feucht umfing es sie, als wanderten sie durch ein großes Grab. Die Vegetation, die dünn und ungesund auf der Oberfläche der Felsen wuchs, sah abgestorben aus, als hätte etwas sie am Wachstum gehindert. Weiter vorn lag ein toter Vogel auf dem Pfad, ein verwester Kadaver, der sich vielleicht schon seit Wochen dort befand; das war schwer zu sagen. Er wirkte mumifiziert.

Begeistert bin ich nicht gerade von der Gegend, sagte sich Arnie.

Manfred blieb bei dem Vogel stehen, beugte sich vor und sagte: »Kwatsch.«

»Ja«, murmelte Arnie. »Komm, wir gehen weiter.«

Auf einmal standen sie am Fuß des Felsens.

Wind brachte die Blätter der Pflanzen zum Rascheln, der Sträucher, die aussahen, als hätte man sie bis auf ihre Grundbestandteile enthäutet: kahl und abgenagt, aufrecht ins Erdreich gesteckte Knochen. Der Wind drang aus einer Spalte im Schmutzigen Knorren und roch, fand er, als lebte dort irgendein Tier. Vielleicht war das ja der Priester; ohne großes Erstaunen sah er am Wegrand eine leere Weinflasche liegen, sowie weitere Abfälle, die daneben in den scharfen Blättern hängengeblieben waren.

»Ist jemand da?« rief Arnie.

Nach langer Zeit zwängte sich ein alter Mann, ein Bleichmann, grau, als wäre er in Spinnweben gehüllt, aus der Felsenkammer. Der Wind schien ihn vor sich her zu treiben, und so kroch er seitwärts, drückte sich kurz an die äußere Höhlenwand und schob sich dann weiter. Seine Augen waren blutunterlaufen.

»Du alter Trunkenbold«, sagte Arnie leise. Und dann begrüßte er den alten Mann mit Hilfe eines Zettels, den Helio ihm mitgegeben hatte, auf bleichmännisch.

Der Priester murmelte zahnlos eine mechanische Antwort.

»Hier.« Arnie hielt ihm ein Päckchen Zigaretten hin. Murmelnd schob der Priester sich näher und nahm das Päckchen in seine Klauen; er verstaute es unter seinem spinnwebgrauen Gewand. »Darauf stehst du wohl, heh?« sagte Arnie. »Dachte ich's mir doch.«