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Er las auf bleichmännisch den Grund seines Besuchs vom Zettel ab und was der Priester für ihn tun sollte. Er wollte, daß der Priester ihn und Manfred für ungefähr eine Stunde in der Höhle allein ließ, damit sie den Geist des Felsens anrufen konnten.

Fortwährend murmelnd, zog der Priester sich zurück, hantierte wichtigtuerisch am Saum seines Gewands, wandte sich dann um und trottete davon. Ohne sich auch nur einmal nach Arnie und Manfred umzusehen, verschwand er unten an einer Abzweigung des Pfads.

Arnie drehte den Zettel um und las die Anweisungen, die Helio ihm aufgeschrieben hatte.

(1) Betreten Sie den Raum.

Er nahm Manfred am Arm und führte ihn Stufe für Stufe durch die dunkle Felsspalte; er knipste die Taschenlampe an und führte den Jungen weiter, bis die Kammer sich vergrößerte. Es riecht immer noch schlimm, dachte er, als wäre sie jahrhundertelang verschlossen gewesen. Wie eine Kiste voll modriger Lumpen, eher ein pflanzlicher als ein tierischer Geruch.

Und jetzt? Wieder zog er Helios Zettel zu Rate.

(2) Zünden Sie ein Feuer an.

Ein ungleichmäßiger Steinring umgab eine geschwärzte Grube, in der Holzreste lagen und etwas, das wie Knochen aussah ... Anscheinend bereitete der alte Säufer sich hier seine Mahlzeiten zu.

Arnie hatte Feueranzünder in seinem Gepäck; er legte das Gepäck auf den Höhlenboden, zog mit steifen Fingern an den Schnüren und holte sie heraus. »Verlauf dich nicht, Kind«, sagte er zu Manfred. Ob wir hier wohl je wieder fortkommen? fragte er sich.

Als erst einmal das Feuer brannte, fühlten sie sich schon viel besser. Die Höhle wurde wärmer, wenn auch nicht trockener; der Modergeruch blieb und schien sogar noch stärker zu werden, als zöge das Feuer die Ursache an.

Die nächste Anweisung verwirrte ihn; sie schien fehl am Platz zu sein, aber trotzdem hielt er sich daran.

(3) Stellen Sie das Kofferradio auf 574 kHz ein.

Arnie kramte das kleine, in Japan hergestellte Transistorgerät hervor und schaltete es an. Auf 574 kHz gab es nichts als Statik. Aber er hatte den Eindruck, als antwortete ihnen der Felsen ringsum; der Felsen veränderte sich offenbar und belebte sich, als hätte der Radiolärm ihn darauf gebracht, daß sich hier jemand aufhielt. Die nächste Anweisung war genauso irritierend.

(4)    Nehmen Sie Nembutal ein (der Junge nicht).

Mit Wasser aus seiner Feldflasche spülte Arnie das Nembutal hinunter und überlegte, ob es vielleicht dazu dienen sollte, ihn zu benebeln und willenlos zu machen. Oder sollte es nur seine Ängste unterdrücken? Eine Anweisung blieb noch zu befolgen.

(5)    Werfen Sie das beiliegende Paket ins Feuer.

Helio hatte Arnies Gepäck ein Stückchen Papier beigegeben, eine zerknüllte Seite aus der New York Times, in der irgendein Gras war. Neben dem Feuer kniend, wickelte Arnie das Päckchen vorsichtig aus und warf die dunklen, trockenen Halme in die Flammen. Ein übler Geruch stieg auf, und die Flammen erloschen. Rauch wallte auf und erfüllte die Kammer; er hörte Manfred husten. Verdammt, dachte Arnie, wenn das so weitergeht, ist das noch unser Tod.

Plötzlich war der ganze Rauch verschwunden. Die Höhle schien jetzt dunkel und leer zu sein und viel größer als vorher, als wäre der Felsen ringsum zurückgewichen. Mit einem Mal hatte er das Gefühl, gleich umfallen zu müssen; er schien gar nicht mehr aufrecht zu stehen. Mein Gleichgewichtssinn ist dahin, wurde ihm klar. Er konnte sich nicht mehr orientieren.

»Manfred«, sagte er, »paß auf. Durch mein Eingreifen brauchst du dir keine Sorgen mehr wegen dieses AM-WEB zu machen, wie Helio schon sagte. Hast du verstanden? Gut. Nun versetz dich um etwa drei Wochen zurück. Kannst du das? Leg dich richtig ins Zeug, gib alles, was du hast.«

Im Halbdunkel spähte der Junge zu ihm herüber, die Augen weit aufgerissen vor Angst.

»Geh zurück in eine Zeit, als ich Jack Bohlen noch nicht kannte«, sagte Arnie. »Zu dem Tag, als ich ihm draußen in der Wüste begegnete, bei den verdurstenden Bleichmännern. Verstehst du?« Er ging auf den Jungen zu

Und fiel flach aufs Gesicht.

Das Nembutal, dachte er. Besser schnell wieder aufstehen, ehe ich vollends wegtrete. Er rappelte sich auf, griff nach etwas, um sich daran festzuhalten. Es flackerte hell auf, versengte ihn; er streckte die Hände aus ... und dann spürte er plötzlich Wasser. Warmes Wasser prasselte auf ihn nieder, auf sein Gesicht; er prustete, japste nach Luft, sah um sich nur Schwaden, spürte vertraute Fliesen unter den Füßen.

Er war in seinem Dampfbad.

Männerstimmen, die sich unterhielten. Eddys Stimme sagte: »Genau, Arnie.« Dann die Umrisse von Gestalten um ihn herum, andere Männer, die duschten.

Tief in seinem Innern, in der Leistengegend, begann sein Zwölffingerdarmgeschwür zu brennen, und ihm wurde klar, daß er entsetzlich hungrig war. Er kam unter der Dusche hervor und tappte mit schwachen Beinen, die ihm nicht recht gehorchen wollten, über die warmen, feuchten Fliesen, suchte seinen Badewärter, damit der ihm sein großes Froteebadetuch gab.

Hier war ich doch schon, dachte er. Das habe ich doch alles schon getan, schon gesagt, was ich jetzt sagen will; das ist ja unheimlich. Wie nennt man das noch gleich? Ein französischer Ausdruck ...

Ich sollte besser etwas frühstücken. Sein Magen knurrte, und das Geschwür quälte ihn immer mehr.

»He, Tom«, rief er dem Badewärter zu. »Trockne mich ab und kleide mich an, ich will essen gehen; mein Geschwür bringt mich sonst noch um.« Er hatte nie zuvor solche Schmerzen gehabt wie jetzt.

»Klar, Arnie«, sagte der Badewärter, trat auf ihn zu und hielt ihm das große weiche weiße Handtuch hin.

*

Als der Badewärter ihn angekleidet hatte und er wieder seine grauen Flanellhosen und das T-Shirt, die weichen Lederstiefel und die Seglermütze trug, verließ Gildebruder Arnie Kott das Dampfbad und ging durch den Flur des Gildehauses in sein Eßzimmer, wo Heliogabalus schon mit dem Frühstück auf ihn wartete.

Schließlich saß er vor einem Haufen Maiskuchen und Schinken, echtem Kaffee von Zuhause, einem Glas Orangensaft aus Neu-Israel-Orangen und der Sonntagsausgabe der New York Times von voriger Woche.

Er zitterte vor Entsetzen, als er seine Hand nach dem Glas mit eisgekühltem süßem Orangennektar ausstreckte; das Glas war glitschig und gab jedem Druck nach und wäre ihm fast auf halbem Weg aus der Hand gerutscht. Er dachte: Ich muß vorsichtig sein, langsam machen und die Sache locker angehen. Es ist wirklich wahr; ich bin wieder hier, wo ich schon vor einigen Wochen war. Das ist das Werk von Manfred und dem Felsen der Bleichmänner. Irre, dachte er, und in seinem Kopf herrschte ein einziges gespanntes Durcheinander. Nicht zu fassen! Er trank den Orangensaft und genoß jeden Schluck davon, bis das Glas leer war.

Ich habe bekommen, was ich wollte, sagte er sich.

Also, ich muß jetzt vorsichtig sein, redete er sich zu; es gibt da einige Dinge, die ich ganz sicher nicht ändern will. Zum Beispiel darf ich mir das Schwarzmarktgeschäft nicht verderben, indem ich das Naheliegende tue und verhindere, daß Norb Steiner sich das Leben nimmt. Ich meine, es ist schade um ihn, aber ich habe nicht vor, aus dem Geschäft auszusteigen; das bleibt also schon mal, wie es ist. Wie es sein wird, berichtigte er sich.

Ich muß vor allem zweierlei tun. Zunächst einmal muß ich zusehen, daß ich eine rechtskräftige Urkunde für alles Land in den FDR-Bergen rund um das Henry-Wallace-Gebiet bekomme, und diese Urkunde wird mehrere Wochen älter sein als die von Bohlens altem Herrn. Dann kann mir dieser Spekulant, der eigens von der Erde hergeflogen kommt, gestohlen bleiben. Wenn er, von jetzt an gerechnet, in einigen Wochen hier eintrifft, wird er feststellen, daß das Land schon verkauft ist. Die ganze Reise hin und zurück für die Katz. Vielleicht kriegt er ja einen Herzanfall. Arnie kicherte bei dem Gedanken. Ein Jammer.