Der Kaffee hatte einen ungewohnt bitteren und scharfen Beigeschmack, und er mußte die Tasse gleich wieder absetzen. Das Kind bildet sich wohl ständig ein, daß man es vergiftet, dachte Arnie verzweifelt. Ist es das? Muß ich wegen dieser Wahnvorstellungen jetzt abscheulich schmeckendes Essen zu mir nehmen? O Gott, dachte er; das ist ja furchtbar.
Das Beste wird sein, beschloß er, hier so schnell wie möglich fertig zu werden und dann in die Gegenwart zurückzukehren.
Arnie schloß die untere Schublade des Schreibtischs auf, holte das kleine batteriebetriebene Chiffrierdiktaphon heraus und machte es aufnahmebereit. »Scott«, sprach er hinein, »ich muß dir eine furchtbar wichtige Sache mitteilen. Ich bestehe darauf, daß du sofort handelst. Ich will mich in die FDR-Berge einkaufen, weil die UN da einen riesigen Wohnkomplex errichten wird, speziell um den Henry-Wallace-Canyon herum. Überweise genug Gildegelder, natürlich in meinem Namen, um sicherzustellen, daß ich Anspruch auf die ganze Gegend habe, weil in ungefähr zwei Wochen Spekulanten von der ...«
Er brach ab, denn der Chiffrierer gab ächzend seinen Geist auf. Er klopfte dagegen, die Spulen drehten sich langsam weiter, blieben aber gleich wieder stehen.
Ich hatte angenommen, es wäre jetzt in Ordnung, dachte Arnie wütend. Hat dieser Jack Bohlen nicht daran herumgebastelt? Und dann fiel ihm ein, daß hier ja alles in der Vergangenheit stattfand, also bevor er Jack Bohlen benachrichtigt hatte; es konnte ja gar nicht funktionieren.
Dann muß ich's wohl dem Sekretärinnen-Geschöpf diktieren, wurde ihm klar. Er wollte schon auf einen Knopf auf dem Schreibtisch drücken, um sie herbeizurufen, überlegte es sich dann aber anders. Wie kann ich so etwas hier wieder reinlassen? fragte er sich. Aber es blieb ihm nichts weiter übrig. Er drückte auf den Knopf.
Die Tür öffnete sich, und sie kam herein. »Ich wußte, daß Sie nach mir verlangen würden, Arnie«, sagte sie und eilte stolzen Schrittes auf ihn zu.
»Hören Sie«, sagte er mit Autorität in der Stimme. »Kommen Sie mir nicht zu nahe, ich kann es nicht leiden, wenn man mir zu nahe kommt.« Aber noch während er sprach, erkannte er seine Ängste als das, was sie waren; es handelte sich um eine der grundlegenden Ängste eines Schizophrenen, daß man ihm zu nahe kommen und in seinen Bereich eindringen könnte. Angst vor Nähe, nannte man das; sie war darauf zurückzuführen, daß ein Schizophrener in jedem, der in seine Nähe kam, Feindseligkeit spürte. Dasselbe passiert mir jetzt, dachte Arnie. Und obwohl er das wußte, war ihm die Vorstellung unerträglich, das Mädchen an sich herankommen zu lassen; abrupt sprang er auf und hastete davon, zurück ans Fenster.
»Wie Sie wollen, Arnie«, sagte das Mädchen in einem maßlosen Tonfall, und trotz ihrer Worte kroch sie weiter auf ihn zu, bis sie ihn wie vorhin fast berührte. Er stellte fest, daß er deutlich ihren Atem hörte, sie witterte, den säuerlichen Körpergeruch, ihren Atem, der heiß und unangenehm war ... Er glaubte ersticken zu müssen, weil er nicht genug Luft in die Lungen bekam.
»Ich werde Ihnen jetzt etwas diktieren«, sagte er und rückte von ihr ab, brachte eine gewisse Distanz zwischen sie beide. »Es geht an Scott Temple und sollte chiffriert werden, damit die es nicht lesen können.« Die, dachte er. Also, das war schon immer seine Angst gewesen; daran war der Junge nicht schuld. »Ich habe hier eine brandheiße Sache«, diktierte er. »Du mußt sofort handeln; es hängt viel davon ab, ein echter Geheimtip. Die UN werden in den FDR-Bergen ein riesiges Stück Land kaufen ...«
Er diktierte weiter und weiter, und noch während er sprach, befiel ihn Furcht, eine grauenhafte Angst, die mit jedem Moment größer wurde. Angenommen, sie schrieb einfach nur diese Kwatsch-Kwatsch-Wörter auf? Ich muß mich davon überzeugen, sagte er sich; ich muß mich in ihre Nähe begeben und selbst nachsehen. Aber er schreckte davor zurück, vor dieser Nähe. Er brach ab.
»Hören Sie, Miss«, sagte er. »Reichen Sie mir doch mal Ihren Block; ich möchte gern sehen, was Sie da schreiben.«
»Arnie«, sagte sie mit ihrer rauhen, schleppenden Stimme, »Sie können daraus nichts ersehen.«
»W-was?« fragte er erschrocken.
»Das ist Steno.« Sie lächelte ihn kalt und mit spürbarer Boshaftigkeit an, wie ihm schien.
»Okay«, sagte er und gab auf. Er machte weiter und beendete sein Diktat, dann bat er sie, es zu chiffrieren und sofort an Scott abzusenden.
»Und dann?« sagte sie.
»Wie meinen Sie das?«
»Sie wissen schon, Arnie«, sagte sie, und der Ton, in dem sie das sagte, ließ ihn vor Schreck und purem körperlichen Ekel zusammenfahren.
»Nichts dann«, sagte er. »Verschwinden Sie einfach; und kommen Sie nicht wieder.« Er ging ihr nach und schlug lautstark die Tür hinter ihr zu.
Ich werde wohl direkt mit Scott Verbindung aufnehmen müssen, sagte er sich; ich kann ihr nicht trauen. Er setzte sich an den Schreibtisch, nahm den Hörer ab und wählte.
Gleich darauf klingelte es am anderen Ende. Aber es klingelte vergeblich; er bekam keine Antwort. Warum? wunderte er sich. Hat er mich im Stich gelassen? Ist er gegen mich? Arbeitet er mit denen zusammen? Ich kann ihm nicht trauen; ich kann niemandem trauen. Und dann sagte plötzlich eine Stimme: »Hallo. Hier Scott Temple.« Und ihm wurde klar, daß eigentlich nur wenige Sekunden vergangen waren und es nur ein paarmal geklingelt hatte; all diese Gedanken an Verrat und Verhängnis waren ihm im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf geschossen.
»Hier ist Arnie.«
»Hey, Arnie. Was gibt's? Ich hör doch an deiner Stimme, daß was nicht stimmt. Spuck's aus!«
Mein Zeitgefühl ist den Bach runter, wurde Arnie klar. Ich hatte den Eindruck, das Telefon klingelt eine halbe Stunde lang, aber das stimmte gar nicht.
»Arnie«, sagte Scott. »Melde dich. Bist du dran, Arnie?«
Das ist die schizophrene Verwirrung, wurde Arnie klar. Es ist ganz einfach ein Zusammenbruch des Zeitgefühls. Jetzt kriege ich's auch, weil das Kind es hat.
»Himmelherrgott!« sagte Scott wütend.
Mit größter Mühe durchbrach Arnie seine Gedankenkette und sagte: »Ähm ... Scott. Hör zu. Ich hab einen brandheißen Tip bekommen; wir müssen sofort handeln, klar?« Er erzählte Scott ausführlich von der UN und den FDR-Bergen. »Du siehst also«, schloß er, »daß es sich für uns lohnt, alles, was wir haben, in diese Sache hineinzustecken, und zwar stantepede. Findest du nicht auch?«
»Bist du dir sicher mit dem Tip?« sagte Scott.
»Klar bin ich das! Und wie!«
»Wie kommt's? Ehrlich gesagt, Arnie, ich mag dich, aber ich weiß auch, daß du verrückte Einfalle hast, ständig änderst du plötzlich den Kurs. Es würde mir ganz schön stinken, wenn ich schließlich auf diesem Hundsköttel von FDR-Land sitzen bliebe.«
Arnie sagte: »Du hast mein Wort drauf.«
»Läuft nicht.«
Er glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. »Wir arbeiten doch schon seit Jahren zusammen und haben uns immer an unsere Absprachen halten können«, würgte er hervor. »Was ist denn los, Scott?«
»Das frage ich dich«, sagte Scott ruhig. »Wie kommt's, daß ein Mann mit deinen Geschäftserfahrungen auf so einen Schwindel hereinfällt? Der eigentliche Tip lautet, daß die FDR-Berge wertlos sind, und das weißt du; ich weiß, daß du es weißt. Jeder weiß es. Also was hast du vor?«
»Vertraust du mir nicht mehr?«
»Warum sollte ich dir vertrauen? Beweis mir, daß es ein echter Insidertip ist und nicht bloß wieder die übliche heiße Luft.«
Mit Mühe sagte Arnie: »Menschenskinder, wenn ich's beweisen könnte, müßtest du mir doch nicht vertrauen;
Vertrauen wäre gar nicht nötig. Okay, ich zieh die Sache allein durch, und wenn du mitkriegst, was dir dabei entgangen ist, gib dir die Schuld, nicht mir.« Zitternd vor Wut und Enttäuschung knallte er den Hörer auf. Das war vielleicht ein Ding! Er konnte es kaum glauben; Scott Temple, der einzige auf der Welt, mit dem er telefonisch Geschäfte machen konnte. Alle anderen konnte man gleich als Fischfutter verwenden, solche Gangster waren das ...