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Der von diesem Verbrecher getäuschte Graf Sandorf – und wer an seiner Stelle wäre es nicht gewesen – war sogar entschlossen, Alles zu versuchen, um jenen unbetheiligt erscheinen zu lassen. Er dachte, daß es ihm nicht schwer fallen würde, zu beweisen, daß Sarcany niemals Theil an der Verschwörung genommen hatte, daß er nur ein einfacher Commis, der erst neuerdings in das Haus Ladislaus Zathmar’s eingeführt worden war und sich einzig und allein mit den persönlichen Angelegenheiten des Grafen zu befassen hatte, die in keiner Weise mit der Verschwörung selbst in Verbindung standen. Nöthigen Falles wollte er das Zeugniß des Banquiers Silas Toronthal zu Gunsten der Unschuld des jungen Commis anrufen. Er zweifelte also nicht, daß Sarcany sowohl von der Mitschuld an der Hauptsache als auch von der Mitwisserschaft freigesprochen würde, im Falle eine Anklage gegen ihn erhoben werden sollte, was ihm indessen noch nicht erwiesen schien.

Die österreichische Regierung kannte jedenfalls von der ganzen aufständischen Bewegung nur die Verschwörer von Triest. Ihre Mitwissenden in Ungarn und Siebenbürgen waren ihr jedenfalls unbekannt. Es existirte nichts, was auf deren Betheiligung hinwies. Mathias Sandorf, Stephan Bathory und Ladislaus Zathmar brauchten sich also in dieser Beziehung nicht zu beunruhigen. Was sie selbst betraf, so waren sie entschlossen, Alles zu bestreiten, sofern kein thatsächlicher Beweis des Complotes ihnen vorgelegt wurde. In diesem Falle würden sie voraussichtlich ihr Leben zum Opfer bringen müssen. Andere konnten eines Tages die fehlgeschlagene Bewegung wieder aufnehmen. Die Sache der Unabhängigkeit würde später andere Führer finden. Wenn sie überführt wurden, wollten sie ihre Hoffnungen nicht verhehlen. Sie wollten dann das Ziel offenbaren, dem sie entgegengesteuert und das früher oder später trotzdem erreicht werden würde. Sie beabsichtigten, sich nicht einmal der Mühe einer Vertheidigung zu unterziehen und wollten die von ihnen verlorene Partie in nobler Weise bezahlen

Nicht ohne Grund nahmen Graf Sandorf und seine Schicksalsgenossen an, daß die Thätigkeit der Polizei in ihrem Falle nur eine äußerst beschränkte sein konnte. In Budapest, Klausenburg und in den übrigen Städten, in denen die Bewegung auf das von Triest her zu gebende Zeichen hätte ausbrechen sollen, hatten die Agenten vergeblich nach den Spuren einer Verschwörung gesucht. Aus derselben Veranlassung war auch die Verhaftung der drei Führer in Triest mit so großer Heimlichkeit seitens der Regierung erfolgt. Ihre Einkerkerung in die Festung von Pisino bezweckte, daß über diesen Vorfall nicht eher etwas in die Oeffentlichkeit dringen konnte, bis eine Entscheidung gefallen war; die Behörde hoffte überdies, daß irgend ein zufälliger Umstand die Verfasser des chiffrirten Billets noch verrathen würde, welches zwar nach Triest adressirt worden war, dessen Aufgabeort aber man nicht kannte.

Diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. Das erwartete Zeichen war nicht gegeben worden und sollte nicht gegeben werden. Der Bewegung war Einhalt gethan worden, wenigstens für den Augenblick. Die Regierung mußte sich also darauf beschränken, nur Graf Sandorf und seine Mitschuldigen wegen Hochverrathes gegen den Staat in Anklagezustand zu versetzen.

Ueber diese Nachforschungen waren immerhin einige Tage verstrichen, so daß erst am 20. Juni die Verhandlungen mit einem Verhöre der Angeklagten beginnen konnten. Sie wurden selbst hierbei nicht confrontirt und sahen sich erst vor ihren Richtern wieder.

Der Staat hatte einem Kriegsgerichte die Aburtheilung der Triester Führer der Verschwörung überantwortet. Man kennt das summarische Durchnehmen der Angelegenheiten, die einem solchen außergewöhnlichen Gerichtshofe übergeben werden, die Schnelligkeit, mit der die Verhandlungen und die Ausführung des Urtheilsspruches sich folgen.

In vorliegendem Falle geschah dies folgendermaßen:

Am 25. Juni versammelte sich das Kriegsgericht in einem der niedrigen Säle des Schlosses Pisino und am selben Tage erschienen die Angeklagten vor demselben.

Die Debatten konnten nicht lange währen und sehr bewegte werden, da kein Zwischenfall zu erwarten war.

Die Verhandlung nahm um neun Uhr Früh ihren Anfang. Graf Sandorf, Graf Zathmar und Professor Stephan Bathory einerseits und Sarcany andrerseits sahen sich jetzt zum ersten Male seit ihrer Einkerkerung wieder. Der Händedruck, den Mathias Sandorf und seine beiden Freunde auf der Anklagebank mit einander wechselten, galt ihnen als ein erneuertes Zeugniß und eine erneuerte Versicherung der Gefühle, welche sie beseelten. Ein Zeichen Ladislaus Zathmar’s und Stephan Bathory’s deutete dem Grafen an, daß sie beide ihm die Sorge überließen, ihre Vertheidigung vor den Richtern zu führen. Weder er noch die Uebrigen hatten die Wohlthat eines Vertheidigers für sich beansprucht. Was Graf Sandorf bis dahin gethan, war gut gethan worden. Was er den Richtern zu sagen haben würde, würde gewiß gut gesagt werden.

Die Verhandlung wurde öffentlich geführt, das heißt, die Saalthüren standen offen. Indessen wohnten ihr nur wenige Personen bei, denn der Vorfall war nicht in die Oeffentlichkeit gedrungen. Es waren höchstens zwanzig Hörer zugegen, welche durchweg dem Schloßpersonale angehörten.

Zuerst wurde die Identität der Angeklagten festgestellt. Darauf fragte Graf Sandorf den Vorsitzenden des Gerichtshofes, wohin er und seine Genossen

Die Postkutsche fuhr im Galopp davon. (S. 75.)

behufs ihrer Aburtheilung gebracht worden wären, erhielt jedoch keine Antwort auf seine Frage.

Die Identität Sarcany’s wurde ebenfalls festgestellt, dieser sagte aber noch nichts, was seine Sache von derjenigen der Gefährten hätte trennen können. Alsdann wurde den Angeklagten die Abschrift des Billets vorgelegt, das der Polizei verrätherisch in die Hände gespielt worden war

Sie wurden einzeln eingekerkert. (S. 76.)

Als der Präsident sie fragte, ob sie eingeständen, das Original der ihnen vorgelegten Copie erhalten zu haben, antworteten sie, daß es Sache des Gerichtshofes wäre, den Beweis hiefür zu liefern.

Auf diese Antwort hin zeigte man ihnen das Gitter, welches im Zimmer Ladislaus Zathmar’s gefunden worden war.

Graf Sandorf und seine Freunde konnten nicht leugnen, daß dieses Gitter zu ihrem Besitze gehört hatte. Sie versuchten es auch nicht zu thun. Diesem handgreiflichen Beweise gegenüber konnte nichts gesagt werden. Da die Anwendung dieses Gitters ein Lesen der Geheimschrift des Billets gestattete, so war auch das letztere unbestreitbar von den Angeklagten in Empfang genommen worden.

Diese begriffen nun, wie das Geheimniß entdeckt werden konnte und auf welcher Grundlage die Anklage beruhte.

Von diesem Augenblicke an folgten Fragen und Antworten kurz und bündig auf einander.

Graf Sandorf konnte nicht mehr leugnen. Er sprach also im Namen seiner Freunde. Eine Bewegung war von ihnen vorbereitet worden, welche die Trennung Ungarns und Oesterreichs, ferner die Wiederaufrichtung des selbstständigen Königreiches der alten Magyaren herbeiführen sollte. Wenn ihre Verhaftung nicht erfolgt wäre, so würde der Ausbruch derselben unmittelbar erfolgt sein und Ungarn hätte seine Unabhängigkeit wieder gewonnen. Mathias Sandorf stellte sich als das Oberhaupt der Verschwörung hin und wollte seinen Mitangeklagten nur eine zweite Rolle in derselben zugewiesen wissen. Aber diese widersprachen den Worten des Grafen und wollten mit der Ehre, seine Mitschuldigen gewesen zu sein, auch die Ehre eines gemeinsamen Schicksals verbunden sehen.

Die Debatte konnte sich nicht mehr sehr in die Länge ziehen. Als der Vorsitzende die Angeklagten um ihre auswärtigen Verbindungen befragte, verweigerten sie jede Auskunft. Nicht ein Name wurde genannt, nicht ein einziger sollte genannt werden.

»Unsere drei Köpfe gehören Ihnen und diese mögen Ihnen genügen,« antwortete Graf Sandorf gelassen.