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Sergej Snegow

MENSCHEN WIE GÖTTER

Phantastischer Roman in drei Büchern

Übersetzung aus dem Russischen von Heinz Kübart

Der Autor

Snegows Vater war Alexander Isidorovitsch Koserjuk, ein Mitglied der Bolschewiki, der die Familie früh verließ und nach der Revolution, in den 1920er Jahren, stellvertretender Chef des Geheimdienstes in Rostow war. In zweiter Ehe war Snegows Mutter mit dem Odessaer Journalisten Joseph Stein verheiratet (daher der zweite Vatersname: Stein). Sergei Snegow studierte in Odessa und arbeitete als Ingenieur in Leningrad. Wegen angeblicher Abweichungen vom Marxismus wurde er 1936 verhaftet und in Moskau zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Er war als Wissenschaftler und politischer Gefangener in einem geschlossenen, militärischen Forschungsinstitut an der Entwicklung von sowjetischen Kernwaffen beteiligt. Nach seiner Entlassung arbeitete er in Norilsk in einem Bergbaukombinat, ehe er 1955 rehabilitiert wurde. Seit 1958 lebte er mit seiner Familie in Kaliningrad.

Ende der 1950er Jahre begann er zu schreiben und veröffentlichte 1964 seinen ersten Science-Fiction-Roman »Тридцать два обличья профессора Крена«. Als Autor von SF-Literatur gehörte er zwar nur zur zweiten Garde in seiner Heimat, doch erreichte er im deutschsprachigen Raum, insbesondere in der DDR, mit seiner Romantrilogie »Люди как Боги« (1966-1977, dt. Menschen wie Götter) einen gewissen Kultstatus. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Space Opera, ein Genre, das in Ostdeutschland ansonsten nicht verlegt wurde. Erst in den 80er Jahren trat eine neue Generation von SF-Autoren in der DDR in die Fußstapfen Snegows und verfassten ebenfalls in erster Linie actionbetonte SF-Geschichten.

Ganz anders wurden die Bände in der Sowjetunion aufgenommen. Aufgrund seines unsicheren politischen Status’ – er hatte sich in der Affäre Sinjawski entgegen der offiziellen Politik geäußert – wurde Snegow eher beiläufig zur Kenntnis genommen. Neben »Menschen wie Götter« verfasste er weitere SF-Romane, aber auch Krimis, Sachbücher über sowjetische Atomphysiker, autobiographische Erzählungen und Erinnerungen an das Leben in Norilsk und im Arbeitslager.

1984 wurde er für die Trilogie mit dem Aelita-Preis ausgezeichnet.

Im Jahr 2010 erschien im Wilhelm Heyne Verlag eine neue Ausgabe des Romans (ISBN 978-3-453-52519-1).

Erstes Buch

Die Fahrt des Sternenpflugs

Erster Teil

- Die Konferenz auf der Ora -

1

Für mich begann diese Geschichte am zweiten Tag nach meiner Rückkehr zur Erde. Als ich über den Kratern des Kilimandscharo spazierenflog, traf ich Lussin, der auf einem feuerspeienden Drachen ritt.

Ich fliege ungern auf Drachen. Und die schwerfälligen Pegasusse kann ich schon gar nicht leiden.

Für Flüge auf der Erde benutze ich am liebsten die Aviettes die sind zuverlässiger und bequemer.

Lussin kann sich eine Fortbewegung ohne Drachen nicht vorstellen. In der Schule, als diese stinkenden Scheusale gerade in Mode kamen, bezwang er auf einem Übungsdrachen Sechstausender. Der Drachen krepierte bald darauf, obwohl er eine Sauerstoffmaske getragen hatte, und Lussin erhielt einen Monat Stallverbot. Das war dreiundvierzig Jahre her, doch Lussin war nicht vernünftiger geworden. Er behauptet, die Art seiner Vorfahren rege sich in ihm, die diese seltsamen Wesen vergötterten. Meiner Meinung nach versucht er um jeden Preis originell zu sein. André Scherstjuk und er wären bereit, ihre Haut umzustülpen, um aufzufallen, solche Burschen sind das.

Als vom Indischen Ozean ein rauch- und flammenumhüllter Drachen heranbrauste, war mir sofort klar, daß Lussin darauf saß. Er schrie mir einen Gruß zu und landete am Krater Kibo. Zwei Jahre lang hatten wir uns nicht gesehen. Lussin weidete sich an meiner Überraschung.

Der Drachen war etwa zehn Meter lang. Schlapp hatte er sich auf den Steinen ausgestreckt, müde schloß er die vorgewölbten grünen Augen, seine mageren Flanken, sie waren mit orangefarbenen Schuppen gepanzert, dehnten sich und fielen zusammen, die schweißnassen Flügel zitterten. Über dem Kopf des Tieres wölkte Rauch, beim Ausatmen schoß eine Flamme aus dem Rachen.

»Das letzte Modell«, sagte Lussin. »Zwei Jahre hat die Züchtung gedauert.«

Lussin arbeitet im Institut für Neue Formen, dem INF. Unentwegt brüstet er sich, daß bei ihnen lebendige Neubildungen geschaffen würden, zu denen es die Natur noch in einer Milliarde Jahren nicht gebracht hätte. Einiges, die sprechenden Delphine zum Beispiel, ist ihnen tatsächlich recht gut gelungen. Der Drachen, der wie ein Vulkan rauchte, war meiner Ansicht nach nicht schön.

»Dieser ganze Kulissenzauber ist doch überflüssig, sofern er natürlich nicht als Kinderschreck gedacht ist.«

Lussin klopfte dem Drachen liebevoll eins der zwölf Froschbeine. »Eindrucksvoll. Muß auf die Ora. Die werden Augen machen.«

Es wurmt mich, wenn über die Ora gesprochen wird. Die Hälfte meiner Freunde fliegt hin, ich bin nicht dabei. Selbstverständlich wurmt mich nicht ihr Glück, sondern die Tatsache, daß sie die hochinteressante Begegnung mit den Bewohnern anderer Welten in eine primitive Spielzeugausstellung verwandeln wollen. Was soll nicht alles mitgeschleppt werden!

»Unsinn! Keiner wird dein Fossil eines Blickes würdigen. Jeder Sternenbewohner ist wunderbarer als alle eure Raritäten. Die Maschinen werden dort bestimmt weit mehr Interesse finden.«

Lussin schüttelte lächelnd den Kopf. »Du bist neidisch, Eli. Ein vorsintflutliches Gefühl. Zeit vor den Drachen. Ich verstehe. Ich an deiner Stelle auch.«

Lussin spricht gleichsam in Hieroglyphen. Wir haben uns an seine Ausdrucksweise gewöhnt, Fremde verstehen ihn nicht immer. Aber mit denen unterhält er sich ohnehin nicht gern.

Sein Vorwurf verstimmte mich.

»Willst du Einzelheiten«, fragte er. »Wirst staunen.«

Ich nickte, damit ihn meine Gleichgültigkeit nicht bedrückte. Seinen Worten entnahm ich, daß im Magen des Drachens Brennstoffe zur Synthese gebracht wurden und dem Drachen selbst davon nicht kalt, nicht heiß war. Lussin arbeitete an dem Thema »Die Materialisierung von Ungeheuern der antiken Folklore«. Der feuerspeiende Drachen war sein viertes Modell, assyrische Löwen und ägyptische Sphinxe sollten folgen.

»Gott Horus mit dem Falkenkopf möcht‘ ich«, sagte Lussin. »Ist noch nicht bestätigt. Hoffentlich.«

Mir fiel ein, daß André eine von ihm verfaßte Symphonie mit dem Titel »Die Harmonie der Sternensphären« zur Ora mitnehmen wollte und daß die Uraufführung am Abend in Kairo stattfand.

Ich stehe Andrés musikalischer Begabung skeptisch gegenüber, aber lieber Musik als qualmende Lindwürmer.

Lussin fuhr auf. »Wußte ich nicht. Los, nach Kairo!«

2

Der erste, den wir in Kairo trafen, war Allan Krus.

Er war zwei Stunden vor uns eingetroffen und kam mit einem Köfferchen aus der Sternenroutenkammer. Im Koffer trug er wie immer Bücher.

Allan schwärmt für solchen Plunder. In dieser Hinsicht gleicht er Pawel Romer oder hat ebenfalls eine Schwäche für Bücher. Pawel benötigt sie zu Studienzwecken, Allan dagegen stöbert zum Spaß darin. »Du schärfst dein Gefühl für die Gegenwart, wenn du in den bröckligen Zeitschriften des zwanzigsten Jahrhunderts blätterst«, sagte er und lachte.

Als er erfuhr, wohin wir wollten, blieb er stehen.

»Und deshalb seid ihr nach Kairo gekommen?

Ihr hättet doch den Konzertsaal einschalten und euch die Musik von fern anhören können!«

»Andrés Symphonie muß in Spezialräumen gehört werden. Seine Musik ist kein Vergnügen, sondern schwere körperliche Arbeit.«