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»Guck mal«, schrie er jubelnd, »heute Mittag gibt’s Blutklöße!« Sein Papa nahm den Strohhut vom Gesicht und sah mit düsterem Blick zu Michel hoch.

Noch hatte er die Mausefalle nicht vergessen, das merkte man. Um alles wieder gutzumachen, strengte Michel sich noch mehr an.

»Guck mal, Papa, so viel Teig!«, jauchzte er und hielt die Schüssel noch weiter hinaus. Aber - kann man sich so was Schreckliches vorstellen? - er konnte sie nicht mehr halten und die Steingutschüssel mit ihrem blutigen Inhalt fiel genau auf Michels Papa hinunter, wie er da lag, die Nase in der Luft.

»Blupp«, sagte Michels Papa, denn mehr kann man nicht sagen, wenn man in Blutklößeteig eingemauert ist.

Aber er erhob sich mühsam aus dem Gras und schließlich brachte er ein Gebrüll hervor, zuerst gedämpft vom Blutklößeteig, aber dann so, dass es über ganz Lönneberga zu hören war. Die Steingutschüssel saß wie ein Wikingerhelm auf seinem Kopf und der Teig rann an ihm herunter.

Gerade da kam Krösa-Maja aus dem Waschhaus, wo sie Schweinedärme gespült hatte, und als sie Michels Papa erblickte, der aussah wie in Blut gebadet, quiekte sie schlimmer als die Sau und rannte mit der furchtbaren Neuigkeit davon.

»Jetzt ist es aus mit dem Katthult-Vater«, schrie sie. »Michel, dieses Unglück, hat ihn geschlagen, dass das Blut strömt. Ach-ach-ach - wie fürchterlich!«

Als Michels Mama sah, was geschehen war, nahm sie Michel wieder bei der Hand und rannte im Eiltempo zum Tischlerschuppen mit ihm. Und während Michel, immer noch im Hemd, dort saß und sein neunundneunzigstes Holzmännchen schnitzte, hatte seine Mama alle Hände voll zu tun, seinen Papa wieder sauber zu machen.

»Du könntest es wohl so abkratzen, dass es wenigstens noch drei oder vier Klöße werden«, sagte Michels Papa. Aber Michels Mama schüttelte den Kopf.

»Was vergeudet ist, das ist vergeudet. Jetzt gibt es eben Kartoffelpuffer.«

»Hihi, heute kriegen wir vor dem Abendbrot kein Mittagessen«, sagte Klein-Ida. Aber dann schwieg sie, denn sie sah die Augen von ihrem Papa in dem Blutklößeteig, und die blickten finster.

Michels Mama ließ Lina Kartoffeln für die Puffer reiben. Du weißt vielleicht nicht, was Kartoffelpuffer sind? Das ist eine Art Pfannkuchen aus geriebenen Kartoffeln und sie schmecken viel besser, als es klingt, das kann ich dir versichern.

Lina hatte bald einen dicken, prächtigen, braungelben Teig in der Steingutschüssel, die sich Michels Papa vom Kopf genommen hatte. Er wollte ja nicht den ganzen Tag wie ein Wikinger herumlaufen. Sobald er einigermaßen gesäubert worden war, ging er hinaus aufs Feld, um mit der Roggenernte zu beginnen, während er darauf wartete, dass die Kartoffelpuffer fertig wurden. Und da ließ Michels Mama Michel aus dem Tischlerschuppen.

Michel hatte lange still gesessen. Nun spürte er, dass er sich bewegen musste.

»Wir spielen Kickse-kickse-hu«, sagte er zur kleinen Ida und Ida lief sofort los. Kickse-kickse-hu war nämlich ein Laufspiel, das Michel sich ausgedacht hatte. So spielte man es: Man lief, als ginge es ums nackte Leben, aus der Küche in den Flur und vom Flur in die Kammer, von der Kammer in die Küche und wieder von der Küche in den Flur, rundherum, rundherum, dass es nur so pfiff. Aber Michel und Ida liefen jeder in eine andere Richtung und immer, wenn sie sich begeg-neten, stachen sie einander den Zeigefinger in den Bauch und schrien: »Kickse-kickse-hu!« Daher hatte das Spiel seinen Namen. Es war ein durch und durch lustiges Spiel, fanden beide, Michel und Ida.

Aber als Michel auf seiner achtundachtzigsten Runde in die Küche gerannt kam, traf er Lina. Sie hatte die Steingutschüssel in den Händen und war auf dem Weg zum Herd, um endlich die Kartoffelpuffer zu backen.

Weil Michel ihr auch etwas Spaß gönnte, bohrte er ihr den Zeigefinger in den Bauch und rief: »Kickse-kick se-hu!« Das hätte er nicht tun sollen. Er wusste doch, wie kitzlig Lina war.

»Jiiiih!«, machte Lina und krümmte sich wie ein Wurm. Und - kann man sich so etwas Schreckliches vorstellen? - die Schüssel flog ihr aus den Händen.

Niemand weiß richtig, wie es geschah. Aber so viel steht jedenfalls fest, dass Michels Papa, der gerade, wild vor Hunger, zur Tür hereinkam, den ganzen Kartoffelpufferteig mitten ins Gesicht kriegte.

»Blupp«, sagte Michels Papa wieder, denn mehr kann man nicht sagen, wenn man das Gesicht voll Kartoffelpufferteig hat. Michel und Ida machten später daraus so etwas wie eine Redensart.

»Blupp, sagte Papa im Kartoffelpufferteig«, pflegten sie mit einem Kichern zu sagen - oder auch: »Blupp, sagte Vater im Blutklößeteig« - eins von beiden passte immer.

Jetzt aber hatte Michel keine Zeit zum Kichern, denn seine Mama nahm ihn wieder bei der Hand und rannte im Eiltempo zum Tischlerschuppen mit ihm. Hinter sich hörte Michel das Gebrüll von seinem Papa, zuerst noch vom Kartoffelpufferteig gedämpft, aber dann so, dass es über ganz Lönneberga zu hören war.

Als Michel auf dem Hauklotz saß und an seinem hundertsten Holzmännchen schnitzte, war er überhaupt nicht in Jubiläumsstimmung. Im Gegenteil, er war so wütend wie eine wild gewordene Ameise. Es war zu viel, dreimal am selben Tag im Tischlerschuppen sitzen zu müssen, fand er - und ungerecht war es außerdem.

»Kann ich was dafür, dass Vater überall im Weg ist«, fauchte er. »Man kann auf diesem Hof ja nicht mal so viel wie eine Mausefalle aufstellen - schon kommt er und steckt seinen Zeh hinein. Und warum muss er seinen Kopf immer da haben, wo der Teig für Blutklöße und für Kartoffelpuffer am schlimmsten herumwirbelt!«

Nun möchte ich aber auf keinen Fall, dass du denkst, dass Michel seinen Papa nicht mochte und dass Michels Papa Michel nicht mochte. Normalerweise mochten sie sich, aber auch Leute, die das tun, können schon manchmal in Streit geraten, wenn es mit Mausefallen oder Blutklößeteig und Kartoffelpufferteig schief geht.

Dieser Samstag, der 28. Juli, ging seinem Ende zu.

Michel saß im Tischlerschuppen und wurde immer wütender. So hatte er sich sein Hundert-Männer-Jubiläum nicht vorgestellt. Erstens war es ein Samstagabend und wie sollte er da Alfred zu seinem Fest im Tischlerschuppen einladen? Samstagabends hatte Alfred was anderes zu tun. Da saß er auf der Treppe der Knechtshütte und tat schön mit Lina und spielte ihr was auf seiner Ziehharmonika vor. Nein, Alfred hatte wahrhaftig keine Zeit für Festlichkeiten.

Michel schleuderte das Schnitzmesser weg. Nicht einmal Alfred hatte er, ganz allein war er und er wurde immer wütender, als er daran dachte, wie sich die Leute ihm gegenüber benahmen. War das etwa eine Art, ihn hier den ganzen langen Samstag im Hemd herumsitzen zu lassen - nicht einmal Zeit Kleider anzuziehen hatte man bei diesem ewigen Gerenne zum Tischlerschuppen. Aber im Tischlerschuppen wollten sie ihn ja wohl haben, diese Menschen von Katthult, und dann sollten sie es auch so haben!

Michel schlug mit der Faust auf die Hobelbank, dass es krachte. Gut, dann sollten sie es auch so haben! Und in diesem Augenblick fasste Michel einen schrecklichen Entschluss: Den Rest seines Lebens würde er in diesem Tischlerschuppen zubringen. Nur im dünnen Hemd, mit der Müsse auf dem Kopf, einsam, verlassen von allen, würde er, solange er auf dieser Erde lebte, hier bleiben.

Dann werden sie wohl endlich zufrieden sein und dieses überflüssige Getrabe hin und her ist dann auch nicht mehr nötig, dachte er. Aber versucht nicht in meinen Tischlerschuppen hineinzukommen - daraus wird nichts! Wenn Papa Bretter hobeln will, soll er das lieber bleiben lassen, und das ist übrigens auch besser, denn sonst hobelt er sich ja doch nur die Daumen ab.

Ich kenne keinen Menschen, dem so viel passiert wie ihm.

Aber als der Juliabend dämmerte, kam Michels Mama zum Tischlerschuppen und schob den Riegel zurück - den auf der Außenseite natürlich. Sie zog an der Tür und merkte, dass sie auch von innen verriegelt war. Da lächelte sie milde und sagte: