»Ach, du jemine!« Bonnie klingt schockiert. »Wie bedauerlich.«
»Ich habe auf die Einladung geschrieben: »Nicht anrufen!«, hasple ich hysterisch. »Wie viel klarer kann man sich denn ausdrücken? Was ist, wenn noch andere Leute anrufen? Was soll ich tun?«
»Keine Panik, Becky«, sagt Bonnie. »Ich muss mal überlegen. Wie wäre es, wenn wir morgen zusammen frühstücken und uns was ausdenken? Ich sage Luke, dass ich später komme.«
»Okay. Ich danke Ihnen, Bonnie. Bis morgen.«
Langsam beruhigt sich mein Puls. Ehrlich, eine Überraschungsparty zu planen ist, als würde man einen Hundert-Meter-Sprint nach dem anderen hinlegen. Man sollte es an Stelle von Fitnessprogrammen anbieten.
Hm. Vielleicht bin ich am Ende superfit, ohne mich anzustrengen. Das wäre cool.
Ich stecke mein Handy weg und will gerade ins Haus zurück, als ich einen Motor rasseln höre. Ein großer, weißer Lieferwagen biegt in unsere Auffahrt ein, was etwas befremdlich ist.
»Hi.« Zögernd trete ich nach draußen. »Kann ich Ihnen helfen?«
Ein Kerl im T-Shirt lehnt sich aus dem Fenster. Er ist Ende vierzig, mit dunklem Stoppelbart und mächtigem, tätowiertem Unterarm.
»Sind Sie die Frau mit der Tauschanzeige? Becky?«
»Was?« Ich glotze ihn an. Was ist hier los? In letzter Zeit habe ich überhaupt keine Anzeigen mehr aufgegeben. Es sei denn, er hat diese nagelneue Prada-Sonnenbrille und will sie gegen einen blauen Missoni-Schal eintauschen.
Was ich irgendwie bezweifle. »Meine Tochter hat Ihnen ein Festzelt versprochen? Nicole? Sechzehn Jahre alt?«
Das ist Nicoles Dad? Plötzlich fällt mir auf, wie böse er die Stirn runzelt. Scheiße. Er sieht echt unheimlich aus. Will er mir eine Lektion erteilen, weil ich mit einer Minderjährigen Tauschhandel betrieben habe?
»Also, ja, aber ... «
»Gestern Abend ist die ganze Sache raus gekommen. Meine Frau wollte wissen, woher sie die Taschen hatte, die Sie ihr gegeben haben. Das hätte Nicole nicht tun dürfen.« »Ich wusste nicht, dass sie so jung ist«, sage ich eilig. »Es tut mir leid ... « »Meinen Sie, eine Markise kostet dasselbe wie ein paar Handtaschen?«, sagt er drohend.
Oh, Gott. Denkt er, ich wollte ihn linken?
»Nein! Ich meine ... ich weiß nicht!« Meine Stimme überschlägt sich. »Ich hatte nur gehofft, jemand hätte vielleicht ein großes Zelt, das er nicht mehr braucht, wissen Sie, das irgendwo nur rumliegt ... «
Ich stocke, als mir plötzlich bewusst wird, dass meine Stimme vielleicht oben im Badezimmer zu hören ist. Verdammt.
»Könnten wir bitte flüstern?« Ich trete näher an den Wagen. »Das Ganze soll geheim bleiben. Und wenn mein Mann rauskommt ... Ich kaufe auch Obst bei Ihnen, okay?«
Nicoles Dad wirft mir einen ungläubigen Blick zu, dann sagt er. »Wie viel sind diese Taschen denn eigentlich wert?«
»Neu kosten die etwa tausend Pfund. Ich meine, wahrscheinlich hängt es wohl davon ab, wie gern Sie Marc Jacobs mögen ... « »Tausend?« Fassungslos schüttelt er den Kopf. »Die Kleine ist doch verrückt geworden!«
Ich wage nicht, etwas zu sagen, weder ihm zuzustimmen, noch ihm zu widersprechen. Wenn ich es recht bedenke, wäre es sogar möglich, dass er mich meint.
Abrupt sieht Nicoles Dad mich wieder an. »Na, gut«, sagt er gewichtig. » Wenn meine Tochter Ihnen ein FestzeIt versprochen hat, liefere ich ein FestzeIt. Nur aufbauen müssen Sie es selbst. Ich kann nicht das volle Programm durchziehen. Aber momentan ist nicht viel los. Ich besorg Ihnen was.«
Einen Augenblick lang kann ich gar nicht glauben, was ich da eben gehört habe.
»Sie besorgen mir ein ZeIt?« Ich schlage die Hand vor den Mund. »Oh, mein Gott! Wissen Sie, dass Sie mir eben das Leben gerettet haben?«
Nicoles Dad lacht kurz auf und gibt mir seine Karte. »Einer von meinen Jungs wird sich bei Ihnen melden. Geben Sie ihm den Termin durch, und sagen Sie, Cliff weiß Bescheid, dann kriegen wir das schon geregelt.« Er legt den Rückwärtsgang ein und setzt aus der Auffahrt zurück.
»Danke, Cliff!«, rufe ich ihm hinterher. »Sagen Sie Nicole, ich hoffe, sie hat Freude an den Taschen!«
Ich möchte tanzen! Ich möchte quieken! Ich habe ein Festzelt! Und es hat keine Unsummen gekostet, und alles ist geregelt. Ich wusste, dass ich es schaffen kann!
ZENTRALBEHÖRDE FÜR FINANZ UND WIRTSCHAFTSPOLITIK
5. Stock
180 Whitehall
Place London
SWI
Mrs. Rebecca Brandon
The Pines
43 Elton Road
Oxshott
Surrey
28. Februar 2006
Liebe Rebecca,
vielen Dank für Ihre prompte Antwort. Es ist sehr entgegenkommend von Ihnen, so bereitwillig Ihre Zustimmung zu geben.
Leider enthält die Britische Zeitschrift für Geldwirtschaft keine Illustrationen und hat daher weder einen »Fotoredakteur« noch einen »Stylisten«, wie Sie vermuten. Daher sehe ich mich außerstande, die Bilder mit dem Missoni-Mantel, dem Gürtel und den Stiefeln zu verwenden, die Sie freundlicherweise beigefügt haben, und sende diese anbei dankend zurück.
Mit freundlichen Grüßen
Edwin Tredwell
Abteilungsleiter
Strategierecherche
12
Diesmal haben wir uns ein Restaurant im Zentrum von London gesucht, weit weg von Lukes Büro. Als ich ankomme, sehe ich Bonnie schon an einem Ecktisch sitzen, perfekt gekleidet im korallenfarbenen Kostüm mit den Perlenohrringen, die sie auf mein Betreiben hin zum Geburtstag von Luke bekommen hat. Es sieht aus, als säße sie dort ganz gern allein, erhobenen Hauptes, vor einer Tasse Tee. Als hätte sie schon Millionen Mal allein in Restaurants gesessen.
»Die Ohrringe sehen toll aus!«, sage ich, als ich mich auf die Bank ihr gegenüber setze.
»Die sind bezaubernd!«, sagt Bonnie und berührt einen davon. »Ich hoffe doch, mein Dank hat Sie erreicht. Wie um alles in der Welt haben Sie das geschafft?«
»Ich war ganz vorsichtig«, sage ich stolz. »Ich habe sie im Internet gefunden und Luke gesagt, ich wollte sie für mich. Dann habe ich gesagt: Oder lieber doch nicht! Sie würden besser zu jemandem mit anderem Teint passen. Vielleicht zu jemandem wie deiner Assistentin Bonnie!«
Ich werde nicht erwähnen, dass ich es etwa fünf Mal sagen musste, bis Luke endlich von seinem Notebook aufgeblickt hat.
»Sie sind sehr geschickt.« Bonnie seufzt. »Leider habe ich mit Ihrem Fitnessraum im Keller noch kein Glück gehabt. Ich habe versucht, das Gespräch darauf zu lenken ... «
»Ach, darum brauchen Sie sich keine Gedanken mehr zu machen. Das Haus ist momentan sowieso kein Thema mehr.« Ich nehme die Speisekarte in die Hand, dann lege ich sie fahrig wieder weg. »Ich mache mir mehr Sorgen um die Party. Können Sie glauben, was da gestern Abend passiert ist?«
»Die Menschen nehmen es nicht so genau, wenn es um Einladungen geht.« Missbilligend schnalzt Bonnie mit der Zunge. »Sie überfliegen die Anweisungen nur.«
»Was soll ich machen?« Ich hoffe, Bonnie hat sich schon etwas Cleveres einfallen lassen, und tatsächlich nickt sie langsam.
»Ich habe einen Vorschlag. Wir kontaktieren jeden Gast persönlich, weisen noch einmal darauf hin, dass die Party eine Überraschung sein soll, und verhindern so weitere Missgeschicke.«