»Keine Ursache.« Sie sieht nach wie vor ein wenig verstört aus, aber sie lächelt mich an. »Und machen Sie sich bitte keine Gedanken um die Party. Ich bin mir sicher, dass Luke nichts ahnt.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.« Leicht paranoid suche ich die Straße ab. »Hatte ich Ihnen erzählt, dass ich ihn neulich nach unserem Lunch zufällig getroffen habe? Ich habe ihm gesagt, ich wollte mir Botox spritzen lassen, aber er hat mir nicht geglaubt, und jetzt guckt er mich dauernd so komisch an, als wüsste er, dass ich etwas im Schilde führe ... »Ich stutze, als ich Bonnies Miene sehe. »Was?«
»Jetzt verstehe ich!«, ruft sie. Sie zieht mich beiseite, aus dem Strom der Menschen auf dem Bürgersteig. »Becky, an dem Tag kam Luke ins Büro zurück und fragte mich, ob in der Gegend irgendwelche Designerläden aufgemacht hätten. Ich nahm an, es handelte sich um eine Art Recherche. Aber jetzt frage ich mich, ob er dachte, Sie wären heimlich ... « Taktvoll lässt Bonnie den Satz verklingen.
»Shoppen?«, sage ich ungläubig. »Er dachte, ich war shoppen?« »Es wäre möglich, meinen Sie nicht?« Sie zwinkert mir zu. »Das wäre doch eine gute Tarnung.«
»Aber ... aber Sie verstehen nicht! Ich habe versprochen, nicht mehr shoppen zu gehen! Wir haben eine Vereinbarung, seit diese Bank pleitegegangen ist! Und ich halte mich total daran!«
Meine Gedanken rasen vor Entrüstung. Dachte Luke, ich würde mein Versprechen brechen und mich hinter einem Botox-Märchen verstecken? Hat er deshalb meine Tasche so misstrauisch beäugt?
Am liebsten würde ich in sein Büro marschieren, ihm meine Tasche wie einen Fehdehandschuh hinwerfen und rufen: »Rebecca Brandon, geborene Bloomwood, hält ihr Wort, Sir!« Und ihn zum Duell herausfordern, zum Beispiel.
»Ach, du je.« Bonnie sieht besorgt aus. »Becky, es ist nur eine Mutmaßung ...«
»Nein, Sie haben sicher recht. Er denkt, ich war shoppen. Na, gut. Soll er doch.« Entschlossen hebe ich mein Kinn. »Ich nutze es als Tarnung.« Denn wenn Luke den Verdacht hegt, dass ich heimlich shoppen gehe, wird er kaum darauf kommen, dass ich heimlich eine Party plane. Als ich mich auf den Weg mache, bin ich wild entschlossen. Wenn Luke meint, dass ich »shoppen« war ... dann soll er sein »Shopping« auch kriegen. An mir soll's nicht liegen.
Als ich an diesem Abend Lukes Schlüssel im Schloss höre, bin ich bereit. Ich trage einen knallgrünen Pulli, den ich noch nie anhatte (totaler Fehlkauf, was habe ich mir nur dabei gedacht?) und an dem noch das Preisschild hängt. Dazu trage ich die Lederjacke, die ich im Schlussverkauf erstanden habe, das Whistles-Label sorgsam wieder befestigt, sodass es herausragt, dazu ein Tuch, eine Kette und einen orangefarbenen Gürtel, alles bisher ungetragen.
Ich meine, ich hatte vor, die Sachen zu tragen. Bestimmt. Wenn der richtige Moment gekommen wäre.
Ich habe ein paar coole Einkaufstüten vom Schrank geholt und unter dem Küchentisch verstaut, sodass sie ein wenig herausragen. Ich habe etwas Seidenpapier mit Prada-Logo in den Mülleimer gestopft und hinter der Mikrowelle ein paar alte Quittungen versteckt. Minnie läuft mir in Pyjama und Morgenmantel hinterher, isst ein Honigbrot und beobachtet mich staunend. Als ich höre, dass Luke sich der Küche nähert, mache ich: »Schscht!«, für alle Fälle.
»Schscht!«, antwortet sie sofort und legt den Finger an die Lippen. »Schscht, Mami!« Sie macht ein so ernstes Gesicht, dass ich lachen muss. Dann gehe ich in der Küche in Stellung, prüfe mein Spiegelbild wie eine echte fashionista im Edelstahlkühlschrank. Als Luke hereinkommt, zucke ich glaubwürdig zusammen.
»Du hast mich erschreckt, Luke!«, sage ich und reiße mir eilig die Jacke vom Leib, wobei ich darauf achte, dass der Whistles-Anhänger zu sehen ist. »Ich hab nur gerade ... äh ... Das hat nichts zu bedeuten. Rein gar nichts!« Ich knülle die Jacke zu einer Kugel zusammen und werfe sie hinter mich, während Luke mir einen verwunderten Blick zuwirft. Er geht zum Kühlschrank und holt sich ein Bier.
Oh. Vielleicht hätte ich die Quittungen in den Kühlschrank legen sollen.
Nein. Zu offensichtlich.
»Schscht, Daddy!«, sagt Minnie bedeutungsvoll, mit ihrem Finger an den Lippen. »Steckspiel.«
Das -meint sie -habe ich gerade gemacht. (Steckspiel ist Minnies Liebstes. Allerdings nicht das normale »Verstecken«. Man zählt nur bis drei, und man muss ihr vorher sagen, wo man sich verstecken will. Und wenn sie dran ist, versteckt sie sich immer an derselben Stelle -mitten im Zimmer.)
»Ich spiel gleich mit dir, Schätzchen.« Luke nimmt einen Schluck Bier. »Interessanter Pulli«, sagt er mit hochgezogenen Augenbrauen. Was man ihm nicht verdenken kann, denn ich sehe aus wie ein knallgrüner Lutschbonbon.
»Der ist uralt!«, sage ich sofort. »Ich habe ihn schon vor Ewigkeiten gekauft. Du kannst Suze fragen. Ruf sie an, wenn du mir nicht glaubst! Mach ruhig!«
»Becky ... « Luke lacht auf. »Ich habe nie gesagt, dass ich dir nicht glaube. Wieso regst du dich gleich so auf?« »Weil ... nur so!« Ich schiebe mich zum Tisch hinüber und trete auffällig unauffällig die Einkaufstüten darunter. Ich sehe Luke an, dass er sie entdeckt hat.
Ha! Volltreffer!
»Und was hast du heute so getrieben?«, sagt er ganz locker.
»Nichts! Ich war nirgendwo! Mein Gott, du fragst mich aber auch immer aus, Luke!« Ich stopfe die Halskette in meinen Pulli, als wollte ich sie verbergen.
Luke klappt den Mund auf, als wollte er was sagen, dann scheint er sich dagegen zu entscheiden und nimmt die Flasche Bier aus ihrer Plastikhülle.
Wirf sie in den Mülleimer ... sage ich ihm telepathisch. Mach schon, wirf sie in den Müll ...
Ja!
Ich sollte Choreografin werden. In dem Moment, als Luke den Mülleimer herausziehen will, hechte ich mit grandiosem Timing durch die Küche und lege meine Hand auf den Griff, um ihn aufzuhalten.
»Ich mach das schon, sage ich superbeiläufig. »Keine Sorge.«
»Ich werfe sie nur in den Plastikmüll.« Luke wirkt verwundert. »Ich mach es trotzdem!«, stoße ich fieberhaft hervor. »Becky, nun lass mal.« Er zieht den Mülleimer hervor, und das Seidenpapier mit dem Prada-Logo weht hervor, als wollte es rufen: »Hier bin ich! Sieh mich an! Prada!«
Einen Moment lang sagt keiner von uns ein Wort.
»Huch, wie kommt das denn dahin?«, sage ich mit hoher, unnatürlicher Stimme und stopfe es wieder hinein.« Das ist alt. Echt total alt. Ich meine, ich kann mich nicht mal mehr erinnern, wann ich zuletzt bei Prada war. Oder was ich bei Prada gekauft habe. Oder irgendwas!«
Ich stolpere über meine Worte und habe noch nie im Leben schuldiger geklungen.
Tatsächlich fühle ich mich langsam schuldig. Ich fühle mich, als hätte ich eben meine Kreditkarte überzogen und das ganze Zeug unter dem Bett versteckt.
»Becky ... «, Luke streicht mit der Hand über seine Stirn. »Was ist hier eigentlich los?«
»Nichts!«
»Nichts.« Skeptisch sieht er mich an.
»Überhaupt nichts.« Ich versuche glaubwürdig und entschlossen zu klingen. Obwohl ich mich langsam frage, ob ich es vielleicht übertreibe.
Vielleicht kann ich ihm nichts vormachen. Vielleicht denkt er: »Na, einkaufen war sie offensichtlich nicht, was könnte sie also zu verbergen haben, aha, ich weiß: eine Party«