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Fenius Rufus, der neben seinem Präfektenamt noch immer die Getreidevorräte verwaltete, weil man bis dahin keinen ehrlichen Mann gefunden hatte, schloß sich ohne Zögern der Verschwörung an. Er erlitt aufgrund der gewaltsam niedergehaltenen Getreidepreise ungeheure Verluste und war binnen kurzer Zeit verschuldet. Nero wollte nicht begreifen, daß die Staatskasse den Unterschied zwischen dem wirklichen Preis und dem Zwangspreis hätte ausgleichen müssen. Die Großgrundbesitzer in Ägypten und Afrika waren jedenfalls nicht bereit, ihr Getreide zum Zwangspreis zu verkaufen, sondern lagerten es lieber und ließen schlimmstenfalls die Felder brachliegen.

Außer Rufus schlossen sich von den Prätorianern sowohl Kriegstribunen als auch Zenturionen ganz offen der Verschwörung an. Die Prätorianer selbst waren verbittert, weil man ihnen ihren Sold mit den neuen Münzen und ohne eine entsprechende Erhöhung auszahlte. Die Verschwörer fühlten sich ihrer Sache so sicher, daß sie ihr Unternehmen, von einigen strategisch wichtigen italischen Städten abgesehen, ganz auf Rom beschränken wollten und jede Hilfe aus den Provinzen zurückwiesen, wodurch sie mächtige und einflußreiche Persönlichkeiten vor den Kopf stießen.

Meiner Ansicht nach war ihr größter Fehler der, daß sie glaubten, ohne Hilfe der Legionen auszukommen, obwohl zumindest die am Rhein und in Britannien stehenden ihnen sofort beigesprungen wären. Corbulo im Osten würde sich vermutlich nicht beteiligt haben, denn er war nur Feldherr und wollte dem gesetzlichen Herrscher des Reiches gehorchen. Er hatte nichts als seinen parthischen Krieg im Kopf, und im übrigen mangelte es ihm an politischem Ehrgeiz. Ich glaube, er war einer der wenigen, die nicht einmal gerüchtweise von dem Plan hörten.

Seit ich meine eigenen Angelegenheiten geordnet hatte, dachte ich wohl kaum noch an die Not des Volkes. Ich war nun fünfunddreißig Jahre alt. In diesem Alter ist ein Mann reif für eine wirkliche Leidenschaft und sehnt sich nach einer ebenbürtigen, erfahrenen Frau. Man hat genug mit unreifen Mädchen gespielt und kann in ihnen bestenfalls noch einen gelegentlichen Zeitvertreib sehen.

Es fällt mir noch immer schwer, offen über das zu sprechen. was nun folgte. Ich begann Antonia zu besuchen, in aller Heimlichkeit, wie man sich denken kann, und ging immer öfter zu ihr. Wir hatten einander so erstaunlich viel zu sagen, daß ich bisweilen ihr schönes Lusthaus auf dem Palatin erst in der Morgendämmerung verlassen konnte. Sie war eine Tochter des Claudius und hatte somit ihren Anteil an des Marcus Antonius verderbtem Blut. Zudem war sie mütterlicherseits eine Aelierin. Ihre Mutter war eine Adoptivschwester des Sejanus. Das dürfte dem Wissenden als Erklärung genügen.

Wenn Du, Julius, mich nun daran erinnern willst, daß auch Deine Mutter Claudia eine Tochter des Claudius ist, so muß ich dazu sagen, daß sie sich nach Deiner Geburt und auch schon nach ihrem früheren mühevollen Leben merklich beruhigt hatte und einem Manne keine rechte Gefährtin mehr war. Ich litt in diesen Dingen einen Mangel, der mich krank machte, bis die heiße Freundschaft mit Antonia mich heilte.

An einem Frühlingsmorgen hörte ich aus Antonias Mund zum erstenmal von der Verschwörung des Piso. Es dämmerte, die Vögel hatten eben zu singen begonnen, die Blumen dufteten in Antonias Garten, in dem man neue Büsche und Bäume gepflanzt hatte, um die Spuren des großen Brandes auszutilgen. Müde von all der Freude und Freundschaft stand ich mit Antonia Hand in Hand gegen eine der schlanken korinthischen Säulen ihres Lusthauses gelehnt, ohne mich von ihr trennen zu können, obwohl wir schon vor Stunden begonnen hatten Abschied zu nehmen.

»Minutus, Liebster …«, sagte sie. Ich handle vielleicht nicht recht, indem ich ihr Geständnis wortgetreu wiedergebe, doch ich habe, als ich von Sabina sprach, mit aller Aufrichtigkeit Dinge beschrieben, die einen Unwissenden dazu verleiten könnten, an meiner Mannheit zu zweifeln. »Ach Liebster«, sagte sie also. »Noch kein Mann ist so gut und zärtlich zu mir gewesen und hat mich so liebevoll in seine Arme genommen wie du. Deshalb weiß ich nun, daß ich dich liebe, ewiglich und für alle Zeiten. Ich möchte, daß wir uns noch nach dem Tode als Schatten in den elysischen Gefilden treffen.«

»Warum sprichst du von Elysium?« fragte ich und dehnte die Brust. »Wir sind glücklich, jetzt und hier. Auch ich bin glücklicher als je zuvor. Denken wir nicht an Charon. Wenn ich einmal sterbe, will ich gern ein Goldstück in den Mund nehmen, um ihm ein Fährgeld zu zahlen, das deiner würdig ist.« Sie streichelte mit ihren schmalen Fingern meine Hand und sagte: »Minutus, es gibt etwas, was ich dir nicht mehr verbergen kann und nicht verbergen will. Ich weiß nicht, wer dem Tode nähersteht, du oder ich. Neros Zeit läuft ab. Ich möchte nicht, daß du mit ihm zugrunde gehst.«

Ich blickte sie in stummer Verwunderung an, und sie berichtete mir flüsternd alles, was sie über die Verschwörung und deren Führer wußte. Sie gestand mir, daß sie versprochen hatte, sie werde, wenn die Stunde gekommen und Nero tot sei, dem neuen Herrscher ins Lager der Prätorianer folgen und dort für ihn sprechen, obgleich freilich ein Geldgeschenk besser imstande sei, die Veteranen zu überzeugen.

»Im Grunde fürchte ich nicht für mein Leben, sondern für das deine, mein Geliebter«, versicherte Antonia. »Du bist als Freund Neros bekannt und hast es auch sonst nicht verstanden, dir die richtigen Verbindungen zu schaffen. Das Volk wird Blut fordern, sobald Nero tot ist, und auch die allgemeine Sicherheit verlangt, daß Blut vergossen wird, um Gesetz und Ordnung zu bekräftigen. Ich möchte nicht, daß du den Kopf verlierst oder daß dich, den heimlichen Anweisungen gehorchend, die wir ausgeben müssen, bevor wir uns ins Lager der Prätorianer begeben, ein Volkshaufe auf dem Forum zu Tode trampelt.«

Mir schwindelte, und ich fühlte meine Knie schwach werden. Als ich sie noch immer stumm anstarrte, wurde Antonia ungeduldig, stampfte mit ihrem schönen Fuß auf den Boden und sagte: »Begreifst du denn nicht, wie die Dinge stehen? Die Verschwörung hat so weite Kreise gezogen und die allgemeine Unzufriedenheit ist so groß, daß der Plan nun jeden Tag ins Werk gesetzt werden kann. Wer noch einen Rest Vernunft besitzt, schließt sich uns an, um seine Haut zu retten. Man tut nicht nur so, als überlegte man, wo und wann man Nero am besten ermorden könnte. Es kann nun jeden Tag wirklich geschehen. Einige seiner engsten Freunde haben sich zu uns geschlagen und den Eid geschworen, und von deinen eigenen Freunden will ich nur Senecio, Petronius und Lucanus nennen. Die Flotte in Misenum ist auf unserer Seite. Epicharis, die du zumindest dem Namen nach kennst, hat Volucius Proculus verführt, wie einst Octavia Anicetus zu verführen versuchte.«

»Ich kenne Proculus«, sagte ich kurz.

»Ja, gewiß«, sagte Antonia mit plötzlicher Einsicht. »Er gehörte zu den Mördern meiner Stiefmutter, aber sei ohne Sorge, mein Lieber. Ich habe Agrippina nicht geliebt und nur aus Gründen der Schicklichkeit nicht an den Dankopfern nach ihrem Tode teilgenommen. Denk nicht mehr an diese alte Geschichte. Schließe dich so rasch wie möglich unserer Verschwörung an und rette dein Leben. Wenn du noch lange zauderst, kann dir auch meine Fürsprache nicht mehr helfen.«

Mein erster vernünftiger Gedanke war, offen gestanden, unverzüglich zu Nero zu laufen und ihm alles zu berichten. Ich wäre zeit meines Lebens seiner Gunst sicher gewesen. Antonia war erfahren genug, um mir vom Gesicht abzulesen, was ich dachte. Sie strich mir mit den Fingern über die Lippen, ließ ihr Gewand über ihren schönen Busen niedergleiten und fragte mich mit zur Seite geneigtem Kopf: »Du wirst mich doch nicht enttäuschen, Minutus? Nein, das ist unmöglich. Wir lieben uns und sind füreinander geboren. Du hast es selbst im Rausch des Augenblicks so oft gesagt.«