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Senecas Warnung gab mir einen Stich in die Brust, aber ich war vor Hebe blind und dachte, aus ihm spreche nur der Neid. Ein Staatsmann, der vor der Zeit beiseite geschoben wird, ist bitter gegen alle, und auch als Philosoph war Seneca wohl vom Leben enttäuscht. In seiner Mannesblüte war er keineswegs so sittenstreng gewesen, wie er die Leute nun gern glauben machte, und von Verstellung zu sprechen, stand ihm wohl an, denn diese Kunst beherrschte er selbst am besten.

Als wir uns trennten, gab er aufrichtig zu, daß er für sich selbst im Falle eines Staatsstreichs keine großen Möglichkeiten sehe. Er sei jedoch bereit, sagte er, an einem gewissen Tag nach Rom zu kommen, nur um zugegen zu sein und notfalls auch Piso zu unterstützen, da dieser sich ohnehin durch seine Eitelkeit und Verschwendungssucht über kurz oder lang unmöglich machen werde. Danach könnte der Augenblick vielleicht für ihn, Seneca, günstig sein.

»In Lebensgefahr schwebe ich nun ohnedies«, sagte er mit einem bitteren Lächeln. »Ich begebe mich daher in keine besondere Gefahr, wenn ich mich in Rom zeige. Kommt Piso an die Macht, so habe ich damit bewiesen, daß ich auf seiner Seite stehe. Wird die Verschwörung aufgedeckt, was ich befürchte, da ihr zu lange säumt, bin ich in jedem Fall des Todes. Aber der Weise fürchtet den Tod nicht. Er ist eine Schuld, die der Mensch eines Tages bezahlen muß, und es ist einerlei, ob dies früher oder später geschieht.«

Mir aber war gerade das nicht einerlei. Daher setzte ich mutlos meinen Weg nach Praeneste fort und dachte über seine unheilverkündenden Worte nach. Es schien mir das beste zu sein, Vorkehrungen für den Fall zu treffen, daß die Verschwörung aufgedeckt wurde. Der Weise legt nie alle seine Eier in denselben Korb.

Ich bin nach wie vor der Meinung, der Aufruhr hätte mit Hilfe der Legionen in den Provinzen eingeleitet werden müssen, und nicht in Rom. Das hätte freilich Blut gekostet, doch dafür bekommen die Soldaten schließlich ihren Sold. In Rom hätte sich dafür niemand der Gefahr auszusetzen brauchen. Aber Eitelkeit, Selbstsucht und Ehrgeiz sind allezeit stärker als die gesunde Vernunft.

Das Unheil nahm in Misenum seinen Anfang. Proculus fand, er sei seinerzeit für seine Verdienste um die Ermordung Agrippinas nicht hinreichend belohnt worden. Im Grunde war er ein ganz und gar untüchtiger Mensch, der nicht einmal zum Befehlshaber der Flotte taugte, wozu wahrhaftig nicht viel gehört. Anicetus war nur ein Barbier gewesen, aber er hatte sich wenigstens auf den Rat seiner erfahrenen Kapitäne verlassen.

Proculus dagegen wollte in seiner Überheblichkeit nur sein eigenes Urteil gelten lassen und schickte eines Tages die Flotte in See, obwohl man ihm davon abriet. An die zwanzig Kriegsschiffe zerschellten an den Klippen vor Misenum und gingen mit Mann und Maus unter. Die Mannschaften kann man ja jederzeit ersetzen, aber ein Kriegsschiff ist ein allzu kostbares Spielzeug!

Nero raste vor Zorn, obwohl Proculus darauf hinweisen konnte, daß er auf kaiserlichen Befehl auch bereit wäre, selbst ins Meer zu springen. Proculus gestand, einen solchen Befehl müsse er sich noch überlegen, da er nicht schwimmen könne. Darauf bemerkte Nero bitter, er tue gut daran, auch über andere Befehle nachzudenken, denn auf See gälten die Befehle der Elemente sogar mehr als die Neros. Einen neuen Flottenbefehlshaber könne er jederzeit einsetzen, aber zwanzig neue Kriegsschiffe bauen, das käme zu teuer. Er wolle die Sache aufschieben, bis das Goldene Haus fertig sei.

Proculus fühlte sich begreiflicherweise in seiner Ehre gekränkt und erlag daher um so leichter den Verlockungen der Epicharis. Epicharis war zudem eine schöne Frau und in der Kunst der Liebe sehr erfahren. Eine andere Kunst hatte sie, soviel man weiß, nicht ausgeübt, ehe sie sich der Verschwörung anschloß. Viele wunderten sich über ihren unerwarteten politischen Eifer, als sie die Verschwörer mit scharfen Worten ermahnte, rasch zu handeln.

Ich für meinen Teil glaube zu wissen, daß Epicharis Nero haßte, weil er einmal, nachdem er viel von ihr gehört hatte, selbst ihre Kunst erprobte und hernach in seiner Unbedachtheit einige abfällige Bemerkungen machte. Das konnte sie ihm nicht verzeihen, und von dieser Stunde an sann sie auf Rache.

Epicharis wurde schließlich des Zauderns der Verschwörer in Rom müde. Sie forderte Proculus auf, ans Werk zu gehen, seine Schiffe in Kampfbereitschaft zu versetzen und nach Ostia zu segeln. Doch Proculus besann sich anders. Als vorsichtige Frau hatte ihm Epicharis nicht verraten, wer an der Verschwörung teilnahm, und er wußte daher nicht, welches Ausmaß sie bereits angenommen hatte. Er wählte daher lieber den sicheren Weg, zumal er sich sagte, daß der den größten Lohn erhalten würde, der dem Kaiser als erster von der Verschwörung berichtete.

Er eilte zu Nero nach Rom und plauderte alles aus, was er wußte. In seiner Eitelkeit und weil er die Gunst des Volkes zu besitzen glaubte, schenkte Nero seinen Worten anfangs keinen rechten Glauben, vor allem weil seine Angaben viel zu unbestimmt waren. Er ließ jedoch Epicharis festnehmen und übergab sie Tigellinus zur peinlichen Befragung. Dies war eine Kunst, auf die sich Tigellinus am besten verstand, wenn er sie an einer schönen Frau erproben durfte, denn seit er sich mit Knaben abgab, haßte er die Frauen und genoß es, sie leiden zu sehen. Epicharis hielt jedoch tapfer stand. Sie leugnete alles und behauptete, Proculus schwatze Unsinn. Dagegen erzählte sie während der Folterung den Prätorianern so viel über des Tigellinus unnatürliche Neigungen, daß dieser keine Lust mehr verspürte, das Verhör fortzusetzen. Epicharis war da freilich schon so übel zugerichtet, daß sie nicht mehr gehen konnte.

Als sie von der Verhaftung der Epicharis erfuhren, begannen die Verschwörer sich endlich zu rühren. Die ganze Stadt wurde von Entsetzen ergriffen, denn so viele waren mit beteiligt und fürchteten für ihr Leben. Ein von Piso bestochener Zenturio versuchte Epicharis im Gefängnis zu ermorden, da die Verschwörer der Verschwiegenheit einer Frau nicht trauten. Die Gefangenenwärter hielten ihn jedoch zurück, denn Epicharis hatte sich durch ihre einzigartigen Schilderungen aus dem Leben des Tigellinus die Gunst der Prätorianer erworben.

Tags darauf sollte das Aprilfest der Ceres gefeiert werden, und in dem halbfertigen großen Zirkus sollten zu Ehren der Göttin des Erdsegens Wagenrennen stattfinden. Dies dünkte die Verschwörer die beste Gelegenheit, zur Tat zu schreiten, denn sonst zeigte sich Nero kaum noch in der Stadt, weil er im Goldenen Haus und in dessen riesigen Gärten genug Raum hatte, sich Bewegung zu verschaffen.

Man beschloß in aller Eile, daß die Verschwörer sich im Zirkus in Neros Nähe aufhalten sollten. Lateranus, ein hochgewachsener, furchtloser Mann, sollte sich bei passender Gelegenheit Nero zu Füßen werfen, als wollte er eine Gunst erbitten, und ihn zu Boden reißen. Sodann sollten die Kriegstribunen und Zenturionen und andere, die dazu den Mut aufbrachten, tun, als wollten sie Nero zu Hilfe eilen, und ihm mit ihren Dolchen den Garaus machen.

Flavius Scevinus bat darum, Nero den ersten Dolchstoß versetzen zu dürfen. Er war mit dem Stadtpräfekten, meinem ehemaligen Schwiegervater, verwandt und konnte daher ohne weiteres einen Platz in Neros unmittelbarer Nähe einnehmen. Er galt für einen durch sein liederliches Leben so verweichlichten Mann, daß nicht einmal Nero Ursache hatte, ihn zu fürchten. Zudem war er ein wenig wirr im Kopf und litt des öfteren an Trugbildern. Ich will damit nichts gegen die Flavier gesagt haben. Aber Flavius Scevinus bildete sich ein, ein Dolch, den er einmal in irgendeinem uralten Tempel gefunden hatte und stets bei sich trug, habe einst der Göttin Fortuna selbst gehört, und glaubte in seinem Wahn, dieser Dolch sei ein Zeichen dafür, daß er zu großen Taten ausersehen sei. Er zweifelte nicht einen Augenblick an seinem guten Glück, als er sich bereit erklärte, den ersten Stoß zu führen.