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Piso sollte beim Cerestempel warten. Dort sollten ihn Fenius Rufus und andere Verschwörer abholen, um ihn zusammen mit Antonia ins Lager der Prätorianer zu begleiten. Von Seiten des Tigellinus erwartete man keinen Widerstand, sobald Nero einmal tot war, denn er war klug und berechnend. Die Verschwörer hatten zwar beschlossen, ihn danach, um dem Volk zu gefallen, hinzurichten, aber davon konnte Tigellinus nichts wissen.

Der Plan war geschickt entworfen und gut, von welcher Seite man ihn auch besah. Er hatte nur den einen Fehler, daß er gar nicht erst zur Ausführung kam.

XII

DER VERRÄTER

Am Abend vor dem Ceresfest, nach einer letzten Unterredung mit Antonius Natalis und nachdem wir andern alle Pisos Haus schon längst verlassen hatten, begab sich Flavius Scevinus heim und begann in düsterer Stimmung sein Testament zu diktieren. Während er diktierte, zog er seinen berühmten Dolch aus der Scheide und bemerkte, daß er vor Alter grün und stumpf geworden war. Er übergab ihn seinem Freigelassenen Milichus zum Schleifen und gebot ihm mit erschreckend wirren Worten und fahrigen Gesten, Stillschweigen über die Sache zu bewahren. Dadurch wurde Milichus mißtrauisch.

Scevinus befahl weiter gegen seine Gewohnheit, ein Festmahl für alle Hausgenossen aufzutischen. Während des Mahles ließ er, bald schluchzend, bald mit gezwungener Heiterkeit, mehrere seiner Sklaven frei und teilte an die anderen Geldgeschenke aus. Dann brach er zusammen und bat Milichus unter Tränen, Wundverbände und blutstillende Arzneien herzurichten. Nun konnte Milichus nicht mehr daran zweifeln, daß sich schlimme Dinge vorbereiteten. Vielleicht hatte er auch von der Verschwörung munkeln hören.

Er beriet mit seiner Frau, was zu tun sei, und sie führte ihm mit dem gesunden Hausverstand der Frauen vor Augen, daß der zuerst mahlt, der zuerst zur Mühle kommt. Es ging um sein eigenes Leben. Mehrere andere Freigelassene und Sklaven hatten dasselbe gehört wie er. Es nutzte also nichts, zu schweigen. Im Gegenteil, Milichus mußte trachten, der erste zu sein, der Scevinus anzeigte. An sein Gewissen, an das Leben seines Hausvaters und seine Dankesschuld diesem gegenüber brauche er nun nicht zu denken, meinte seine Frau. Der reiche Lohn würde ihn dies alles nach und nach vergessen machen.

Milichus fand jedoch zunächst keine Gelegenheit, das Haus zu verlassen, denn 5cevinus konnte, obwohl er so viel getrunken hatte, nicht schlafen. Dazu kam, daß Atria Gallia, die Gattin des Scevinus, die um ihrer Schönheit, ihrer Scheidungen und ihres leichtfertigen Lebens willen berühmt war, durch das reichliche Mahl angeregt, gewisse Dienste von Milichus forderte, gegen die weder dessen Frau noch Scevinus – dieser aus nur ihm bekannten Gründen – etwas einwenden durfte. Ich glaube, dieser Umstand hatte einiges mit dem Rat zu tun, den die Frau des Milichus ihrem Manne gab, und erwähne ihn, um sie zu entschuldigen.

Erst in der Morgendämmerung erreichte Milichus mit Fortunas Dolch als Beweisstück unter dem Mantel die Gärten des Servilius. Aber die Türhüter ließen selbstverständlich nicht einmal diesen freigelassenen Sklaven ein und wollten um jeden Preis verhindern, daß er Nero am Morgen des heiligen Ceresfestes störte. In diesem Augenblick traf Epaphroditus mit einem Paar schöner junger Geparde ein, die er am frühen Morgen Nero bringen sollte. Nero wollte sie der Gemahlin des Konsuls Vestinus, Statilia Messalina, der er zur Zeit den Hof machte, schenken, damit sie während der Wagenrennen mit den schönen Tieren in der Konsulenloge Aufsehen erregen konnte. Epaphroditus wurde auf den Streit vor, der Pforte aufmerksam und eilte hinzu, um die Wächter zu beruhigen, die mit den Lanzenschäften auf Milichus einschlugen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Milichus hatte nämlich in seiner Not mit lauter Stimme nach Nero zu rufen begonnen.

Ich frage mich, ob Fortuna mir davor oder danach je so deutlich ihr Antlitz gezeigt hat. Jedenfalls erfuhr ich an diesem Tage, daß Güte und Edelmut schon in diesem Leben belohnt werden können. Epaphroditus erkannte in Milichus den Freigelassenen des Flavius Scevinus wieder, der ja mit seiner Gattin Sabina verwandt war, und half ihm deshalb. Als Milichus ihm sagte, in welcher Angelegenheit er gekommen war, erfaßte Epaphroditus sofort deren Bedeutung. Er erinnerte sich seiner Dankesschuld mir gegenüber und schickte mir seinen Sklaven, der die Geparde geführt hatte, um mich von dem Vorgefallenen zu unterrichten. Erst dann ließ er Nero wecken und führte die Geparde und Milichus an dessen Bett.

Der Sklave des Epaphroditus weckte mich aus dem tiefsten Schlaf, und seine Botschaft brachte mich augenblicklich auf die Beine. Ich warf mir nur einen Mantel um und lief, bärtig und ohne einen Bissen zu mir genommen zu haben, geradewegs zum Garten des Servilius.

Der Lauf brachte mich so außer Atem, daß ich beschloß, meine Leibesübungen im Stadion wiederaufzunehmen und wieder zu reiten, falls ich durch eine Laune des Schicksals noch einmal mit dem Leben davonkommen sollte, und während ich aus Leibeskräften rannte, versuchte ich die Lage zu überdenken und mir schlüssig zu werden, welche Personen ich am besten gleich als erste anzeigen sollte, um mich in ein möglichst vorteilhaftes Licht zu setzen.

Als ich im Palast eintraf, war Nero noch immer in der übelsten Laune, weil man ihn so plötzlich geweckt hatte, obwohl er wegen des Ceresfestes schon längst hätte auf sein müssen. Er spielte gähnend in seinem riesigen Seidenbett mit den Geparden und wollte in seiner Eitelkeit den verzweifelten Erklärungen des Freigelassenen keinen Glauben schenken. Immerhin hatte er wenigstens nach Tigellinus geschickt und noch einmal mit Epicharis zu sprechen verlangt. Die Prätorianer waren bereits unterwegs, um Flavius Scevinus festzunehmen und vor Nero zu bringen, damit er seine verdächtige Handlungsweise erklärte. Nachdem er des langen und breiten von den Wundverbänden und dem Testament geschwatzt hatte, erinnerte sich Milichus, daß seine Frau ihm aufgetragen hatte, auch die lange Unterredung zu erwähnen, die ihr Hausvater mit Natalis, dem Vertrauten des Piso, gehabt hatte. Nero winkte ungeduldig ab und befahclass="underline" »Natalis soll ebenfalls kommen und selbst für sich sprechen. Aber nun muß ich mich zum Ceresfest ankleiden!«

Trotz seiner scheinbaren Gleichgültigkeit prüfte er doch mit dem Daumen die dünn geschliffene Spitze des von Grünspan verfärbten Bronzedolchs und stellte sich mit seiner lebhaften Einbildungskraft gewiß vor, was für ein Gefühl es wohl sein mochte, wenn einem diese Spitze in die Brust fuhr. Daher war er schon gnädiger gestimmt, als ich keuchend und mir den Schweiß von der Stirne trocknend erklärte, ich hätte ihm etwas zu berichten, was von größter Wichtigkeit sei und keinen Aufschub dulde.

In aller Eile entdeckte ich ihm den Mordplan der Verschwörer und nannte ohne Zögern Piso und Lateranus als deren Anführer. Die beiden konnten ohnehin nichts mehr retten. Ich stand wie auf glühenden Kohlen bei dem Gedanken, was Epicharis, nun da die Verschwörung aufgedeckt war, berichten werde, um sich neue Foltern zu ersparen.

Die jungen Geparde brachten mich auf den glücklichen Einfall, auch den Konsul Vestinus als einen der Verschwörer zu nennen, da ich wußte, daß Nero dessen schöner Gemahlin nachstellte. In Wirklichkeit hatten wir uns gar nicht erst bemüht, Vestinus für unsere Sache zu gewinnen, weil wir ihn als Anhänger der Republik kannten. Doch nun wurde Nero aufmerksam. Daß ein amtierender Konsul an einer Verschwörung teilhatte, war ein ernster Fall. Er biß sich auf die Lippen, und sein Kinn begann zu zittern, wie wenn er weinen wollte. So fest hatte er geglaubt, beim Volk beliebt zu sein!

Ich gab überhaupt am liebsten Mitglieder des Senats an, denn die Sohnespflicht gebot mir, meinen Vater zu rächen. Einhellig und ohne auch nur abzustimmen, hatte der Senat meinen Vater zum Tode verurteilt, worauf auch mein eigener Sohn Jucundus vor den wilden Tieren hatte sterben müssen. Ich war daher der Meinung, daß ich den Senatoren nichts schuldete, und im Hinblick auf meine eigenen Pläne konnte es mir nur recht sein, wenn im Senat einige Plätze frei wurden.