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Um Salz in die Wunde zu streuen, behauptete ich außerdem, Antonia habe versprochen, nach dem Staatsstreich die Gemahlin Pisos zu werden. Wie ich schon sagte, ging dieses unsinnige Gerücht wirklich in Rom um, und ich wußte, daß es mehr als alles andere danach angetan war, Neros Eitelkeit zu kränken. Antonia hatte ja Nero abgewiesen.

Er wollte mir jedoch noch immer nicht glauben. Es schien über seinen Verstand zu gehen, daß sich Antonia einer so unbedeutenden Person anvertraut hatte, wie ich es in seinen Augen war.

Er ließ mich unverzüglich festnehmen und unter Bewachung des diensthabenden Zenturios des Palastes in einen noch unvollendeten Saal sperren, in dem ein berühmter Handwerker an einem prachtvollen Gemälde arbeitete, das den Zweikampf Achills und Hektors vor den Mauern Trojas darstellte. Nero war ja aus julischem Geschlecht und wollte seine Gäste gern daran erinnern, daß seine Abstammung auf ein unziemliches Verhältnis zwischen dem Troer Aeneas und der Venus zurückging. Deshalb mißachtete er auch den Tempel des Vulcanus und äußerte sich stets nur geringschätzig über den Gott. Die einflußreiche Zunft der Schmiede nahm ihm das sehr übel.

Der Geruch der Farbe reizte mich ebenso sehr wie das selbstgefällige Benehmen des Malers. Ich durfte mich nicht einmal halblaut mit meinem Bewacher unterhalten, denn das hätte ihn bei seiner wichtigen Arbeit stören können. Im übrigen kränkte es mich, daß Nero mir nicht einen Kriegstribunen als Wache gegeben hatte, sondern daß ich mich mit der Gesellschaft eines Zenturios begnügen mußte. Er war aber wenigstens römischer Ritter, und ich hätte mich mit ihm, um mir die Zeit zu vertreiben und meine Unruhe zu lindern, über Pferde unterhalten können, wenn der Handwerker nicht so eingebildet gewesen wäre.

Ich wagte es jedoch nicht, ihn zu verunglimpfen, denn er stand hoch in Neros Gunst. Nero behandelte ihn mit herablassender Achtung und hatte ihm das Bürgerrecht verliehen. Deshalb malte er immer in der Toga, so lächerlich das auch aussah. Nero hatte sogar einmal die Absicht geäußert, ihn in den Ritterstand zu erheben, aber zum Glück hatte er diesen wahnwitzigen Gedanken wieder fallengelassen. Ein farbiger Tierbändiger wie Epaphroditus, das mochte noch angehen, aber ein Handwerker, der Bilder malt … Nein, es hat alles seine Grenzen. Das sah sogar Nero ein.

Ich mußte bis zum Nachmittag warten, aber Nero schickte mir Speisen von seiner eigenen Tafel, und ich machte mir daher keine allzu großen Sorgen. So leise wie möglich würfelte ich mit dem Zenturio, und wir tranken reichlich Wein, obgleich er es nicht wagte, sich einen Rausch anzutrinken, weil er im Dienst war. Ich benützte die Gelegenheit, um Claudia Nachricht zu senden, daß man mich als Verdächtigen festhielt.

Deine Mutter sah zwar ein, daß ich für Deine Zukunft sorgen mußte, meinte aber in ihrer echt weiblichen Unvernunft, es sei darum nicht nötig, daß ich die Rolle des Verräters spielte. Nun sollte sie ruhig ein wenig um mich bangen, obwohl ich selbst bei weitem nicht so in Sorge war, wie ich es ihr in meiner Mitteilung zu verstehen gab. Allerdings kannte ich Neros Launenhaftigkeit und verließ mich nicht auf seine Ratgeber, nicht einmal auf Tigellinus, der mir aus mehreren Gründen Dank schuldete.

Ich war reich, und das konnte Nero reizen, obgleich ich stets mein Bestes getan hatte, die wirkliche Größe meines Vermögens zu verbergen. Mit Unbehagen dachte ich an das Schicksal des Konsuls Vestinus, der nicht einmal an der Verschwörung teilgenommen hatte, und mein einziger Trost war, daß Statilia Messalina gerade wegen Vestinus auf meiner Seite stand.

Nero hatte sich noch nicht mit ihr vermählt, weil das Gesetz eine Wartezeit von neun Monaten vorschreibt, aber Statilia Messalina bereitete schon ein glänzendes Hochzeitsfest vor, und auf die Freuden des Bettes hatte Nero schon zu Lebzeiten des Vestinus reichlichen Vorschuß genommen. An Acte hielt er sich im Augenblick vermutlich deshalb, weil Statilia, um sich als ein besserer Mensch fühlen zu dürfen, der Mondgöttin opferte. Acte neigte heimlich zu der Lehre der Christen, das wußte ich aus sicherer Quelle, und sie versuchte mit Milde, Neros gute Eigenschaften zu fördern. Nero hatte gewiß auch solche, aber diese Aufgabe ging doch über das Vermögen einer Frau, wer sie auch sein mochte.

Statilia Messalina tat eher das Gegenteil. Sie führte als erste in Rom die ursprünglich germanische Mode ein, mit unverhüllter linker Brust zu gehen, und sie konnte es sich leisten, denn sie war mit Recht stolz auf ihre wohlgeformten Brüste. Die Frauen, die von der Natur weniger gut ausgestattet worden waren, nahmen Anstoß an der neuen Mode und erklärten sie für unsittlich. Als ob etwas Schlimmes daran wäre, eine schöne Brust zu zeigen! Es treten ja bei den öffentlichen Opfern auch die Priesterinnen und bei gewissen Gelegenheiten sogar die Vestalinnen mit nackten Brüsten auf, weshalb ich lieber von einem durch tausendjährige Überlieferung geheiligten Brauch sprechen möchte als von etwas Unsittlichem.

Bis zum Abend hatte Tigellinus von den Männern, die in Tullianum noch das Leben hatten behalten dürfen, genug Beweise für Antonias Teilnahme an der Verschwörung gesammelt. In der Hoffnung auf Belohnung hatten sich sogar ein paar feige Verräter gefunden, die ohne mit der Wimper zu zucken schworen, Antonia habe wirklich gelobt, sich mit Piso zu vermählen, sobald dieser seine Gattin losgeworden wäre. Die beiden hätten sogar schon Verlobungsgeschenke ausgetauscht, behaupteten sie. Man nahm bei Antonia eine Hausdurchsuchung vor und fand ein Halsband mit indischen Rubinen, das Piso heimlich bei einem syrischen Goldschmied gekauft hatte. Wie es in Antonias Haus kam, weiß ich nicht und will ich auch nicht wissen.

Alle diese Beweise überzeugten Nero endlich. Er spielte den tief Betrübten, obwohl er natürlich insgeheim froh war, einen Grund zu haben, Antonia zu beseitigen. Um mir eine Gunst zu erweisen, nahm er mich in seinen neuen Tiergarten mit, wo Epaphroditus eine kleine Vorstellung zu seiner Unterhaltung vorbereitet hatte. Ich staunte, als ich einen nackten Knaben und ein nacktes Mädchen erblickte, die an Pfählen in der Nähe der Löwenkäfige festgebunden waren. Epaphroditus war mit der glühenden Eisenstange eines Tierbändigers bewaffnet und trug ein Schwert an der Seite. Er machte mir aber heimlich ein Zeichen, mich nicht zu beunruhigen.

Dennoch erschrak ich, wie ich offen zugeben muß, als ich plötzlich ein dumpfes Brüllen vernahm und einen Löwen, der mit dem Schweif den Sand peitschte, auf die Pfähle zuspringen sah. Er richtete sich auf, um die nackten Opfer zu kratzen, und schnupperte auf eine widerliche Art an ihren Geschlechtsteilen. Zu meiner Verwunderung litten jedoch die Kinder, die sich vor Entsetzen wanden, keinen nennenswerten Schaden. Als der Löwe sich ein wenig beruhigt hatte, trat Epaphroditus auf ihn zu und rannte ihm das Schwert in den Bauch, daß das Blut weithin spritzte und der Löwe auf den Rücken fiel, mit den Pranken in der Luft herumschlug und schließlich so glaubwürdig, wie man es sich nur wünschen konnte, den Geist aufgab.

Als der Knabe und das Mädchen losgebunden und hinausgeführt worden waren, kroch aus der Löwenhaut Nero hervor und fragte stolz, ob er durch seine Schauspielkunst nicht sogar mich getäuscht habe, obwohl ich doch genug Erfahrung mit Raubtieren hatte. Selbstverständlich versicherte ich ihm, ich hätte den Löwen für echt gehalten.

Nero zeigte mir die in die Löwenhaut eingebauten Stahlfedern und anderen Mechanismen und die Blutblase, in die Epaphroditus mit dem Schwert ein Loch gestoßen hatte. Ich wunderte mich nachher noch lange über dieses wahnsinnige Spiel, das Nero große Befriedigung zu verschaffen schien und dessen er sich doch ein wenig schämte, denn nur wenige seiner Freunde durften es mit ansehen.

Nachdem er mir nun auf diese Weise sein Vertrauen bewiesen hatte, musterte er mich mit einem heimtückischen Blick und sagte mit erheuchelter Sanftmut: »Es gibt genug Beweise für Antonias Schuld, und ich muß ihnen glauben, sosehr es mich auch schmerzt, daß sie sterben muß. Sie ist ja meine Halbschwester. Du hast mir die Augen geöffnet. Deshalb sollst auch du die Ehre haben, zu ihr zu gehen und sie zu bitten, sich die Pulsadern zu öffnen. Tut sie das freiwillig und in aller Stille, so will ich die Sache nicht an die Öffentlichkeit bringen. Es geht ja auch um mein Ansehen. Ich werde ihr sogar ein Staatsbegräbnis bewilligen und ihre Urne im Mausoleum des Gottes Augustus aufstellen lassen. Darauf hat sie ein Recht durch ihre Geburt. Dem Senat und dem Volk sage ich, daß sie im Wahnsinn Selbstmord begangen hat oder weil sie sich die Schmerzen einer unheilvollen Krankheit ersparen wollte. Irgendeine Erklärung wird sich schon finden, wenn sie sich nur anständig benimmt und keine Umstände macht.«