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Zu meiner Erleichterung erweckte Rubrias Tod bei den Ärzten nicht den geringsten Verdacht. Sie war nicht einmal dunkel im Gesicht geworden. Zu solcher Höhe hatte Locusta in ihren alten Tagen ihre Kunst entwickelt. Nero stellte ihr aber auch immer wieder Verbrecher, die nichts Besseres verdienten, zur Verfügung, an denen sie ihre Arzneien erproben konnte.

Mein Besuch bei Rubria gab zu keinen Fragen Anlaß, denn sie empfing viele Besucher im Artium der Vestalinnen. So konnte ich in mein geheimes Versteck das versiegelte Dokument einmauern, in dem sie Claudias Herkunft bezeugte, die Aussage der toten Paulina wiedergab und bestätigte, daß Antonia Deine Mutter Claudia als ihre Halbschwester betrachtet und Dir zum Zeugnis dessen den Namen Antonianus gegeben hatte.

An einigen äußerlichen Anzeichen glaubte ich zu bemerken, daß ich in Ungnade gefallen war, und ich war daher nicht überrascht, als Nero mich zu sich rufen ließ, damit ich ihm Rede und Antwort stünde, ja ich glaube sogar, mich gut vorbereitet zu haben. Nero biß sich auf die Lippen, und sein Kinn zitterte, als er mir befahclass="underline" »Laß mich etwas über deine Ehe hören, Manilianus, von der ich noch nichts weiß, und versuche mir eine glaubhafte Erklärung dafür zu geben, daß Antonia deinen Sohn in ihrem Testament bedacht und ihm sogar ihren eigenen Namen verliehen hat. Ich wußte nicht einmal, daß du außer dem Bankert des Epaphroditus noch einen Sohn hast!«

Ich wich seinem Blick aus und gab mir Mühe, vor Furcht zu zittern, wozu es allerdings, um ehrlich zu sein, keiner großen Anstrengung bedurfte. Nero argwöhnte, ich hätte etwas zu verbergen, und fuhr fort: »Ich würde nichts sagen, wenn Antonia sich damit begnügt hätte, dem Knaben den Siegelring ihres Onkels Sejanus zu vermachen, aber es ist unfaßbar, daß sie ihm einen großen Teil des Familienschmucks der Julier gab, den sie von der Mutter des Claudius, der alten Antonia, geerbt hatte, unter anderem eine Schulterspange, die der Gott Augustus im Feld und bei den staatlichen Opfern getragen haben soll. Noch merkwürdiger aber ist es, daß deine Ehe nirgends eingetragen ist und daß dein Sohn nicht einmal in die neue Einwohnerliste – von der Ritterrolle ganz zu schweigen – eingeschrieben wurde, obwohl die vorgeschriebene Frist längst abgelaufen ist. An der Sache ist etwas faul.«

Ich warf mich zu seinen Füßen nieder und rief mit erheuchelter Reue: »Schon lange plagt mich deshalb das Gewissen, aber ich schäme mich so, daß ich noch mit keinem meiner Freunde darüber zu sprechen wagte. Meine Gattin Claudia ist Jüdin.«

Nero brach vor Erleichterung in ein so gewaltiges Gelächter aus, daß es seinen gedrungenen Körper schüttelte und ihm die Tränen in die Augen traten. Er schickte nicht gern jemanden auf einen bloßen Verdacht hin in den Tod, am allerwenigsten seine wirklichen Freunde.

»Minutus, Minutus«, sagte er tadelnd, als er wieder zu sprechen imstande war. »Es ist keine Schande, Jude zu sein. Du weißt, wieviel jüdisches Blut im Laufe der Jahrhunderte in unsere vornehmsten Familien eingedrungen ist. Um meiner geliebten Poppaea willen kann ich die Juden nicht für schlechter halten als andere Menschen. Ich dulde sie sogar in den staatlichen Ämtern, innerhalb vernünftiger Grenzen, versteht sich. Wo ich herrsche, sind alle Menschen, als Menschen betrachtet, gleich, seien sie nun Römer oder Griechen, schwarz oder weiß. Daher habe ich auch nichts gegen die Juden.«

Ich stand auf und gab mir den Anschein tiefer Verlegenheit. »Wenn das alles wäre, würde ich nicht gezögert haben, meine Gattin dir und meinen anderen Freunden vorzustellen«, sagte ich bekümmert. »Zu alledem stammt sie aber auch noch von Sklaven ab. Ihre Eltern waren elende Freigelassene der Mutter des Claudius, also gewissermaßen deiner Großmutter. Deshalb heißt sie Claudia. Du wirst nun verstehen, weshalb ich mich ihrer schäme. Vielleicht wollte Antonia dem Knaben zur Erinnerung an ihre Großmutter ein paar billige Schmuckstücke hinterlassen. Daß er Antonianus heißen soll, war der Wunsch meiner Gattin Claudia.«

Nun spielte ich den Zornigen und sagte: »Im übrigen meine ich, es ist die reine Bosheit, daß Antonia meinen Sohn in ihrem Testament bedacht hat. Sie wollte, daß man mich verdächtigt, denn sie wußte, daß ich Scevinus, Piso und andere angezeigt hatte; daß ich, von meinem Gewissen getrieben, um deiner Sicherheit willen eines Tages sie selbst anzeigen würde, konnte sie damals freilich noch nicht ahnen. Wahrhaftig, ich bereue es jetzt nicht mehr.«

Nero runzelte die Stirn und dachte nach. Da ich bemerkte, daß sein Mißtrauen von neuem erwachte, fuhr ich rasch fort: »Es ist das beste, ich gestehe dir auch gleich, daß ich zum Glauben der Juden neige. Das ist kein Verbrechen, wenngleich unpassend für einen Mann in meiner Stellung. Aber meine Gattin ist sehr starrsinnig. Sie zwingt mich, die Julius-Caesar-Synagoge aufzusuchen. Das tun aber auch andere Römer. Die Mitglieder dieser Synagoge scheren sich den Bart, kleiden sich wie andere Menschen und gehen ins Theater.«

Nero starrte mich noch immer finster an. »Deine Erklärung klingt recht glaubwürdig«, sagte er, »nur hat Antonia leider diesen Zusatz zu ihrem Testament schon vor mehr als einem halben Jahr beurkunden lassen. Damals konnte sie noch nicht ahnen, daß du die Verschwörung des Piso verraten würdest.«

Ich sah ein, daß ich noch mehr gestehen mußte, und war dazu bereit, obgleich ich mich noch eine Weile wand, um Nero nicht durch eine allzu plötzliche Offenherzigkeit in seinem Mißtrauen zu bestärken. Er glaubte felsenfest, daß alle Menschen etwas vor ihm verbargen. Ich blickte daher zu Boden, scharrte mit dem einen Fuß auf einem Mosaik, das Mars und Venus zeigte, die einander umarmten und im Kupfernetz des Vulcanus gefangen waren, und ausgezeichnet zu meiner Lage paßte, knetete verlegen meine Hände und brachte kein Wort hervor, bis Nero plötzlich schrie: »Sag mir augenblicklich alles, sonst lasse ich dir deine nagelneuen roten Schnürstiefel abnehmen! Daß der Senat nichts dagegen einzuwenden hätte, weißt du selbst am besten!«

»Ich verlasse mich auf deinen Edelmut und dein Taktgefühl!« rief ich. »Behalte mein schändliches Geheimnis für dich, und sprich davon nicht zu meiner Gattin. Ihre Eifersucht ist unerträglich. Sie ist in dem gewissen Alter, und ich verstehe selbst nicht mehr, wie ich ihr ins Garn gehen konnte.«

Nero witterte eine anzügliche Geschichte. Er leckte sich die Lippen und sagte: »Es heißt, die Jüdinnen hätten im Bett ihre besonderen Vorzüge. Außerdem wirst du ihre jüdischen Verbindungen schon für deine Zwecke ausgenutzt haben. Mich führst du nicht hinters Licht. Ich verspreche dir gar nichts. Laß hören!«

Stammelnd gestand ich ihm: »In ihrem Ehrgeiz setzte meine Gattin es sich in den Kopf, wir müßten Antonia einladen, wenn ich meinem Sohn seinen Namen gab und ihn in Gegenwart von Zeugen auf meine Knie setzte und anerkannte.«

»So wie du seinerzeit Lausus anerkanntest«, bemerkte Nero spaßend. »Aber sprich weiter.«

»Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Antonia wirklich kommen würde, wenngleich der Kleine ein Enkel der Freigelassenen ihrer Großmutter ist«, sagte ich. »Damals hatte sie jedoch wenig Umgang und sehnte sich nach Abwechslung. Aus Gründen der Schicklichkeit brachte sie die Vestalin Rubria mit, die sich, nebenbei bemerkt, an diesem Abend einen Rausch antrank. Friede ihrem Andenken. Ich kann es mir nicht anders erklären, als daß Antonia irgend etwas Vorteilhaftes über mich gehört hatte und mich kennenlernen wollte. Sofern sie nicht schon damals darauf aus war, für spätere Zwecke Freunde und Anhänger zu werben! Als sie ein wenig Wein getrunken hatte, gab sie mir zu verstehen, ich sei in ihrem Haus auf dem Palatin jederzeit willkommen, am liebsten ohne meine von Sklaven herstammende Gattin.«