Nero errötete, seine Mundwinkel zuckten, und er beugte sich vor, um sich kein Wort entgehen zu lassen.
»Ich war so eitel, daß ich mich durch ihre Einladung geehrt fühlte«, fuhr ich fort. »Zugleich aber sagte ich mir, daß ich sie nur einer Weinlaune oder irgendeinem anderen, mir noch nicht bekannten Grunde verdankte. Dennoch suchte ich sie eines Abends auf, und sie empfing mich sehr freundlich … Nein, ich wage nicht weiterzuerzählen.«
»Du brauchst dich nicht zu schämen«, sagte Nero. »Ich weiß genug über deine Besuche bei ihr. Sie sollen bis zum Morgen gedauert haben. Ich habe sogar schon daran gedacht, daß Antonia deinen Sohn heimlich geboren haben könnte, aber wie ich höre, ist er ja schon sieben Monate alt. Außerdem wissen wir, daß Antonia unfruchtbar war wie eine alte Kuh.«
Mit rotem Kopf gestand ich nun also, daß Antonia mir auch im Bett große Gastfreundschaft erwiesen und an mir Gefallen gefunden hatte, so daß sie mich recht oft bei sich haben wollte. Ich aber war wegen meiner Gattin in Sorge, unser Verhältnis könnte entdeckt werden. Vielleicht, sagte ich, hatte ich Antonia in ihrer Einsamkeit so gut getröstet, daß sie deshalb meinen Sohn in ihrem Testament bedachte, da sie mir schon aus Gründen der Schicklichkeit nichts geben konnte.
Nero lachte und schlug sich auf die Knie. »Das alte Luder!« schrie er. »Hat sie sich also mit dir eingelassen! Aber du warst nicht der einzige. Ob du mir’s glaubst oder nicht: sie hat es auch mit mir einmal versucht, als ich ihr aus bloßer Freundlichkeit und um der Verwandtschaft willen ein wenig geschmeichelt hatte. Ich war natürlich betrunken. Sie hängte sich mir an den Hals, und schon hatte ich ihre spitze Nase und ihre dünnen Lippen im Gesicht. Danach streute sie das wahnsinnige Gerücht aus, ich hätte um sie geworben. Pisos Halsband zeigt ja deutlich genug, wie lasterhaft sie war. Gewiß hat sie’s auch mit Sklaven getrieben, wenn sie gerade nichts Besseres bei der Hand hatte. Da warst du ihr freilich gut genug!«
Ich ballte die Fäuste und zwang mich zu schweigen.
»Statilia Messalina hat übrigens viel Freude an Pisos Halsband«, sagte Nero. »Sie läßt sich sogar die Brustwarzen in der Farbe dieser Taubenblutrubine schminken.«
Nero war von seinen eigenen Einfällen so begeistert, daß ich mich der schlimmsten Gefahr entronnen wußte. Er war erleichtert und guter Laune, aber gerade weil er nun zum Scherzen aufgelegt war, wollte er mich für meine Geheimniskrämerei auf solche Weise strafen, daß ich in der ganzen Stadt zum Gespött wurde. Er dachte eine Weile nach und sagte dann: »Ich will natürlich deine Gattin sehen und mich mit eigenen Augen davon überzeugen, daß sie Jüdin ist. Ebenso will ich die Zeugen verhören, die zugegen waren, als dein Sohn seine Namen erhielt. Ich nehme an, sie sind auch alle Juden. Ferner lasse ich in der Julius-Caesar-Synagoge nachfragen, ob du wirklich so ein treuer Besucher bist. Unterdessen kannst du mir den Gefallen tun, dich der Einfachheit halber beschneiden zu lassen. Deine Gattin wird sich nur darüber freuen, und außerdem finde ich es nicht mehr als recht und billig, daß du an dem Körperteil bestraft wirst, mit dem du meine Halbschwester Antonia entehrt hast. Danke deinem Glück, daß ich so gut aufgelegt bin und dich so leicht davonkommen lasse!«
Ich erschrak und bat ihn demütig, mich nicht so entsetzlich zu kränken. Aber ich hatte ja selbst den Hals in die Schlinge gesteckt. Als Nero mein Erschrecken sah, freute er sich erst recht über seinen Einfall. Er legte mir tröstend die Hand auf die Schulter und sagte: »Es ist nur gut, wenn ein Beschnittener im Senat sitzt und sich um die Angelegenheiten der Juden kümmert. Geh also und sieh zu, daß das rasch erledigt wird, und dann schaffe mir deine Gattin und die Zeugen her. Und komme selbst mit, wenn du noch gehen kannst. Ich will mich davon überzeugen, daß du meinem Befehl gehorcht hast.«
Ich mußte nach Hause gehen und Claudia und den beiden Zeugen, die voller Angst auf meine Rückkehr warteten, sagen, daß wir uns binnen kurzem im Empfangssaal des Goldenen Hauses einzufinden hatten. Darauf ging ich ins Lager der Prätorianer, um mit einem Feldscher zu sprechen. Der Mann versicherte mir mit vielen Worten, er könne diesen kleinen Eingriff ohne weiteres vornehmen und habe ihn während seiner Dienstzeit in Afrika an vielen Legionären und Zenturionen durchgeführt, denen die ständigen Entzündungen durch den Sand zu viel geworden waren. Er hatte sogar noch das Röhrchen, das man dazu braucht.
Ich wollte mich um meines Ansehens willen nicht bei den Juden behandeln lassen. Das war ein großer Fehler, denn sie hätten es unvergleichlich geschickter gemacht. Ich ertrug tapfer das schmutzige Röhrchen und das stumpfe Messer des Feldschers, aber die Wunde heilte schlecht und eiterte so, daß ich lange Zeit keine Lust verspürte, eine Frau auch nur anzusehen.
Eigentlich bin ich seither nicht mehr ganz der alte. Es hat zwar Frauen gegeben, die auf mein narbiges Glied recht neugierig waren, aber ich möchte sagen, daß ihr Vergnügen größer war als meines. Auf diese Weise bin ich dazu gekommen, ein recht tugendhaftes Leben zu führen.
Ich schäme mich nicht, davon zu sprechen. Es wissen ohnehin alle, was für einen Scherz sich Nero auf meine Kosten leistete, und ich bekam einen Spitznamen, den ich hier aus Schicklichkeitsgründen lieber nicht nennen will.
Deine Mutter ahnte nicht, was sie bei Nero erwartete, obwohl ich versucht hatte, sie auf ihre Rolle vorzubereiten. Als ich humpelnd und leichenblaß aus dem Prätorianerlager zurückkehrte, fragte Claudia mich nicht einmal, was mir fehle. Sie glaubte, ich hätte lediglich Angst vor Neros Zorn. Die beiden Judenchristen fürchteten sich wirklich, und es half auch nichts, daß ich ihnen Mut zusprach und sie an die Geschenke erinnerte, die ich ihnen in Aussicht gestellt hatte.
Nero warf einen einzigen Blick auf Claudia und rief auch schon: »Ein Judenweib! Das sieht man an den Brauen und den dicken Lippen, von der Nase ganz zu schweigen. Graue Haare hat sie auch. Die Juden werden früh grau. Das kommt von irgendeinem ägyptischen Fluch, habe ich mir sagen lassen. Merkwürdig, daß sie in diesem Alter noch ein Kind gebären konnte, aber dieses Volk vermehrt sich ganz unglaublich.«
Claudia zitterte vor Zorn, beherrschte sich jedoch um Deinetwillen. Danach schworen die beiden Juden beim Tempel zu Jerusalem, daß sie Claudias Herkunft kannten und daß sie Jüdin sei, aus so hoch angesehenem Geschlecht, daß ihre Eltern schon zu Pompejus’ Zeiten als Sklaven nach Rom gebracht worden seien. Die beiden bezeugten außerdem, daß Antonia bei der Namensgebung meines Sohnes zugegen gewesen war und gestattet hatte, daß er ihrer Großmutter zum Gedenken den Namen Antonianus erhielt.
Dieses Verhör schläferte Neros letztes Mißtrauen ein. Die beiden Judenchristen begingen zwar einen Meineid, aber ich hatte sie eigens ausgewählt, weil sie einer gewissen Gruppe von Christen angehörten, die aus irgendeinem Grunde behauptete, Jesus von Nazareth habe alle Arten von Eiden untersagt. Sie nahmen es mit ihrem Glauben sehr genau und waren sich bewußt, daß sie sündigten, indem sie einen Eid ablegten, weshalb sie meinten, es sei dann schon einerlei, ob der Eid nun wahr oder falsch war. Sie opferten sich auf und begingen diese Sünde um meines Sohnes willen, und sie hofften, Jesus von Nazareth werde ihnen verzeihen, weil sie in guter Absicht handelten.
Nero wäre aber nicht Nero gewesen, wenn er nicht mit einem pfiffigen Seitenblick auf mich so beiläufig wie möglich gesagt hätte: »Liebe Domina Claudia – eigentlich sollte ich wohl Serenissima sagen, da dein Gatte es trotz seiner niedrigen Herkunft verstanden hat, sich die Purpurstiefel zu verschaffen –, also liebe Domina Claudia, du wirst wohl wissen, daß dein Gatte sich die Gelegenheit zunutze machte und ein heimliches Verhältnis mit meiner unglücklichen Halbschwester Antonia anknüpfte. Ich habe Zeugen dafür, daß sie Nacht für Nacht in einem Lusthaus in Antonias Garten miteinander Unzucht trieben. Ich war gezwungen, sie überwachen zu lassen, damit sie nicht am Ende in ihrer Liederlichkeit einen öffentlichen Skandal heraufbeschwor.«