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Sporus versicherte jedoch, er fühle sich in seinem Herzen mehr als Mädchen denn als Knabe. Daher ließ Nero auf seinen eigenen Wunsch einen kleinen Eingriff an ihm vornehmen und gab ihm Arzneien, die ein alexandrinischer Arzt empfohlen hatte, um den Bartwuchs zu unterbinden, die Brust zu vergrößern und überhaupt die aphrodisischen Eigenschaften zu entwickeln.

Um nicht später noch einmal auf diese Geschichte, die viel böses Blut machte, zurückkommen zu müssen, will ich gleich berichten, daß Nero sich in Korinth unter den üblichen Zeremonien mit Sporus vermählte und diesen hinfort als seine Gattin behandelte. Nero selbst behauptete allerdings, die Trauung mit der Überreichung der Mitgift, den Schleiern, dem Umzug und was sonst noch dazugehört, sei eine reine Formsache, die eben von gewissen Mysterien gefordert werde, im übrigen aber nicht rechtlich bindend. Seiner Göttlichkeit wegen betrachtete er sich als zwiegeschlechtig wie alle männlichen Götter. Alexander der Große hatte viel zu dieser Anschauung beigetragen, als er sich in Ägypten zum Gott erhöhen ließ. Deshalb sah Nero in seinen Neigungen eine Art zusätzlichen Beweis für seine Göttlichkeit.

Er war von der Richtigkeit seiner Anschauung so überzeugt, daß er sich die gröbsten Scherze auf Sporus’ Kosten gefallen ließ. Eines Tages fragte er im Spaß einen als Stoiker bekannten Senator um seine Meinung über diese Ehe. Der Alte antwortete boshaft: »Es stünde besser um die Welt der Menschen, wenn auch dein Vater Domitius so eine Gattin gehabt hätte.« Nero nahm es ihm nicht übel, sondern lachte laut.

Über Neros Siege in den musikalischen Wettspielen ist genug geschrieben worden. Er brachte ja über tausend Siegeskränze heim. Nur bei den olympischen Wagenrennen erging es ihm übel, denn beim Rennen der Zehngespanne stürzte er am Wendepfahl vom Wagen und konnte gerade im letzten Augenblick noch die Zügel kappen, die er sich um den Leib geschlungen hatte. Er zog sich ein paar böse Schrammen zu, aber als Lohn für seine Kühnheit bewilligten ihm die unparteiischen Preisrichter einstimmig einen Kranz. Nero fand jedoch, er könne ihn nicht annehmen, da er das Rennen hatte aufgeben müssen. Er begnügte sich mit den Olivenkränzen, die er im Sängerwettstreit und beim Ringen gewann.

Auch in anderen Fällen versuchte Nero nach bestem Vermögen sich so ehrenhaft zu verhalten, wie es dem Geist der Spiele entsprach, und er hütete sich, seine Mitbewerber im Sängerwettstreit so grob zu verunglimpfen, wie er es in Rom gewohnt war. Seine Siege waren um so verdienstvoller, als er vom Mißgeschick verfolgt wurde. Eine ganze Woche lang litt er heftige Zahnschmerzen, so daß der kranke Zahn zuletzt gezogen werden mußte. Er zerbrach trotz der Geschicklichkeit des Arztes in der Zange, und die Wurzeln mußten Stück für Stück aus den Kiefer gestochert werden. Nero ertrug den Schmerz mannhaft.

Zum Glück hatte der Arzt ein Betäubungsmittel, und Nero trank sich vorher einen Rausch an, wie es der mutigste Mann gern tut, ehe er sich dem Zahnbrecher ausliefert. Wieweit der Zahnschmerz und die Schwellung seine Stimme beeinträchtigten und seine Angst vor dem Auftreten verstärkten, mögen Sachkundigere als ich beurteilen.

Als einen Beweis für Neros Ehrenhaftigkeit sehe ich es auch an, daß er, als man ihm anbot, ihn in die Eleusinischen Mysterien einzuweihen, diese Ehre bescheiden ablehnte, indem er darauf hinwies, daß er im Ruf eines Muttermörders stehe. Böse Zungen behaupteten später freilich, er habe die Strafe der Götter gefürchtet, falls er an diesem heiligsten aller Mysterien teilnähme. Das ist ein haltloses Geschwätz. Nero wußte, daß er selbst ein Gott war wie die anderen Götter des Landes auch, wenngleich er aus reiner Bescheidenheit diese öffentliche Ehrung ablehnte. Wir im Senat waren mit großer Mehrheit bereit, ihn schon zu Lebzeiten zum Gott zu erhöhen, sobald er nur wollte.

Nachdem ich mir die Sache überlegt hatte, kam ich zu dem Schluß, daß es auch für mich das beste war, nicht an den eleusinischen Zeremonien teilzunehmen. Den Priestern erklärte ich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß ich, ohne zu wissen, was ich tat, gezwungen gewesen war, meinen eigenen Sohn hinrichten zu lassen. So vermied ich es, die heilige Priesterschaft zu beleidigen, und konnte Nero sagen, ich schlösse mich aus Freundschaft zu ihm von den Mysterien aus. Er vertraute mir darum um so mehr, und das sollte mir binnen kurzem zustatten kommen.

In Wirklichkeit sagte ich mir, daß Claudia mir allzu viele Fragen gestellt haben würde, wenn ich mich hätte einweihen lassen. Ich verzichtete also um des Hausfriedens willen darauf, obwohl ich es danach bereute, als ich sah, wie die anderen Senatoren noch Tage nach der Einweihung offensichtlich glücklich waren, weil sie göttliche Geheimnisse erfahren hatten, die seit Menschengedenken noch kein Eingeweihter Außenstehenden entdeckt hat.

Und dann kam die unglaubliche, beschämende Eilbotschaft, daß jüdische Freischaren die syrische Legion, die aus Jerusalem geflohen war, zersprengt und bis auf den letzten Mann niedergemacht hatten. Den eroberten Legionsadler hatten die Juden als Opfergabe in ihrem Tempel aufgestellt.

Ich nenne weder die Nummer noch das Losungswort der Legion, denn sie wurde aus den Rollen getilgt. Noch heute verbieten die Zensoren, daß diese Legion in den Annalen Roms erwähnt wird. Die Geschichtsschreiber verschweigen am liebsten sogar den Aufstand der Juden, obwohl sich Vespasian und Titus ihres späteren Sieges nicht zu schämen brauchten, sondern sogar einen Triumph feierten. Zum Teil war es allerdings bloße Sparsamkeit, daß man die Legion einfach ausstrich, denn es kam nicht zum Krieg gegen die Parther.

Ich gestehe, daß ich meinen ganzen Mut zusammennehmen mußte, um Nero Aug in Aug gegenüberzutreten, als er vom Ausschuß für orientalische Angelegenheiten eine Erklärung zu dem Geschehenen forderte. Es war seiner Ansicht nach unfaßbar, daß wir nicht gewußt hatten, wie weit die jüdischen Aufrührer die Mauern Jerusalems verstärkt hatten und wie es ihnen gelungen war, sich heimlich Waffen zu verschaffen und Truppen auszubilden, was sie zweifellos getan hatten, denn anders hätten sie niemals eine ganze Legion aufreiben können.

Ich als der Jüngste wurde vorgeschoben, um meine Ansicht zu sagen, wie es beim Kriegsrat üblich ist. Vermutlich vertrauten meine Amtsbrüder auf die Freundschaft zwischen Nero und mir und wollten mir gar nichts Böses, und außerdem fällt es mir im allgemeinen nicht schwer zu sprechen.

Ich konnte auf die Verschlagenheit der Parther hinweisen und auf die ungeheuren Summen, die Vologeses ausgegeben hatte, um Roms Streitkräfte zu binden, wo immer es möglich war. Die Juden hatten die Waffen vermutlich von ihm gekauft oder vielleicht sogar geschenkt bekommen, und es war ihnen ein leichtes gewesen, sie unbemerkt von unseren Grenzwachen durch die Wüste nach Judäa zu schaffen. Man wußte außerdem, wie treu diese jüdischen Aufwiegler ihrer Sache anhingen, so daß es niemanden zu wundern brauchte, daß die Vorbereitungen nicht verraten worden waren.

Die fortwährenden Streitigkeiten, während Felix und Festus als Statthalter in Caesarea saßen, hatten alle, auch die Klügsten, in Sicherheit gewiegt. Viel Geschrei, wenig Wolle, sagt man. In Judäa wie anderswo glaubten wir zu herrschen, indem wir teilten. »Das größte Wunder ist es«, sagte ich, »daß die uneinigen jüdischen Parteien sich zum gemeinsamen Aufruhr zusammenschlossen.«

Vorsichtig wies ich auch auf die entsetzliche Macht des jüdischen Gottes hin, von der in den heiligen Schriften der Juden überzeugende Beispiele zu finden sind, obwohl dieser Gott weder Abbild noch Namen hat, sondern nur durch gewisse Umschreibungen genannt wird. Dann fuhr ich fort: »Vieles ließe sich noch erklären. Eines aber ist unbegreiflich: Wie konnte Corbulo, in dessen Hände der kommende Krieg gelegt war, trotz seinem Feldherrnruhm und seinen Erfolgen in Armenien dies alles geschehen lassen? Es ist seine Sache und nicht die des Prokonsuls in Syrien, in Judäa und Galiläa die Ordnung wiederherzustellen und somit Stützpunkte für die weitere Kriegführung zu schaffen. Offenbar hat Corbulo seine ganze Aufmerksamkeit nach Norden gerichtet und die Hyrkaner darauf vorbereitet, die parthischen Truppen an dem Meer dort oben zu binden. Indem er sich aber nur einer Einzelheit des großen Planes widmete, verlor er den Überblick über das Ganze, beurteilte die Lage falsch und bewies damit, daß er ungeachtet seines Ansehens nicht das Zeug zu einem wirklich großen Heerführer hat.«