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Ich wunderte mich sehr, als ich hörte, daß er dort einige merkwürdige, recht wilde Offenbarungen hatte und aufzeichnete, aber er soll sich wieder beruhigt haben, nachdem man ihm erlaubte, nach Ephesus zurückzukehren.

Uns Mitglieder des Ausschusses für orientalische Angelegenheiten strafte Nero nur dadurch, dal? er uns nach Rom zurückschickte, wo wir darauf zu achten hatten, daß es zu keinem bewaffneten Aufruhr von seiten der Juden kam. Er meinte spöttisch, dieser Aufgabe wären wir hoffentlich gewachsen, nachdem wir in allen anderen Dingen nur unsere völlige Unfähigkeit bewiesen hätten. Auflösen konnte er den Ausschuß nicht, denn das wäre Sache des Senats gewesen. Der Senat nahm ihm zuliebe jedoch einige Umbesetzungen vor, obwohl es schwer war, neue Männer zu finden, die gewillt waren, ihre Zeit für diese unangenehme Verpflichtung zu opfern.

Ich war schon wieder in Rom, als Nero Achaia zu einem freien Reich ausrief und Griechenland seine frühere Selbständigkeit zurückgab. An den politischen Verhältnissen änderte sich deshalb nichts, das wußte ich, seit ich in meiner Jugend in Korinth als Kriegstribun gedient hatte. Die Griechen durften fortan lediglich selbst einen Statthalter wählen, selbst für ihr Kriegsheer aufkommen und selbst ihren Kanal graben. Trotzdem jubelten diese kurzsichtigen Menschen über Neros großzügige Geste.

Ich bemerkte sehr wohl, daß Nero in seinem Erlaß den Senat mit keinem Wort erwähnte, sondern eindeutig zu erkennen gab, daß Nero und nur Nero eine solche Freiheitserklärung ausfertigen konnte. Wir waren gewarnt von dem Tage an, da wir mit unseren eigenen Ohren hatten hören müssen, wie Nero beim Beginn des Kanalbaus der Hoffnung Ausdruck gab, dieses große Vorhaben werde Achaia und dem Volk von Rom zum Vorteil gereichen. Dem Volk … Den Senat erwähnte er nicht, wie es sich bei einer öffentlichen Rede eigentlich gehört hätte. Der richtige Ausdruck lautet: »Senat und Volk von Rom.« Und dabei bleibt es, was immer auch geschehen mag.

Es war nach alledem nicht verwunderlich, daß ich das Gefühl hatte, Orcus lenke meine Schritte und Charon blase mir seinen kalten Atem ins Genick, als ich die Juden zu ihrem Sterben begleitete. Das gleiche unbehagliche Gefühl hatte so mancher andere Senator, obgleich wir freilich aus Gründen der Sicherheit nie darüber sprachen. Wer durfte sich denn noch auf einen anderen verlassen, sich einem andern anvertrauen! Es gab sogar einen, der vorsichtshalber immer eine Million Sesterze in Gold auf einem Karren mit sich führte, wenn er eine kleine Reise antrat.

Nero erlaubte uns nicht einmal, ihn in Neapolis abzuholen. Dort wollte er nämlich seinen Siegeszug nach Rom antreten, weil er im Theater in Neapolis zum erstenmal öffentlich gesungen hatte. Seine Rückkehr sollte jedoch kein Triumph im eigentlichen Sinne sein. Er hatte sich eine Art künstlerischen Triumphzug ausgedacht, um dem Volk sein Vergnügen und einige freie Tage zu bieten. In politischer Hinsicht war das an sich nicht unklug, da der Feldzug im Osten im Sande Verlaufen war, aber wir fanden es unerhört, daß wir auf seinen Befehl einen Teil der Stadtmauer niederreißen lassen mußten, um Platz für den Siegeszug zu schaffen. Eine solche Ehre war noch keinem Sieger erwiesen worden, nicht einmal Augustus. Wir waren allgemein der Ansicht, daß Nero allmählich wie ein orientalischer Gewaltherrscher aufzutreten begann. So etwas wird in Rom nicht geduldet, da mag ein gewisser ungewaschener Lümmel noch so viel unverschämtes Zeug über die Verderbtheit unserer Sitten zusammendichten.

Nicht nur wir, sondern auch das Volk, worunter ich alle rechtdenkenden Bürger verstehe, schüttelten den Kopf, als Nero auf dem heiligen Triumphwagen des Augustus durch die Mauerbresche und quer durch die Stadt fuhr, hinter ihm wagenweise Siegeskränze und an Stelle von Soldaten eine Ehrenwache von Schauspielern, Spielleuten, Sängern und Tänzern. Anstatt Schlachtenbilder zu zeigen, hatte er griechische Künstler große Tücher bemalen und Figurengruppen meißeln lassen, die seine Siege in den Sängerwettstreiten darstellten. Er selbst war in einen purpurnen Mantel mit goldenen Sternen gekleidet, und auf dem Haupt trug er einen doppelten olympischen Kranz aus Olivenblättern.

Gleichwohl muß zu seiner Ehre gesagt werden, daß er, wie alle Triumphatoren vor ihm, nach altem Brauch demütig auf den Knien die steile Treppe auf den Kapitolinischen Hügel hinaufkroch und daß er seine wertvollsten Siegeskränze nicht nur Jupiter Custos, sondern auch anderen wichtigen Göttern Roms weihte, Juno und Venus nicht ausgenommen. Die übrigen Kränze reichten noch immer, um alle Wände im Empfangssaal und im runden Speisesaal des Goldenen Hauses zu bedecken.

Dennoch verlief Neros Heimkehr nicht ganz so angenehm, wie ein Außenstehender sich das vorstellen mochte. Statilia Messalina war zwar eine verwöhnte, willensschwache Frau, aber immerhin eine Frau, und sie konnte es nicht stillschweigend hinnehmen, daß Nero Sporus die gleichen ehelichen Rechte einräumen wollte wie ihr, so daß er hernach ganz der Laune des Augenblicks folgend das Ehebett hätte wechseln können. Es kam deshalb zu einem Familienstreit, der durch die Dienerschaft weit über die Grenzen des Palastes hinaus bekannt wurde. Nero hielt sich das Schicksal Poppaeas vor Augen und wagte es nicht, seine Gattin zu treten. Das machte sich Statilia zunutze. Nach einiger Zeit verlangte Nero zornig seine Siegeskränze von Juno zurück. Viel mehr konnte er nicht tun, außer daß er zuletzt Statilia nach Antium verbannte. Gerade das aber war ihr Glück.

Statilia Messalina lebt noch heute und trauert um Nero. Wie es sich für eine Witwe geziemt, erinnert sie sich nur an seine guten Seiten. Oft schmückt sie das bescheidene Mausoleum der Domitier, das vom Pincius aus sehr gut zu sehen ist, mit Blumen. Es liegt unweit der Gärten des Lukull, wo ich in meiner Jugend mit Nero und Agrippina zusammen die Kirschbäume blühen sah.

Es heißt, im Grabgewölbe der Domitier ruhen die Gebeine Neros. In den östlichen Provinzen aber hat es wegen Nero viel Streit und Unruhe gegeben, denn dort wollen die Leute nicht glauben, daß er tot ist. Sie hoffen vielmehr, er werde zurückkehren, und gedenken seiner Regierung als einer glücklichen Zeit, was man ihnen in Anbetracht der Steuern, die wir heutzutage zahlen müssen, und der Habgier des Staates nicht verargen kann.

Ab und zu taucht im Osten irgendein entsprungener Sklave auf und gibt sich als Nero aus. Die Parther unterstützen solche Versuche, Unruhe zu stiften, gern. Wir haben bereits zwei falsche Neros kreuzigen lassen. Um das Volk zu beruhigen, gab man ihnen vorher Gelegenheit, ihre Echtheit zu beweisen, indem sie sangen, aber keiner konnte singen wie Nero. Wie dem auch sei, Statilia Messalina gedenkt seiner durch Blumen und schmückt sein Grab. Wenn es sein Grab ist.

Ich habe mich wieder einmal mit diesem und jenem aufgehalten, um nicht von der einen Sache sprechen zu müssen, an die ich nur voll Kummer zurückdenke. Dank Neros Triumph und seinen übrigen politischen Pflichten gelang es mir, die Hinrichtungen erstaunlich lange hinauszuschieben. Schließlich aber kam der Tag, da wir die längst gefällten Todesurteile Nero zur Bestätigung vorlegen mußten. Hätte ich noch weitere Ausflüchte gesucht, so wäre ich wohl, nicht zuletzt von meinen Amtsbrüdern, selbst als Judenfreund verdächtigt worden.

Um unseren Ruf reinzuwaschen, hatten wir im Ausschuß für orientalische Angelegenheiten gründliche Arbeit geleistet, um uns ein zuverlässiges Bild von den wirklichen Verhältnissen innerhalb der jüdischen Kolonie Roms zu verschaffen und zu beurteilen, wieweit sie nach dem Aufstand der Juden in Jerusalem eine Gefahr für den Staat darstellte. Es war für einige von uns eine sehr lohnende Tätigkeit, und zuletzt konnten wir dem Senat und Nero mit gutem Gewissen einen beruhigenden Bericht vorlegen.