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Wir setzten es im Senat mit knapper Stimmenmehrheit durch, daß von einer Judenverfolgung im eigentlichen Sinne Abstand genommen wurde und man sich damit begnügte, verdächtige Elemente und Aufwiegler auszusondern. Unser Vorschlag gründete sich auf gesunde Vernunft und wurde trotz dem Judenhaß, den der Aufstand in Jerusalem erweckt hatte, angenommen. Ich muß allerdings gestehen, daß ich recht tief in die Tasche griff, um die Angelegenheit in diesem Sinne zu regeln, weil Claudia so viele Freunde unter den Judenchristen hatte. Der schiefnasige Aquila und die mutige Prisca, um nur zwei Beispiele zu nennen, hätten bei einer großen Säuberung bestimmt daran glauben müssen. Aber ich bin ja ein Unmensch, ein Geizkragen, der aus allem seinen Vorteil zu schlagen versteht und für den Dein bester Freund Juvenal nicht ein gutes Wort übrig hat. Ich kann mir denken, was meine Freunde ihm für die Abschriften von seinem Gedicht bezahlen. Schadenfreude ist die schönste Freude. Wir beide. Du und ich, wollen uns wenigstens darüber freuen, daß Dein bärtiger Freund dank mir seine Schulden loswird, ohne daß es mich ein einziges Kupferstück kostet.

Wenn ich so habgierig wäre, wie er behauptet, müßte ich ihm das verfluchte Spottgedicht abkaufen und meinen eigenen Verlag den Gewinn einstreichen lassen. Ich bin aber nicht wie Vespasian, der sogar das Wasser besteuert, das man abschlägt. Wir sprachen einmal über Begräbnisse mit ihm. Da fragte er uns, wieviel unserer Meinung nach sein Begräbnis einst die Staatskasse kosten werde. Wir rechneten aus, daß die Festlichkeiten mindestens zehn Millionen Sesterze verschlingen würden. Das war keine Schmeichelei, sondern wir konnten es ihm mit eindeutigen Zahlen beweisen. Vespasian seufzte schwer und bat bekümmert: »Gebt mir lieber gleich hunderttausend, dann dürft ihr meine Asche in den Tiber schütten.«

Natürlich blieb uns wieder einmal nichts anderes übrig, als in seinem altmodischen Strohhut hunderttausend Sesterze zu sammeln, wodurch uns dieses Mahl teuer zu stehen kam. Das Essen war noch dazu herzlich schlecht. Vespasian liebt einfache Sitten und seinen eigenen frischen Landwein. Dagegen wäre nichts zu sagen, aber ich habe um meiner Stellung willen mehr als einmal sein Amphitheater befürworten müssen. Das soll ja nun das achte Weltwunder werden, und Neros Goldenes Haus nimmt sich daneben wie die Spielerei eines verwöhnten Knaben aus.

Ich bin schon wieder abgeschweift, doch nun will ich zur Sache kommen. Es ist, wie wenn man sich einen Zahn ziehen läßt. Nur Mut, Minutus, und nicht lang gezaudert! Mich trifft übrigens keine Schuld. Ich habe für sie getan, was in meiner Macht stand. Mehr kann kein Mensch tun. Keine Macht der Welt konnte Kephas und Paulus das Leben retten. Kephas kehrte selbst nach Rom zurück, obwohl er sich während der schlimmsten Zeit hätte verstecken können.

Ich weiß, daß heute alle seinen lateinischen Namen anwenden und ihn Petrus nennen. Mir aber ist sein alter Name lieb, und für mich heißt er Kephas. Petrus ist eine Übersetzung von Kephas, was »Fels« bedeutet. Jesus von Nazareth gab ihm diesen Namen. Warum, weiß ich nicht. Kephas war seiner Gemütsart nach kein Fels. Er war heftig und aufbrausend und konnte manchmal sehr feige sein, ja er hat sogar einmal geleugnet, Jesus von Nazareth zu kennen, damals, in dessen letzter Nacht, und in Antiochia ist er alles andere denn mutig vor dem Boten Jacobs aufgetreten, der es als einen Verstoß gegen das jüdische Gesetz betrachtete, daß er mit Unbeschnittenen zusammen aß. Und doch, oder, wer weiß, vielleicht gerade deshalb, war Kephas ein Mensch, den man nicht vergessen kann.

Von Paulus sagt man heute, er habe sich nach Sergius Paulus, dem Statthalter auf Zypern, so genannt, weil dieser von allen, die er bekehrte, der vornehmste war. Das ist an den Haaren herbeigezogen. Paulus legte seinen ursprünglichen Namen Saulus ab, bevor er mit Sergius zusammentraf, und nannte sich nur deshalb Paulus, weil das, ebenso wie mein eigener Name Minutus, der Unbedeutende, Geringe, Wertlose bedeutet.

Mein Vater hatte, als er mir diesen verächtlichen Namen gab, nicht geahnt, daß er mich zum Namensvetter des Paulus machte. Aber Schande über den, dem ein Name schadet. Vielleicht ist ein wenig auch mein Name daran schuld, daß ich diese Erinnerungen niederzuschreiben begann, um zu beweisen, daß ich in Wirklichkeit nicht so unbedeutend bin, wie man meinen möchte. Der hauptsächliche Grund ist freilich der, daß ich hier in diesem Kurort, wo ich Mineralwasser trinke und die Ärzte meinen kranken Leib pflegen, anfangs meinen Betätigungsdrang nicht anders zu befriedigen wußte. Und dann dachte ich mir auch, daß es Dir vielleicht nützen könnte, ein wenig über Deinen Vater zu wissen, wenn Du einmal meine Asche in dem Grab in Caere eingemauert hast.

Ich sorgte dafür, daß es Kephas und Paulus während ihrer langen Gefangenschaft gutging, und verfügte, daß sie, wenn auch unter Bewachung, miteinander sprechen durften, sooft sie wollten. Als gefährliche Staatsfeinde mußten sie in Tullianum eingesperrt werden, und Tullianum ist kein sehr gesunder Aufenthaltsort, obgleich es eine jahrhundertealte ehrenvolle Tradition hat. Dort wurde Jugurtha erdrosselt, dort wurde dem Vercingetorix der Schädel eingeschlagen, Catilinas Freunde verloren dort ihr Leben, und die kleine Tochter des Sejanus wurde dort vor ihrer Hinrichtung geschändet, damit der Buchstabe des Gesetzes erfüllt wurde, denn wir Römer richten niemals eine Jungfrau hin. Paulus schien einen qualvollen Tod zu fürchten, aber Nero war in diesen Dingen nicht kleinlich und gehässig, obwohl er über den Aufstand der Juden erbittert war und allen jüdischen Aufwieglern die Schuld daran gab. Paulus war römischer Bürger und hatte ein Recht darauf, mit dem Schwert gerichtet zu werden. Dieses Recht hatten nicht einmal seine Richter in Frage gestellt. Kephas dagegen verurteilten wir nach dem Gesetz zur Kreuzigung, obwohl ich für mein Teil einem alten Mann und Freund meines Vaters diesen qualvollen Tod gern erspart hätte.

Ich verschaffte mir Gelegenheit, die beiden an dem frischen Sommermorgen, an dem sie zur Hinrichtung geführt wurden, auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Ich hatte angeordnet, daß keine anderen Juden zur selben Zeit gekreuzigt werden sollten, denn draußen auf der Richtstätte herrschte sonst der Juden wegen stets ein großes Gedränge, und ich wollte, daß Paulus und Kephas allein und mit Würde sterben konnten.

Wo der Weg nach Ostia abzweigt, mußte ich mich entscheiden, wem ich folgen wollte, denn es war bestimmt worden, daß Paulus zu demselben Tor gebracht werden sollte, wo man meinen Vater und Tullia enthauptet hatte. Kephas dagegen sollte als abschreckendes Beispiel durch das jüdische Viertel geführt und dann auf der Richtstätte der Sklaven in der Nähe von Neros Amphitheater gekreuzigt werden.

Paulus hatte seinen Freund, den Arzt Lucas, bei sich, und ich wußte, daß niemand ihn beleidigen würde, denn er war römischer Bürger. Kephas dagegen konnte meinen Schutz brauchen. Ich fürchtete auch für seine Begleiter, Marcus und Linus. Deshalb entschied ich mich für Kephas.

Meine Sorge war zum Glück unbegründet gewesen. Man warf ein paar Erdklumpen nach Kephas, ließ ihn aber sonst in Ruhe. Die Juden waren so weit Juden, daß sie sich trotz ihrem bitteren Haß gegen einen Abtrünnigen damit begnügten, schweigend zuzusehen, wie ein jüdischer Aufwiegler wegen des Aufstandes in Jerusalem zur Kreuzigung geführt wurde. Um den Hals trug Kephas das übliche Schild, auf dem in lateinischer und griechischer Sprache zu lesen stand: »Simon Petrus aus Kapernaum, Galiläer, Feind des Reiches und der Menschheit.«

Als wir die Stadt hinter uns gelassen hatten und zwischen den Gärten dahingingen, begann die Hitze drückend zu werden. Ich sah Schweißperlen über Kephas’ gefurchte Stirn rollen. Da befahl ich, ihm das Kreuz vom Rücken zu nehmen und einem Juden zu tragen zu geben, der uns entgegenkam, wozu die Soldaten das Recht hatten. Kephas selbst bat ich, zu mir in die Sänfte zu steigen, und ich dachte nicht an das Gerede, das mir meine Freundlichkeit einbringen mußte.