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Jedesmal, wenn ich in das schöne, kräftige Gesicht von Husni Allam schaute, träumte ich von herrlichen Nächten. Aber eines Tages hörte ich von dem Projekt, dessentwegen er nach Alexandria gekommen ist, um es zu prüfen und in die Tat umzusetzen. Jetzt habe ich meine Meinung über ihn geändert. Tolba Marzuq kann ich aus meiner Kalkulation streichen, er ist eine Illusion, fern aller Realität. Husni Allam dagegen ist ein Mann voller Tatendrang. Ich muß mir unbedingt einen Platz in diesem Projekt sichern. Das bedeutet nicht nur Arbeit und Erfolg, sondern rettet mich auch im letzten Augenblick vor den teuflischen Plänen Ali Bakirs. Wirklich bedauerlich ist nur, daß Husni Allam nicht zu fassen ist, wie Quecksilber. Zwar redet er hin und wieder von dem Projekt, aber im Grunde streift er die ganze Zeit nur planlos in der Gegend umher, rast wie ein Irrer mit seinem Auto durch die Stadt, und auf dem Platz neben ihm sitzt immer irgendeine Frau.
Einmal meinte ich zu ihm: »Ein Realist vergeudet seine Lebenszeit nicht bei Vergnügungen!«
»Und womit vergeudet er sie dann?« fragte er und lachte.
Ich antwortete umsichtig, auf meinen Vorteil bedacht: »Er prüft die Dinge, denkt nach und handelt dann entsprechend.«
»Ist ja ganz schön, was Sie da sagen, aber mir gelingt das Prüfen und Nachdenken immer nur, während ich mich vergnüge!« Dann, laut lachend: »Wir leben schließlich in der Zeit unmittelbar vor dem Weltuntergang!«
Ich ließ ihn allein und seufzte: »Mein Gott, ich möchte gern nützlich sein und auch selbst meinen Nutzen haben. Wie schafft man das bloß!«
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Wir schleudern uns gegenseitig Schimpfworte an den Kopf, so verletzend wie Steine oder Abfälle. Wütend schreie ich: »Jedesmal zanken wir uns! Das ist wie das Jüngste Gericht!«
Wir schleudern uns gegenseitig Schimpfworte an den Kopf. Machmud Abul-Abbas, der mich zu seiner dritten Lektion in Rechnen und Buchführung in ihre Wohnung begleitet hat, ist verblüfft. Entschlossen, endgültig zu gehen, stehe ich auf, und der Mann geht mit mir. An der Haustür bitte ich ihn, umzukehren und ihr zu erklären, daß ich beschlossen habe, auf Nimmerwiederkehr zu verschwinden.
Ich mache mich auf den Weg ins Miramar. Erst als Zuchra mir die Tür öffnet, begreife ich, daß ich verfolgt werde. Da nämlich packt mich eine Hand am Nacken, und ich höre Safejjas Stimme kreischen: »Du willst mich verlassen? Hältst du mich vielleicht für ein Kind oder ein Spielzeug?«
Mit Mühe reiße ich mich von ihr los, aber sie ist schon in die Wohnung gestürmt. Keuchend flüstere ich ihr zu: »Geh doch endlich! Die Leute hier schlafen!«
Doch sie schreit rücksichtslos: »Du läßt mir etwas ausrichten und haust ab! Ich habe dafür gesorgt, daß du etwas zu essen, zu trinken und anzuziehen hast, und nun willst du einfach davonlaufen, du Mistkerl!«
Ich schlage sie, und sie schlägt zurück. Wir ringen erbittert miteinander. Zuchra versucht vergeblich, uns auseinanderzureißen. Sie fordert sie auf: »Bitte, dies ist ein anständiges Haus!« Da das nichts nützt, ruft sie: »Verschwinden Sie, oder ich hole die Polizei!«
Safejja tritt einen Schritt zurück, wendet sich zu Zuchra und ruft hochmütig: »Du, ein Dienstmädchen…« Bevor sie ihren Satz beenden kann, verschließt ihr Zuchras Hand den Mund. Sie stürzt sich auf Zuchra, aber das Mädchen schlägt so kräftig auf sie ein, daß sie fast zu Boden fällt. Nun ist die Pension erwacht. Türen öffnen sich. Schritte kommen näher. Da steht plötzlich Husni Allam als erster vor uns, packt Safejja an der Hand und führt sie hinaus.
Blind vor Wut gehe ich auf mein Zimmer. Madame folgt mir und fragt verärgert, was geschehen sei. Ich drücke ihr mein Bedauern aus, aber sie will wissen: »Wer war sie?«
Um die Situation zu retten, lüge ich: »Sie war meine Verlobte, und ich habe gerade die Verlobung gelöst.«
Sie schüttelt den Kopf und unterstützt mich: »Ihr Verhalten hat gezeigt, daß Sie recht getan haben, aber…« Sie schweigt einen Augenblick und fährt dann fort: »Aber ich bitte Sie, Ihre Rechnung mit ihr nicht in diesen Räumen zu begleichen!«
»Ich lebe schließlich von meinem guten Ruf!« betont sie, schon auf dem Weg, die Pension zu verlassen.
Als Zuchra zur üblichen Zeit in mein Zimmer kommt, sieht man ihrem Gesicht das Vorgefallene immer noch an. Ich danke ihr und entschuldige mich bei ihr für das, was ihr geschehen ist. Wir werfen uns gegenseitig traurige Blicke zu, bis ich nicht umhinkomme, ihr zu sagen: »Ich habe sie deinetwegen verlassen!«
Sie fragt schroff: »Und wer ist sie?«
»Eine Prostituierte. Ich kannte sie von früher her. Madame mußte ich anlügen und ihr erklären, sie sei meine Verlobte gewesen.« Voller Dankbarkeit und Bedauern küsse ich sie auf die Wange.
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Draußen dröhnt der Sturm wie unaufhörliches Donnern. Abenddämmerung hängt im Zimmer, obwohl es noch nicht einmal Nachmittag ist. Ich stelle mir die Wolken vor, die sich am Himmel zu Bergen türmen, und ich denke an die sich aufbäumenden Wogen des Meeres. Als Zuchra kommt — wir haben uns seit gestern nicht mehr gesehen zündet sie das Licht an. Ich habe die ganze Zeit schmerzlich auf sie gewartet und überfalle sie nun mit der leidenschaftlichen Bitte: »Laß uns doch gehen, Zuchra!«
Sie stellt die Tasse auf den Tisch und schaut mich in bitterem Vorwurf an.
»Wir werden für immer zusammenleben, für immer!« versichere ich ihr.
»Und dann wird es keine Schwierigkeiten geben?« spottet sie.
»Die Schwierigkeiten, unter denen ich zu leiden hätte, kämen nur durch eine Ehe!« entgegne ich ihr offen, wenn auch voller Bedauern.
»Ich kann meine Liebe zu dir nur bereuen!« murmelt sie in verhaltenem Zorn.
»Sag das nicht, Zuchra«, bitte ich sie leidenschaftlich und voller Überzeugung, »du mußt mich verstehen. Ich liebe dich, und ohne die Liebe zu dir wäre mein Leben sinnlos und öde. Aber eine Heirat würde mir zahllose Schwierigkeiten familiärer und beruflicher Art bringen. Sie würde meine Zukunft gefährden, mehr noch, unser beider gemeinsames Leben in Frage stellen. Was soll ich denn nur tun?«
»Ich wußte gar nicht, daß ich so viele Katastrophen bewirken könnte!« erwidert sie, nun deutlich verärgert.
»Nicht du, sondern die Dummheit, die harten sozialen Schranken, die stinkenden Realitäten! Was soll ich denn tun?«
Ihre Augen werden schmal vor Zorn: »Ja, wirklich, was kannst du tun? Aus mir eine Frau machen wie die von gestern?«
»Zuchra, wenn du mich liebtest, so wie ich dich liebe, so verstündest du mich sehr gut!«
»Ich liebe dich«, entgegnet sie scharf, »leider kenne ich kein Mittel dagegen!«
»Die Liebe ist stärker als alles, als alles, Zuchra…«
»Aber sie ist nicht stärker als die Schwierigkeiten!« setzt sie sarkastisch dagegen.
Wir schauen uns schweigend an, ich sie fiebrig und verzweifelt, sie mich hartnäckig, wütend. Hätte ich nicht einen so starken Willen oder besser: hätte ich nicht so viel Angst, hätte ich meinen Widerstand längst aufgegeben.
Ich überlege blitzschnell und sage: »Zuchra, es gäbe einen Mittelweg, zum Beispiel die islamische Ehe, wie sie ursprünglich war.«
In ihre Augen tritt ein Fragen an die Stelle des Zorns. Ich sage, und weiß darüber im Grunde nicht mehr, als was mir dunkel in Erinnerung geblieben ist: »Ich gebe bekannt, daß ich dich nach dem Brauch Gottes und seines Propheten zur Frau nehme.«
»Ohne Trauzeugen?«
»Nur vor Gott allein!«
Sie protestiert verächtlich: »Alle um uns herum handeln, als ob es Gott gar nicht gäbe!« Dann schüttelt sie heftig den Kopf und sagt: »Nein!«
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Sie ist ungeheuer starrköpfig, nicht so weich und leicht zu nehmen, wie ich angenommen hatte. Ich bin bereit, wenn sie damit einverstanden ist, für immer mit ihr zusammenzuleben und auf eine Ehe und die Hoffnungen, die ich an sie knüpfe, zu verzichten. Ich habe schon daran gedacht, die Pension zu verlassen als ersten Schritt dazu, sie zu vergessen. Aber die Liebe zu ihr ist hartnäckig — wie sie selber — und klammert sich an mein Herz. Doch es hat kein Zerwürfnis zwischen uns gegeben. Sie hat mir die ganze Zeit zum gewohnten Termin den Tee gebracht und keinen Widerstand geleistet, wenn ich sie umarmt und geküßt habe. Ich war verblüfft, als ich sie — im Entree — über ein Lesebuch für Schüler der ersten Klasse gebeugt sitzen sah. Ungläubig blieben meine Blicke an ihr hängen. Madame saß unter dem Jungfrauenbild, und Amir Wagdi hatte es sich im Sessel bequem gemacht.