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Madame sagte lächelnd zu mir: »Da sehen Sie unsere Schülerin, Monsieur Sarhan!« Sie warf ihr einen ermutigenden Blick zu und erklärte mir: »Sie hat sich darauf mit unserer Nachbarin, der Lehrerin, geeinigt. Was meinen Sie dazu?«

Das ist wirklich ein Ereignis! Einen Augenblick lang war mir zum Lachen zumute, aber ich beherrschte mich und betonte eifrig: »Bravo, Zuchra, bravo!«

Der alte Mann schaute mich mit seinen verhangenen Augen an, und mich packte eine unerklärliche Furcht vor ihm. Ich verließ die Pension. Tatsächlich war ich tief berührt. Eine innere Stimme sagte mir, daß Gott es mir nie verzeihen würde, wenn ich die Liebe dieses Mädchens gering achtete. Aber ich konnte mich mit dem Gedanken an diese schreckliche Ehe nicht befreunden. Liebe ist ein Gefühl, dem man auf verschiedenste Weise beikommen kann. Die Ehe dagegen ist eine Institution, eine Gesellschaft wie die, in der ich als Prokurist beschäftigt bin. Sie braucht gewisse Voraussetzungen, hat ihre eigenen Gesetze und Praktiken. Wenn sie mir nicht durch die Einbindung in gute soziale Verhältnisse zu einem gewissen sozialen Aufstieg verhilft, was hat sie dann für einen Sinn? Wenn die Braut nicht wenigstens Beamtin ist, wie kann ich in diesen schwierigen, grausamen Tagen eine eigene Familie gründen, die diesen Namen verdient? Die Ursache meines Unglücks ist, daß ich ein Mädchen liebe, das die Bedingungen für eine solche Ehe nicht erfüllt. Wenn sie meine Liebe bedingungslos akzeptierte, so würde ich ihretwegen den Gedanken an eine Ehe opfern, wie sie mir seit dem Jünglingsalter vorschwebt.

»Du hast große Pläne, Zuchra!« Bei diesen Worten schaue ich sie voll Bewunderung an und sage dann bedauernd: »Aber du mutest dir sehr viel zu und vergeudest damit deinen Lohn!«

Sie steht vor mir, zwischen uns ist der Tisch, und sagt stolz: »Ich will nicht für immer unwissend bleiben!«

»Und was wird dir das Wissen nutzen?«

»Danach werde ich einen Beruf lernen. Ich will nicht für immer ein Hausmädchen bleiben!«

Ich verspüre ein schmerzhaftes Stechen in der Herzgegend, und mir schnürt sich die Kehle zusammen. Sie aber schlägt einen neuen Ton an: »Meine Verwandten waren heute da, um mich zu überreden, zu ihnen aufs Dorf zurückzukehren.«

Ich schaue sie fragend an und lächle, um meine Unruhe zu verbergen. Sie aber tut so, als sehe sie mich gar nicht, hält den Blick gesenkt.

»Und was hast du ihnen gesagt?«

»Wir sind dahin übereingekommen, daß ich Anfang des nächsten Monats zurückkehre.«

»Tatsächlich«, stoße ich beklommen hervor, »du gehst also zu dem alten Mann zurück!«

»Nein, er hat inzwischen geheiratet!« Mit leiser Stimme fährt sie fort: »Ein anderer Mann hat um mich angehalten.«

Ich greife heftig nach ihrer Hand und bitte: »Laß uns doch zusammen weggehen! Morgen, wenn du willst!«

»Wir haben uns, wie gesagt, darauf geeinigt, daß ich Anfang des Monats zurückkehre!«

»Zuchra, hast du denn ein Herz aus Stein?«

»Es ist eine Lösung ohne Schwierigkeiten!«

»Aber du liebst mich doch, Zuchra!«

»Die Liebe ist eins, und die Ehe ist etwas anderes«, wirft sie verächtlich hin, »du warst es, der mir das beigebracht hat!« Jetzt öffnen sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln und verraten sie.

»Was bist du doch für eine kleine Hexe, Zuchra«, rufe ich. Eine Woge der Freude und Erleichterung überschwemmt mich. Währenddessen tritt Madame ins Zimmer und schlürft ihren Tee aus einer Tasse, die sie in der Hand hält. Sie setzt sich auf den Bettrand und erzählt mir die Geschichte von Zuchras Angehörigen und wie sich das Mädchen geweigert hat zurückzukehren.

Hinterhältig frage ich: »Wäre es denn aber nicht das beste, wenn sie zu ihrer Familie zurückkehrt?«

Madame lächelt wie eine erfahrene Kupplerin, die um alles weiß, und betont dann: »Ihre wahren Angehörigen sind doch hier, Monsieur Sarhan!«

Ich vermeide es, ihr in die Augen zu sehen, und ignoriere den Hintersinn ihrer Worte bewußt. Aber ich vermute, daß die Motte mit diesen Neuigkeiten von einem Zimmer zum anderen flattert. Vielleicht geht ihr Verdacht ja auch viel weiter. Am Ende bin ich ganz glücklich über meine vermeintliche Eroberung. In Wirklichkeit aber hat der Starrsinn, der mir keinerlei Hoffnung gestattet, nicht einen Augenblick lang nachgelassen. Ich frage mich, wann endlich ich den Mut finde, aus der Pension auszuziehen.

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Es ist der vertraute und schon irgendwie langweilige Anblick: Madame sitzt so dicht neben dem Radio, daß man denkt, ihr Kopf werde darin verschwinden, und lauscht französischen Schlagern. Amir Wagdi spricht Zuchra einige Worte auf Hocharabisch vor. Es läutet, und Zuchras Lehrerin kommt herein: Entschuldigung, unsere Wohnung ist voller Gäste. Wenn Sie gestatten, halte ich die Lektion hier ab… Zweifellos sehr freundlich von ihr! Wir heißen sie herzlich willkommen. Sie ist hübsch, elegant und Beamtin. Ich beobachte sie, während sie Zuchra unterrichtet, und fühle mich dazu getrieben, zwischen beiden zu vergleichen, voller leidiger Erwägungen. Hier ist natürliche Schönheit, verbunden mit Armut und mangelnder Bildung. Dort ist Kultiviertheit, Eleganz, verbunden mit einer Beamtenstellung. Wenn doch Zuchras Persönlichkeit sich in einem anderen Milieu und dessen Möglichkeiten hätte entfalten können! Madame nimmt ungebeten an der Stunde teil, um ihre ewige Neugier zu befriedigen. So erfahren wir den Namen der jungen Dame, ihre familiären Verhältnisse, hören auch von ihrem Bruder, der zu einer Tätigkeit nach Saudi-Arabien delegiert wurde.

Plötzlich frage ich sie: »Wäre es vielleicht möglich, daß er uns von dort einiges schickt, was es hier nicht zu kaufen gibt?« Sie gibt zurückhaltend zur Antwort, sie werde sich erkundigen, ob das möglich sei.

Ich verlasse die Pension und gehe zum Cafe de la Paix, um mich mit dem Ingenieur Ali Bakir zu treffen.

Er schaut mich zuversichtlich an und erklärt: »Inzwischen ist klar, was wir im einzelnen zu tun haben, und der Erfolg ist ganz sicher!«

Gut, so wollen wir den Sprung zum Erfolg wagen, der unserem Erdendasein seinen Sinn und Wert geben wird!

Dann fragt mich Ali Bakir: »Ich habe Safejja Barakatim Delice getroffen. Stimmt es, daß…?«

»Dieses verdammte Weibsstück!« rufe ich widerwillig.

Er lacht und sieht mich interessiert an: »Aber hast du sie wirklich verlassen wegen…?«

»Bitte, glaub ihr nicht! Wann hat man sich je darauf verlassen können, daß sie die Wahrheit sagt?«

Er schaut noch interessierter und nachdenklicher und betont dann: »Unser Geheimnis jedenfalls ist von der Art, die man nicht einmal seiner Frau und seinem Sohn anvertraut!«

»Gott verzeihe dir! Was denkst du denn von mir?« rufe ich vorwurfsvoll.

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Ist das wunderbar, sage ich mir. Ein Blick, der der Eitelkeit jedes Mannes schmeicheln würde! Sie lächelt nicht, zuckt nicht mit der Wimper. Sie — die Lehrerin — dreht den Kopf plötzlich von Zuchra und ihrem Buch zu mir und wirft ihn mir zu, diesen Blick. Er dauert nur wenige Sekunden. Sie wirft ihn mir zu, als Zuchra und Amir Wagdi gerade nicht aufpassen. Und er dauert nur wenige Sekunden. Ich habe Dutzende wie ihn auf mir ruhen fühlen, und in mir hat sich nichts geregt. Ich habe sie für völlig nichtssagende Blicke gehalten. In ihrem Blick aber blitzt etwas nicht zu Beschreibendes flüchtig auf, und das ist, als wolle sie mir eine ganze Botschaft übermitteln. Ich habe mich daraufhin entschlossen, meine Route zu ändern, habe mich ins Cafe Miramar unmittelbar hinter die Scheibe gesetzt und beobachte nun die Wolken und warte. Ich habe kein bestimmtes Ziel. Es ist auch nicht das Gefühl der Zuneigung, das mich treibt. Es ist nur Neugier, begründet in einer gewissen Leere und Verzweiflung, Neugier auf ein Abenteuer, auf welches auch immer. Sie ist nicht der Typ, der mich fasziniert oder auch nur aufregt, aber sie hat mich, so kommt es mir vor, an einem entsetzlich langweiligen Ferientag zu einem Spaziergang eingeladen.