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»Ich selbst habe euch zusammen gesehen«, erwidert sie kurz und verächtlich.

Ich weiß, wen sie meint, und mir krampft sich das Herz zusammen. Verzweifelt frage ich: »Von wem sprichst du?«

»Von der Lehrerin!« Dann voller Haß: »Diese mannstolle Hure!«

Ich lache. Ich kann nicht anders, ich muß lachen, lachen mit der Geringschätzung, mit der wir gewöhnlich einem ungerechtfertigten Wutanfall begegnen. Ich lache und tadle sie: »Was bist du nur für eine… Zufällig habe ich deine Lehrerin getroffen und ihr…«

»Du Lügner!« unterbricht sie mich schroff. »Das war kein Zufall! Ich habe es von ihr selbst gehört!«

»Nein!« rufe ich beklommen.

»Die alte Ziege hat zugegeben, daß sie sich mit dir getroffen hat. Weder ihr Vater noch ihre Mutter waren darüber erstaunt. Wohl aber staunten sie beide über meine Neugier in dieser Hinsicht.«

Ich schweige betroffen, bin stumm.

»Warum nur hat Gott solche Feiglinge wie dich erschaffen!« stößt sie voller Zorn und Ekel hervor.

Ich muß mich geschlagen geben. Das Kartenhaus meiner Lügen ist zusammengefallen. Zutiefst unglücklich beschwöre ich sie: »Zuchra, das ist doch alles ganz grundlos! Das ist doch nur ein verzweifeltes Herumtappen! Überleg es dir noch einmal, Zuchra! Laß uns zusammen weggehen!«

Sie hört mir überhaupt nicht zu, sondern fährt fort: »Was kann ich tun? Ich habe keinerlei Recht auf dich! Du elender Mistkerl! Scher dich doch zum Teufel!« Sie spuckt mir ins Gesicht.

Ich werde wütend. Obwohl ich auf verlorenem Posten stehe, werde ich wütend. Ich schreie sie an: »Zuchra!«

Wieder spuckt sie mir ins Gesicht.

Blind vor Zorn brülle ich: »Geh, oder ich bringe dich um!«

Sie stürzt sich auf mich und schlägt mir mit erstaunlicher Kraft ins Gesicht. Rasend vor Zorn springe ich auf und packe sie fest an der Hand, aber sie entzieht sie mir mit Gewalt und schlägt mich ein zweites Mal. Ich bin um meinen Verstand gebracht und falle prügelnd über sie her. Sie schlägt mit einer Kraft zurück, die mein Fassungsvermögen übersteigt. Da eilt plötzlich Madame zu uns, in tausend Sprachen zugleich radebrechend. Sie reißt sie von mir weg, und ich schreie sie in wahnsinnigem Zorn an: »Ich bin frei! Ich heirate, wen ich will! Alejja werde ich heiraten!«

Mansur Bahi kommt und bringt mich in sein Zimmer. Ich weiß nicht mehr, worüber wir gesprochen haben, aber ich erinnere mich, daß er mich mit einer seltsamen Unverschämtheit angegriffen hat und daß auch wir uns zu prügeln begannen. Das war für mich überraschend, sehr überraschend. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, daß auch er ein Verehrer von Zuchra ist. So aber wird mir der Grund für seine seltsame Abneigung mir gegenüber klar. Madame kommt zu uns. Sie hat beschlossen, mich fallenzulassen. Die alte Kupplerin! Sie sagt, die Pension kenne keine Ruhe mehr, seitdem ich hier bin. Ich habe sie in einen barbarischen Markt für Unflätigkeiten und Prügeleien verwandelt.

Mit rücksichtsloser Offenheit fordert sie mich auf: »Suchen Sie sich eine andere Wohnung!«

Nun gibt es nichts mehr, das mich veranlassen könnte zu bleiben. Aber ich beschließe, erst am nächsten Nachmittag auszuziehen, am letzten Tag der Woche, für die ich die Miete im voraus bezahlt habe. Es sind zuerst und zuletzt meine Starrköpfigkeit und mein Stolz, die mich dazu treiben.

Ich verlasse die Pension und irre lange unter einem wolkenbedeckten Himmel umher, lasse mich von pausenlosen kalten Windböen schütteln. Ein wenig Trost finde ich schließlich in den Auslagen der Läden, die vor Neujahrsgeschenken nur so glitzern. Müde schaue ich auf den guten alten Weihnachtsmann.

Dann gehe ich zum Pedro zu einer Verabredung mit dem Ingenieur Ali Bakir, die ich schon vorher getroffen hatte.

»Hast du die Geldanweisungen erledigt?« fragt er mich.

Da ich bejahe, sagt er: »Morgen in aller Frühe… Morgen in aller Frühe geht's los!«

Während ich am nächsten Morgen zur Gesellschaft gehe, spreche ich mir Mut zu: »Die erste Morgenfrühe ist vorbei. So ist das Spiel gelaufen!«

Ich bin unruhig, begierig auf Neuigkeiten. Ich telefoniere mit der Fabrik und verlange Ali Bakir. Man sagt mir, er mache seine Runde. So ist also der Plan gut und erfolgreich realisiert, und er erledigt jetzt gerade seinen alltäglichen Routinegang! Trotzdem bin ich unruhig und breche unter irgendeinem Vorwand vorzeitig auf. Als ich am Rundfunkgebäude vorbeigehe, sehe ich Mansur Bahi und ein hübsches Mädchen herauskommen. Wer sie wohl ist? Seine Verlobte? Seine Geliebte? Ist Zuchra wieder abgehalftert? An Zuchra denke ich voller Wehmut. Die Liebe zu ihr hat mich immer noch nicht ganz verlassen. Das war das einzige aufrichtige Gefühl in meinem von so vielen Begierden geplagten Herzen.

Ich mache mich auf, Alejja Mohammed zu besuchen, werde aber sehr lau, ja ausgesprochen unfreundlich aufgenommen. Ich will wie sonst einige Lügenmärchen auftischen, aber ihr Vater sagt ärgerlich: »Stellen Sie sich doch unsere Lage vor, als dieses Dienstmädchen uns zur Rede stellte!«

Die Mittagszeit kommt, aber ich werde nicht eingeladen. Ich verlasse die Wohnung ohne Hoffnung darauf, daß sich das zerbrochene Porzellan kitten läßt. Tatsache ist, daß ich mich auch nicht allzu sehr darum bemüht habe. Nur noch wenige Stunden trennen mich vom Reichtum. Und dann werde ich mit Sicherheit die geeignete Ehefrau finden, eine Frau, mit der ich Ehre einlegen kann!

Bei Panioti — oder besser bei Machmud Abul-Abbas — esse ich zu Mittag. Dann gehe ich zur Wohnung von Ali Bakir, treffe ihn aber nicht an. Brennend vor Begier auf Neuigkeiten begebe ich mich in die Pension. Ich packe meinen Koffer und bringe ihn ins Entree. Dann rufe ich Ali Bakir an und bin ungeheuer erleichtert, als ich ihn »Hallo!« sagen höre.

»Hier ist Sarhan! Guten Tag! Wie steht's?«

»Alles in Ordnung! Nur den Fahrer habe ich noch nicht getroffen!«

»Wann werden wir endgültig erfahren, wie die Dinge stehen?«

»Komm heute abend um acht Uhr ins Casino Pelikan!«

»Gut, also heute abend um acht Uhr. Ich erwarte dich im Pelikan!« entgegne ich ungeduldig. »Auf Wiedersehen!«

»Auf Wiedersehen!«

Von der Pension Miramar siedle ich in die Pension Eva über. Ich schlendere von einem Cafe zum anderen, trinke hier ein Glas und dort, gebe planlos mein Geld aus. Mit Alkohol betäube ich meine Unruhe. In ihm suche ich meine sterbende Liebe zu ertränken. Meinen Angehörigen verheiße ich in Gedanken einen Wohlstand, von dem sie seit dem Tod meines Vaters nicht mehr träumen konnten. Kurz vor der verabredeten Zeit begebe ich mich ins Casino Pelikan. Am Eingang treffe ich Tolba Marzuq, der mir äußerst ungelegen kommt. Aber ich schüttle ihm die Hand und gebe mich freudig überrascht.

»Was führt Sie denn hierher?« fragt er mich.

»Eine wichtige Verabredung!«

»Bitte, ich möchte Ihnen nichts schuldig bleiben. Wir wollen uns zusammensetzen, bis Ihr Freund kommt!«

Wir setzen uns in den Wintergarten, und er fragt mich mit seiner hohlen Stimme: »Cognac?« Ich bin zwar schon betrunken, habe aber Lust auf noch mehr Alkohol. Wir trinken, reden und lachen miteinander.

Dann fragt er mich: »Glauben Sie, daß man mich nach Kuwait zu meiner Tochter fahren läßt?«

»Ich glaube schon. Wollen Sie von vorn beginnen?«

»Nein, aber mein Schwiegersohn — er ist auch mein Neffe — hat dort große Reichtümer gemacht.«

»Wollen Sie vielleicht auswandern?«

In seine Augen tritt ein vorsichtiger Blick, als er entgegnet: »Aber nein, ich will nur meine Tochter besuchen!«

Ich neige mich zu ihm hinüber und frage: »Wollen Sie einen echten Trost?«

»Und der wäre?«

»Es gibt Leute, die die Revolution satt haben. Aber welches System könnte denn an ihre Stelle treten? So intensiv Sie auch darüber nachdenken: Es gibt als Alternative nur die Kommunisten oder die Muslimbrüder. Wen von beiden hätten sie lieber anstelle der Revolution?«