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Am 26. September, nach absurden, aber durchaus üblichen Verzögerungen in der Regierungsbürokratie und der Bundesbehörde, kam ein Team von sechs FBI-Agenten -darunter drei Männer von der wissenschaftlichen Ermitt-lungskomission - zehn Tage lang ins malerische Moonlight Cove. Sie verhörten Polizeibeamte, untersuchten die Unterlagen von Polizei und vom Gerichtsmediziner, nahmen Zeugenaussagen von Leuten auf, die in der Nacht des 5. September im Perez Family-Restaurant gewesen waren, stöberten im Wrack des Chevy auf dem Schrottplatz herum und suchten nach den spärlichen verbliebenen Spuren an der Unfallstelle selbst. Da Moonlight Cove nicht über Landwirtschaft verfügte, konnten sie niemanden finden, den die Belange der Farmarbeitergewerkschaft interessiert oder gar erbost haben könnten, wodurch niemand mehr übrigblieb, der ein Motiv gehabt haben konnte, Organisatoren der Ge -werkschaften zu ermorden.

Sie hatten während der gesamten Ermittlungen die volle und herzliche Unterstützung der hiesigen Polizei und des Gerichtsmediziners. Loman Watkins und seine Leute gingen sogar so weit, sich freiwillig Lügendetektortests zu unterziehen, und alle kamen ohne einen Verdacht auf Täuschungsmanöver durch. Auch der Gerichtsmediziner unterzog sich dem Test und erwies sich als Mann unerschütterlicher Ehrlichkeit.

Trotzdem stank etwas an der Sache zum Himmel.

Die hiesigen Behörden waren beinahe zu eifrig darauf bedacht zu helfen. Und alle sechs FBI-Agenten hatten den Eindruck, als wären sie Gegenstand von Hohn und Spott, wenn sie den Leuten den Rücken zukehrten - obwohl sie keinen der Polizisten je auch nur eine Braue hochziehen, grinsen oder mit einem Kollegen einen vielsagenden Blick wechseln sahen. Man konnte es Bureau-Instinkt nennen, und der war, wie Sam wußte, so verläßlich wie der eines Tieres in der Wildnis.

Und dann mußten auch die anderen Todesfälle in die Überlegungen mit einbezogen werden.

Als sie den Fall Sanchez-Bustamente untersuchten, hatten die Agenten die Unterlagen von Polizei und Gerichtsmedizin der vergangenen Jahre durchgesehen, um festzustellen, mit welchen Routineprozeduren plötzliche Todesfälle - infolge von Unfällen oder sonstwie - in Moonlight Cove behandelt wurden, um herauszufinden, ob die hiesigen Behörden diesen jüngsten Fall anders als die vorherigen behandelt hatten, was auf Komplizenschaft der Polizei bei einer möglichen Vertuschung hätte schließen lassen. Was sie herausfanden, war verwirrend und beunruhigend - aber nicht das, was sie zu finden erwartet hatten. Abgesehen von einem einzigen spektakulären Autounfall, in den ein Teenager mit einem tüchtig aufgemotzten Dodge verwickelt war, war Moonlight Cove ein einzigartig sicherer Wohnort. Die Bewohner waren nie von gewaltsamen Todesfällen heimgesucht worden - bis zum 28. August, acht Tage vor dem Tod von Sanchez und Bustamente, als in den öffentlichen Unterlagen eine ungewöhnliche Serie von Todesfällen auftauchte.

Die vier Angehörigen der Familie Mayser waren in den frühen Morgenstunden des 28. August die ersten Opfer: Me-linda, John und deren Kinder Carrie und Billy. Sie starben bei einem Hausbrand, den die Behörden später Billy zuschoben, der angeblich mit Streichhölzern gespielt hatte. Die vier Leichen wiren so sehr verbrannt, daß man sie lediglich anhand zahnärztlicher Unterlagen identifizieren konnte.

Sam hatte die erste Flasche Guinness leergetrunken und griff nach der zweiten, zögerte aber. Er mußte heute abend noch Arbeit erledigen. Wenn er besonders düsterer Stirn-mung war und anfing, Bier zu trinken, konnte er manchmal nicht mehr aufhören, bis er sich fast bewußtlos betrunken hatte.

Sam hielt sich zum Trost an der leeren Flasche fest und überlegte sich, warum ein Junge, der ein Feuer gelegt hatte, nicht um Hilfe rief und seine Eltern weckte, wenn er sah, daß das Feuer außer Kontrolle geriet. Warum lief der Junge nicht weg, bevor der Rauch ihn betäubt hatte? Und was für eine Art Feuer, wenn nicht eines, das mit Benzin oder einer anderen brennbaren Flüssigkeit unterstützt wurde (und davon stand nichts in den offiziellen Unterlagen), griff so schnell um sich, daß niemand von der Familie entkommen konnte, und verwandelte das Haus - und die Leute darin - zu Asche, bevor die Feuerwehr kommen und löschen konnte.

Wieder sehr hübsch. Die Leichen waren so sehr verbrannt, daß keine Autopsie hätte feststellen können, ob das Feuer nicht von Billy, sondern von jemandem, der die wahre Todesursache verheimlichen wollte, gelegt worden war. Auf Anraten des Bestattungsunternehmers - dem Callans Bestattungsinstitut gehörte und der ebenfalls gerichtsmedizinischer Assistent und daher Verdächtiger bei allen offiziellen Vertuschungsmanövern war - hatte die nächste Anverwandte der Mayers, Melinda Mayers Mutter, die Einäscherung der sterblichen Überreste genehmigt. Damit wurden alle möglichen Beweise vernichtet, die das ursprüngliche Feuer nicht vernichtet hatte.

»Wie geschickt«, sagte Sam laut und legte die Füße auf den anderen Stuhl. »Wie ungemein geschickt und sauber.« Opfer: vier.

Dann am 5. September die Bustamentes und Sanchez. Wieder ein Feuer. Gefolgt von einer überschnellen Einäscherung.

Opfer: sieben.

Am 7. September, als verdampfte Überreste der Busta-mentes und von Sanchez noch in der Luft über Moonlight Cove hätten sein können, ließ ein zwanzigjähriger Bewohner der Stadt, Jim Armes, die Man/Leandra, sein sechs Meter langes Boot, zu Wasser, um früh am Morgen zu segeln - und er wurde nie wieder gesehen. Obwohl er ein erfahrener Seemann war, obwohl der Tag klar und das Meer ruhig war, war er offenbar von einer Strömung aufs offene Meer gezogen worden, denn es wurden keine identifizierbaren Wrackteile ans Ufer gespült.

Opfer: acht.

Sechs Tage, nachdem man im Fall Bustamente-Sanchez aktiv geworden war, hatte das FBI Paula Parkins' Leichnam aus einem Grab in Denver exhumieren lassen. Eine Autopsie ergab, daß die Frau tatsächlich von zahlreichen Tieren zu Tode gebissen und zerfetzt worden war.

Sam erinnerte sich Wort für Wort an die interessantesten Stellen das Autopsieberichts:.. .aber Bißspuren, Schürfwunden, Risse in der Haut und spezielle Verletzungen an Brüsten und Geschlechtsorganen lassen sich nicht völlig mit einem Angriff von Hunden vereinbaren. Zahnmuster und Größe der Bisse passen nicht zum Zahnprofil eines durchschnittlichen Dobermanns oder eines anderen Tieres, das als aggressiv bekannt ist und einen Erwachsenen erfolgreich angreifen könnte. Später, im selben Bericht, hieß es hinsichtlich der wahren Natur von Parkins‘ Angreifern: Rasse unbekannt.

Wie war Paula Parkins wirklich gestorben?

Welches Grauen und Leid hatte sie erlebt?

Wer versuchte, Dobermänner die Schuld unterzuschieben?

Und welchen Beweis hätten die Kadaver der Dobermänner hinsichtlich der Art ihres eigenen Todes und daher der Wahrheit des Polizeiberichts bieten können?

Sam dachte an den seltsamen fernen Schrei, den er heute abend gehört hatte - wie der eines Koyoten, aber nicht von einem Koyoten; wie der einer Katze, aber nicht von einer Katze. Und er dachte auch an die unheimlichen, gepreßten Stimmen der Bande, die ihn verfolgt hatte. Irgendwie paßte das alles Zusammen. Bureau-Instinkt.

Rasse unbekannt.

Der beunruhigte Sam versuchte, seine Nerven mit Guinness zu beschwichtigen. Die Flasche war immer noch leer. Er klickte nachdenklich damit gegen die Zähne.

Sechs Tage nach Parkins‘ Tod und lange vor der Exhumie-rang in Denver fanden zwei weitere Menschen in Moonlight Cove ein unzeitiges Ende. Steve Heinz und Laure Dalcoe, die nicht verheiratet waren, aber zusammen lebten, wurden tot in ihrem Haus am Iceberry Way aufgefunden. Heinz schrieb mit der Maschine einen unverständlichen, nicht unterschriebenen Abschiedsbrief, dann erschoß er Laura im Schlaf mit einer Schrotflinte, bevor er sich selbst das Leben nahm. Dr. lan Fitzgeralds Befund lautete auf Mord-Selbstmord, Fall abgeschlossen. Auf Anraten des Gerichtsmediziners genehmigten die Familien Dalcoe und Heinz die Einäscherung der grausigen Überreste.