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Sie suchte im Handschuhfach, in den Ablagen an den Türen und unter den Sitzen, weil sie hoffte, etwas zu essen zu finden, da viele Leute Schokoriegel oder Erdnüsse oder Kekse im Auto aufbewahrten, damit sie während der Fahrt etA was zu knabbern hatten. Sie hatte zwar am Nachmittag gegessen, als sie in der Vorratskammer eingesperrt gewesen war, aber das war jetzt zehn Stunden her. Ihr Magen knurrte. Sie ging nicht davon aus, daß sie einen Eisbecher mit heißen Früchten oder ein Aspiksandwich finden würde, aber sie hatte sich doch mehr erhofft als einen einzigen Kaugummistreifen und einen grünen Verbandskasten, den sie staubig und schmutzig und voller Teppichfusseln unter dem Sitz hervorgeholt hatte.

Sie sagte, als würde sie Zeitungsschlagzeilen lesen: HUNGERTOD IM LAND DES ÜBERFLUSSES. EINE MODERNE TRAGÖDIE.

JUNGES MÄDCHEN TOT IN GARAGE AUFGEFUNDEN. >!CH WOLLTE NUR EIN PAAR ERDNÜSSE<, MIT IHREM EIGENEN BLUT GESCHRIEBEN.

Im anderen Auto fand sie zwei Schokoriegel mit Mandeln.

Danke, Gott. Deine Freundin Chrissie.

Sie schlang den ersten Riegel hinunter, aber den zweiten nahm sie in kleinen Bissen zu sich und ließ ihn auf der Zunge zergehen.

Beim Essen dachte sie über verschiedene Möglichkeiten nach, wie sie nach Moonlight Cove gelangen könnte. Als sie mit der Schokolade fertig war...

SCHOKOLADENSÜCHTIGES KLEINES MÄDCHEN STRIBT IN VERLASSENER GARAGE DEN KARIESTOD

.. .hatte sie sich einen Plan ausgedacht.

Ihre gewöhnliche Schlafenszeit lag schon Stunden zurück, und sie war erschöpft von den anstrengenden körperlichen Aktivitäten der Nacht, daher wollte sie nur hier im Auto bleiben, den Bauch voll Milchschokolade und Mandeln, und ein paar Stunden schlafen, bevor sie den Plan in die Tat umsetzte. Sie gähnte und glitt den Sitz hinunter. Ihr ganzer Körper schmerzte, ihre Augen waren so schwer, als hätte ein übereifriger Bestattungsunternehmer sie mit Münzen beschwert.

Die Vorstellung, sie wäre ein Leichnam, war so beunruhigend, daß sie auf der Stelle aus dem Auto ausstieg und die Tür schloß. Wenn sie im Auto einschliefe, würde sie wahrscheinlich erst am anderen Morgen aufwachen, wenn sie jemand fand. Vielleicht waren die Leute, denen die Autos hier in der Garage gehörten, auch verwandelt, wie ihre Eltern, in diesem Fall wäre ihr Untergang besiegelt.

Draußen zitterte sie im kalten Wind, als sie wieder zur Landstraße ging und sich nach Norden wandte. Sie kam an zwei weiteren stillen und dunklen Häusern vorbei, einem weiteren Waldstück, schließlich kam sie zu einem vierten Haus, ebenfalls ein einstöckiges Gebäude im Rancherstil mit Holzschindeln als Dach und Rotholz-Fachwerk.

Sie kannte die Leute, die hier wohnten, Mr. und Mrs. Eu-lane. Mrs. Eulane betrieb die Cafeteria in der Schule, Mr. Eu-lane war Gärtner mit vielen Kunden in Moonlight Cove. Mr. Eulane fuhr jeden Morgen sehr früh mit seinem weißen Lieferwagen, auf dessen Ladefläche er Rasenmäher und Hek-kenscheren und Rechen und Schaufeln und Säcke voll Torf und Dünger und alles andere hatte, was ein Gärtner brauchen konnte, in die Stadt; wenn er Mrs. Eulane in der Schule absetzte, waren noch nicht viele Schüler da, danach ging er zu seiner eigenen Arbeit. Chrissie dachte sich, daß sie ein Versteck hinten auf dem Wagen finden könnte, wenn sie sich zwischen Mr. Eulanes Gartengeräten und Vorräten verkroch..

Der Lieferwagen stand in der Garage der Eulanes, die unverschlossen war, wie die andere auch. Aber dies war schließlich das Land, in dem die Menschen einander noch vertrauten - das war gut, obwohl es außerirdischen Invasoren einen zusätzlichen Vorteil verschaffte.

Das einzige Fenster war klein und lag an der dem Haus gegenüberliegenden Wand, daher wagte Chrissie es, das Licht einzuschalten, als sie eintrat. Sie kletterte leise an der Seitenklappe des Lastwagens hinauf und kroch zwischen die Gartengeräte, die in den beiden hinteren Dritteln der Ladefläche, bei der Heckklappe, verstaut waren. Weiter vorne, an der Rückwand des Führerhauses, befand sich zwischen Fünfzig-Pfund-Säcken Kunstdünger, Schneckenkorn und Blumenerde ein fast einen Meter hoher Stapel zusammengelegter Jutesäcke, in denen Mr. Eulane gemähtes Gras verpackte, das zur Müllkippe mußte. Sie konnte ein paar Säcke als Matratzen und andere als Zudecke benützen und sich bis zum Morgen hinlegen, und sie konnte bis Moonlight Cove zwischen den Säcken und dem Kunstdünger versteckt bleiben.

Sie kletterte von dem Lieferwagen herunter, schaltete das Garagenlicht aus, dann tastete sie sich durch die Dunkelheit und kletterte vorsichtig wieder hinauf. Sie machte sich ein Nest in den Säcken. Die Jute kratzte etwas. Nachdem jahrelang frisch gemähtes Gras darin transportiert worden war, hatten sie den Geruch angenommen, was anfangs schön war, aber rasch stören würde. Aber wenigstens bewahrten die Sackschichten ihre Körperwärme, so daß es ihr nach wenigen Minuten zum ersten Mal in dieser Nacht richtig warm war.

Im Schutze der Dunkelheit, (dachte sie), verbarg sich die junge Chrissie, die ihren verräterischen Menschengeruch mit dem Geruch von Gras verdeckte, der in den Jutesäcken hing, auf schlaue Weise vor den Außerirdischen - oder gar Werwölfen -, deren Geruchssinn fast so gut wie der von Bluthunden war.

39

Sam suchte vorübergehend Schutz auf dem unbeleuchteten Spielplatz der Thomas Jefferson Grundschule in der Palomi-ne Street im südlichen Teil der Stadt. Er saß auf einer Schaukel, hielt sich mit beiden Händen an den Ketten fest und schaukelte sogar tatsächlich ein wenig, während er über seine Möglichkeiten nachdachte.

Er konnte Moonlight Cove nicht mit dem Auto verlassen. Sein Mietwagen stand beim Motel, wo er festgenommen werden würde, wenn er sich zeigte. Er hätte ein Auto stehlen können, aber er erinnerte sich an die Unterhaltung per Computer, als Loman Watkins Danberry befohlen hatte, die Ocean Avenue zwischen der Stadt und dem Autobahnzubringer abzusperren. Sie würden jede Fluchtmöglichkeit abgeriegelt haben.

Er konnte über Nebenstraßen fahren, sich Schritt für Schritt zur Stadtgrenze und dann durch Wald und Feld zur Autobahn vorarbeiten. Aber Watkins hatte auch gesagt, daß er Wachen um die ganze Stadt herum auf gestellt hatte, um die >Tochter der Fosters< zu erwischen. Sam vertraute zwar auf seine Instinkte und die Fähigkeit zu überleben, aber er hatte seit dem Krieg vor zwanzig Jahren keinerlei Erfahrung mehr mit Fluchtmaßnahmen in offenem Gelände gehabt. Wenn Wachen um die Stadt herum standen, um das Mädchen abzufangen, würde Sam wahrscheinlich einer direkt in die Arme laufen.

Er war zwar bereit, sich erwischen zu lassen, aber er durfte ihnen erst in die Hände fallen, wenn er einen Anruf zum Bureau durchbekommen hatte, um zu berichten und um Verstärkung zu bitten. Wenn er zu einer weiteren Zahl in der Statistik dieser Unfalltod-Hauptstadt der Welt würde, würde das FBI an seiner Stelle neue Männer schicken, und schlußendlich würde die Wahrheit ans Licht kommen, aber möglicherweise zu spät.

Während er im rasch dünner werdenden Nebel und weitgehend vom Wind angestoßen sanft hin und her schwang, dachte er über diese Pläne nach, die er auf dem Bildschirm gesehen hatte. Innerhalb der nächsten dreiundzwanzig Stunden sollte jeder in der Stadt >verwandelt< werden. Obwohl er keine Ahnung hatte, in was die Menschen verwandelt werden sollten, gefiel ihm das Wort nicht. Und er hatte das Gsfühl, wenn die Pläne erfüllt wären und jeder in Moonlight Cove verwandelt worden wäre, würde es nicht leichter sein, das Rätsel zu lösen, als eine unendliche Zahl laserverschweißter, nach Art eines chinesischen Puzzles zusammengesetzter Titankisten aufzubrechen.

Okay, als erstes müßte er also ein Telefon finden und das FBI anrufen. Die Telefone in Moonlight Cove wurden überwacht, aber es war ihm einerlei, ob der Anruf bei der Computerroutineuntersuchung entdeckt oder sogar Wort für Wort aufgezeichnet werden würde. Er brauchte nur dreißig Sekunden oder eine Minute Zeit, um mit dem Bureau zu sprechen, dann würde zahlenmäßig starke Hilfe geschickt werden. Dann mußte er nur noch in Bewegung bleiben und die Polizei ein paar Stunden abhängen, bis die Agenten einträfen.