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Grace zog ihn ins Bett.

Er wollte nicht. Er konnte sich nicht weigern. Konnte sich buchstäblich nicht weigern.

Sie zog schwer atmend und vor Erregung zitternd an seiner Kleidung und stieg auf ihn. Sie gab seltsame, unartikulierte Laute von sich.

Lomans Erregung kam ihrer gleich und stieg weiter, und er stieß gegen sie, in sie, verlor jegliches Gefühl für Zeit und Ort, existierte nur noch, um das Feuer in seinen Lenden zu schüren, unbarmherzig zu schüren, bis es zu unerträglicher Hitze wurde, Hitze, Reibung und Hitze, feucht und heiß, Hitze, er schürte die Hitze bis zum Brennpunkt, an dem sein ganzer Körper zu lodern anfangen würde. Er veränderte die Stellung, nagelte sie fest, hämmerte sich in sie, in sie, in, in, zog sie so heftig an sich, daß er ihr weh tun mußte, aber das war ihm einerlei. Sie ergriff ihn und krallte sich an ihn, ihre Fingernägel gruben sich in seine Arme, ließen Blut fließen, und er riß an ihr, riß ebenfalls, weil ihn das Blut erregte, der Geruch des Blutes, des süßen Blutes, so erregend, Blut, und es machte nichts, daß sie einander verletzten, denn es waren oberflächliche Wunden, die innerhalb von Sekunden heilen würden, da sie Neue Menschen waren; ihre Körper waren effizient; Blut floß kurz, dann schlössen sich die Wunden, und sie krallten erneut, erneut. Was er wirklich wollte - was sie beide wollten -, war: sich gehen lassen, sich dem wilden Geist im Inneren ergeben, sämtliche Hemmungen der Zivilisation abstreifen, einschließlich des Hindernisses der höheren menschlichen Gestalt, wild werden, Amok laufen, sich ergeben, regressiv werden, denn dann würde Sex noch mehr Kitzel bieten, noch reineren Kitzel; sich gehenlassen, dann würde die Leere gefüllt werden; sie würden Erfüllung finden, und wenn der Sex vorbei wäre, könnten sie zusammen jagen, jagen und töten, still und geschwind, anmutig und geschwind, beißen reißen, tief und fest zubeißen, jagen und töten, Sperma und dann Blut, süßes, wohlriechendes Blut...

Loman war eine Zeitlang desorientiert.

Als er wieder ein Gefühl für Zeit und Ort hatte, sah er zuerst zur Tür und stellte fest, daß sie offen war; Denny hätte sie sehen können, wenn er den Flur entlang gekommen wäre - hatte sie wahrscheinlich gesehen -, aber Loman war es einerlei, ob sie gesehen oder gehört worden waren. Scham und Sittsamkeit waren zwei Opfer der Verwandlung.

Als er sich der Welt um ihn herum wieder voll bewußt wurde, stahl sich Angst in sein Herz, und er berührte sich rasch selbst - Gesicht, Arme, Brust, Beine -, um sich zu ver-gewissem, daß er in keiner Weise anders war, als er sein sollte. Beim Sex wuchs das Wilde in ihm, und manchmal glaubte er, daß er sich wirklich verwandelte, regressiv wurde, wenn der Orgasmus näherrückte, und sei es auch nur ein wenig regressiv. Aber wenn er wieder zu sich kam, hatte er bisher noch keinen Beweis dafür gefunden.

Aber diesmal war er blutverschmiert.

Er schaltete die Nachttischlampe ein.

»Mach das Licht aus«, sagte Grace sofort.

Aber nicht einmal seine gesteigerte Nachsicht genügte ihm. Er wollte sie genau ansehen, um festzustellen, ob sie irgendwie... anders war.

Sie war nicht regressiv geworden. Und wenn doch, war sie bereits wieder in die höhere Gestalt zurückgekehrt. Ihr Körper war blutverschmiert, ein paar Schwellungen waren zu sehen, wo er sie verletzt hatte und noch nicht wieder alles verheilt war.

Er schaltete das Licht aus und setzte sich auf die Bettkante.

Da die regenerierende Kraft ihrer Körper durch die Verwandlung enorm verbessert worden war, heilten oberflächliche Schnitte und Kratzer innerhalb von Minuten; man konnte richtiggehend zusehen, wie das Fleisch seine Wunden ausmerzte. Sie waren jetzt nicht mehr anfällig für Krankheiten, das Immunsystem war so aggressiv geworden, daß den meisten Viren oder Bakterien gar nicht genügend Zeit blieb, sich zu vermehren. Siaddack glaubte, daß sich auch ihre Lebenserwartung gesteigert hätte, vielleicht könnten sie Jahrhunderte alt werden.

Sie konnten selbstverständlich getötet werden, aber nur von Verletzungen, die das Herz zerrissen, das Gehirn zerschmetterten oder die Lunge vernichteten und so den Zustrom von Sauerstoff zum Gehirn unterbanden. Würde eine Vene oder Arterie aufgerissen, würde die Blutzufuhr dahin in den paar Minuten, die zum Verheilen erforderlich waren, drastisch gesenkt. Würde ein lebenswichtiges Organ verletzt, abgesehen von Herz, Gehirn oder Lunge, könnte der Körper stundenlang weiter funktionieren, während hastige Regenerierungsmaßnahmen stattfänden. Sie waren noch nicht so zuverlässig wie Maschinen, denn Maschinen konnten nicht sterben; mit den richtigen Ersatzteilen konnte eine Maschine sogar wieder aus Trümmern aufgebaut und zum Funktionieren gebracht werden; aber sie waren diesem Maß körperlicher Beständigkeit näher, als jemand außerhalb von Moonlight Cove es für möglich gehalten haben würde.

Jahrhunderte leben...

Manchmal dachte Loman darüber nach.

Jahrhunderte leben, und nur Angst und körperliche Emp -findungen zu kennen...

Er stand vom Bett auf, ging nach nebenan ins Bad und duschte rasch, um das Blut zu entfernen.

Er konnte sich im Spiegel nicht in die Augen sehen.

Als er wieder im Schlafzimmer war, zog er, ohne das Licht anzumachen, eine frische Uniform an, die er aus dem Schrank holte.

Grace lag immer noch auf dem Bett.

Sie sagte: »Wenn ich nur schlafen könnte.«

Er spürte, daß sie immer noch still weinte.

Als er aus dem Zimmer ging, machte er die Tür hinter sich zu.

49

Sie versammelten sich in der Küche, was Tessa gefiel, weil zu ihren glücklichsten Kindheitserinnerungen Familienkonferenzen und Schwätzchen in der Küche ihres Hauses in San Diego gehörten. Die Küche war das Herz des Hauses und in gewisser Weise das Herz der Familie. Irgendwie wurden die größten Probleme bedeutungslos, wenn man sich in einer Küche darüber unterhielt, die nach Kaffee und heißer Scho-kolade roch, und an einem Stück selbstgebackenen Kuchen knabberte. In einer Küche fühlte man sich sicher.

Harry Talbots Küche war groß, denn sie war umgebaut worden, damit sie den Erfordernissen eines Mannes im Rollstuhl genügte; daher bot sie jede Menge Platz zwischen der Kochinsel in der Mitte, die nieder gebaut war - wie die Theken entlang der Wände -, damit man sie aus der sitzenden Haltung erreichen konnte. Ansonsten war es eine Küche wie viele andere: Schränke, die in einem angenehmen cremefarbenen Ton gestrichen waren; hellgelbe Keramikfliesen; ein leise summender Kühlschrank. Die Jalousien der Fenster ließen sich mit einem Knopf an einer der Arbeitsplatten elektrisch bedienen, und Harry ließ sie herunter.

Nachdem sie versucht hatten zu telefonieren und feststellen mußten, daß die Leitung tot war, daß nicht nur die Münzfernsprecher, sondern das gesamte Telefonnetz der Stadt lahmgelegt worden war, setzten sich Sam und Tessa gemäß Harrys Wunsch an einen runden Tisch in der Ecke, während Harry mit einer Mr.-Coffee-Maschine einen guten kolumbianischen Kaffee machte. »Sie sehen aus, als würden Sie frieren«, sagte er. »Das wird Ihnen gut tun.«

Tessa, die fror und müde war und das Koffein brauchte, lehnte das Angebot nicht ab. Tatsächlich faszinierte es sie, wir Harry sich trotz seiner schweren Behinderung so gut zu helfen wußte, daß er für unerwartete Besucher den großzügigen Gastgeber spielen konnte.

Er holte mit seiner gesunden Hand und ein paar raffinierten Bewegungen eine Packung Apfel-Zimt-Brötchen aus dem Brotkasten, einen halben Schokoladenkuchen aus dem Kühlschrank, Teller und Gabeln und Papierservietten. Als Sam und Tessa ihre Hilfe anboten, lehnte er das Angebot mit einem Lächeln ab.

Sie spürte, daß er nicht versuchte, ihnen oder sich selbst etwas zu beweisen. Es machte ihm einfach Spaß, Gesellschaft zu haben, selbst zu dieser Stunde und unter diesen bizarren Umständen. Vielleicht war es ein seltenes Ereignis.