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Der Eingang raschelte, dann wurde er zur Seite geschlagen. Das Tageslicht fiel grell in Galads Augen, aber er blinzelte nicht. Er zuckte nicht zusammen.

Silhouetten bewegten sich vor dem bewölkten Himmel. Sie zögerten, von hinten angeleuchtet. Sie waren überrascht, ihn stehen zu sehen, das konnte er erkennen.

»Beim Licht!«, rief einer aus. »Damodred, wie könnt Ihr wach sein?« Unerwarteterweise war die Stimme vertraut.

»Trom?«, fragte Galad mit krächzender Stimme.

Männer drängten ins Zelt. Als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnten, erkannte Galad den stämmigen Trom, der von Bornhaid und Byar begleitet wurde. Trom fummelte an einem Schlüsselbund herum.

»Halt!«, sagte Galad. »Ich habe Euch dreien einen Befehl gegeben. Bornhaid, da ist Blut an Eurem Umhang! Ich befahl Euch, keinen Versuch zu unternehmen, mich zu befreien!«

»Eure Männer haben ihre Befehle befolgt, Damodred«, sagte eine neue Stimme. Galad drehte den Kopf und sah drei weitere Männer eintreten: Berab Golever, hochgewachsen und bärtig; Alaabar Harnesh, an dessen kahlen Kopf das linke Ohr fehlte; Brandel Vordarian, ein blonder Hüne von Mann, der aus Galads Heimat Andor kam. Alle drei waren Lordhauptmänner, alle drei hatten auf Asunawas Seite gestanden.

»Was hat das zu bedeuten?«, wollte Galad wissen.

Harnesh öffnete einen Sack und kippte etwas Rundliches auf den Zeltboden. Einen Kopf.

Asunawa.

Alle drei Männer zogen die Schwerter und gingen vor Galad auf die Knie, stachen die Klingenspitzen in die Plane. Trom schloss die Fesseln um Galads Füße auf.

»Ich verstehe«, sagte Galad. »Ihr habt Eure Schwerter gegen Eure Kameraden gerichtet.«

»Was hätten wir Eurer Meinung nach sonst tun sollen?«, fragte Brandel und schaute aus der knienden Position auf.

Galad schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht habt Ihr recht; ich sollte Euch wegen dieser Entscheidung nicht schelten. Möglicherweise war es die einzige, die Ihr treffen konntet. Aber warum habt Ihr Eure Meinung geändert?«

»In weniger als einem halben Jahr haben wir zwei Kommandierende Lordhauptmänner verloren«, sagte Harnesh mit rauer Stimme. »Die Festung des Lichts ist ein Spielplatz für die Seanchaner geworden. Die Welt ist ein Chaos.«

»Trotzdem hat uns Asunawa den weiten Weg bis hierher marschieren lassen, damit wir gegen unsere Mitkinder kämpfen«, fuhr Golever fort. »Das war nicht richtig, Damodred. Wir haben alle erlebt, wie vorbildlich Ihr Euch verhalten habt, wir haben alle erlebt, wie Ihr uns daran gehindert habt, einander zu töten. Angesichts dessen, und da der Hochinquisitor einen Mann als Schattenfreund bezeichnete, von dem wir alle wussten, dass er ein Ehrenmann ist… Nun, wie konnten wir uns da nicht gegen ihn stellen?«

Galad nickte. »Ihr akzeptiert mich als Kommandierenden Lordhauptmann?«

Die drei Männer senkten die Köpfe. »Alle Lordhauptmänner sind für Euch«, sagte Golever. »Wir waren gezwungen, ein Drittel derjenigen zu töten, die den roten Hirtenstab der Hand des Lichts trugen. Andere haben sich uns angeschlossen; einige versuchten zu fliehen. Die Amadicianer haben sich nicht eingemischt, und viele von ihnen haben gesagt, sich lieber uns anschließen zu wollen, als zu den Seanchanern zurückzukehren. Wir bewachen den Rest der Amadicianer und die Zweifler, die fliehen wollten, mit gezückten Schwertern.«

»Lasst die ziehen, die gehen wollen«, sagte Galad. »Sie dürfen zu ihren Familien und ihren Herren zurückkehren. Bis sie die Seanchaner erreicht haben, sind wir außerhalb ihrer Reichweite.«

Die Männer nickten.

»Ich akzeptiere euren Treueschwur«, sagte Galad. »Holt die anderen Lordhauptmänner zusammen, und bringt mir die Ausrüstungslisten. Brecht das Lager ab. Wir marschieren nach Andor.«

Keiner von ihnen stellte die Frage, ob er Ruhe brauchte, auch wenn Trom beunruhigt aussah. Galad nahm das weiße Gewand entgegen, das ein Kind ihm brachte, dann setzte er sich auf einen eilig gebrachten Stuhl, während ein anderer Mann – Kind Candeiar, ein erfahrener Feldscher – eintrat, um seine Verletzungen zu untersuchen.

Galad fühlte sich weder klug noch stark genug, um den Titel zu tragen, den man ihm verliehen hatte. Aber die Kinder hatten ihre Entscheidung getroffen.

Das Licht würde sie deswegen beschützen.

3

Der Zorn der Amyrlin

Egwene schwebte in Dunkelheit. Sie verfügte weder über Konturen noch Stofflichkeit. Vor ihr erstreckten sich die Gedanken, Vorstellungen, Sorgen, Hoffnungen und Ideen der ganzen Welt in die Ewigkeit.

Das war der Ort zwischen den Träumen und der wachen Welt, eine Dunkelheit gefüllt mit Abertausenden stecknadelkopfgroßen Lichtern, von denen jedes intensiver und kompakter als die Sterne am Himmel war. Das waren Träume, und sie hätte in jeden hineinschauen können, unterließ es aber. Die, die sie sehen wollte, waren mit Abwehrgeweben geschützt, und die meisten anderen blieben ihr unverständlich.

Da gab es einen Traum, in den sie sehnsüchtig hineinschlüpfen wollte. Sie beherrschte sich. Auch wenn ihre Gefühle für Gawyn noch immer stark waren, war ihre Meinung über ihn nicht mehr so eindeutig. Sich in seinen Träumen zu verlieren würde nicht helfen.

Sie drehte sich um und musterte den endlosen Raum. Seit Kurzem kam sie her, um zu schweben und nachzudenken. Die Träume der hier versammelten Menschen – einige aus ihrer Welt, andere aus deren Schatten – erinnerten sie daran, warum sie kämpfte. Niemals durfte sie vergessen, dass es außerhalb der Mauern der Weißen Burg eine ganze Welt gab. Die Aes Sedai existierten nur, um dieser Welt zu dienen.

Zeit verging, während sie im Licht der Träume badete. Schließlich zwang sie sich zu einer Bewegung und lokalisierte einen Traum, den sie erkannte – auch wenn sie nicht genau wusste, wie sie das machte. Der Traum kam auf sie zu und füllte ihr Blickfeld.

Sie berührte den Traum mit ihrem Willen und sandte einen Gedanken hinein. Nynaeve. Es ist Zeit, damit aufzuhören, mich zu meiden. Es wartet Arbeit auf uns, und ich habe Neuigkeiten für dich. Triff mich in zwei Nächten im Saal der Burg. Kommst du nicht, werde ich gezwungen sein, Maßnahmen zu ergreifen. Deine Spielchen gefährden uns alle.

Der Traum schien zu erbeben, und Egwene zog sich zurück, als er verschwand. Mit Elayne hatte sie bereits gesprochen. Diese beiden waren lose Fäden; sie mussten unbedingt zur Stola erhoben werden und die Eide leisten.

Darüber hinaus brauchte Egwene Informationen von Nynaeve. Hoffentlich würde die mit versprochenen Neuigkeiten gemischte Drohung sie herbringen. Und diese Neuigkeiten waren wichtig. Die Weiße Burg war endlich geeint, der Amyrlin-Sitz war gesichert, Elaida war von den Seanchanern gefangen genommen.

Winzige strahlende Traumpunkte rasten an Egwene vorbei. Sie dachte darüber nach, die Weisen Frau?n zu erreichen, entschied sich dann aber dagegen. Wie sollte sie mit ihnen verfahren? Zunächst einmal durfte man bei ihnen nicht den Eindruck erwecken, dass man mit ihnen »verfuhr«. Ihr Plan für sie stand noch nicht fest.

Sie ließ sich zurück in ihren Körper sinken, damit zufrieden, den Rest der Nacht mit ihren eigenen Träumen zu verbringen. Hier konnte sie die Vorstellung von Gawyns Besuch nicht aussperren, und das wollte sie auch nicht. Sie trat in ihren Traum und in seine Umarmung. Sie standen in einem kleinen Zimmer mit Steinwänden, das wie ihr Arbeitsgemach in der Weißen Burg geschnitten war, jedoch die gleiche Ausstattung wie der Gemeinschaftsraum in der Schenke ihres Vaters aufwies. Gawyn trug die robuste Wolle aus den Zwei Flüssen und hatte auf sein Schwert verzichtet. Ein einfacheres Leben. Es war ihr verwehrt, aber man durfte ja träumen …

Alles erbebte. Der Raum aus Vergangenheit und Gegenwart schien zu zerbersten und zu wirbelndem Rauch zerfetzt zu werden. Egwene tat keuchend einen Schritt zurück, als Gawyn wie eine Gestalt aus Sand auseinandergerissen wurde. Alles um sie herum war nur noch Staub, und in der Ferne erhoben sich dreizehn schwarze Türme unter einem teerdunklen Himmel.