Mat fluchte und entzündete eine Nachtblume mit einem Zündholz, dann warf er sie über die Schulter. Die drei Männer hasteten in den nächsten Raum und verließen ihn sofort durch den Durchgang auf der anderen Seite.
»Ich weiß nicht, in welche Richtung wir gehen sollen, mein Junge«, sagte Thom. Er klang so atemlos! »Wir haben uns verirrt.«
»Ich habe die Wege nach dem Zufallsprinzip ausgesucht!«, erwiderte Mat.
»Aber du kannst nicht zurückgehen«, sagte Thom. »Das ist vermutlich die Richtung, in die uns das Glück führen würde!«
Die Nachtblume explodierte, und ihr Donnern hallte durch die Korridore. Es war bei weitem nicht so laut wie der Zylinder. Mat riskierte einen Blick über die Schulter und sah Rauch und Funken in den Tunnel fliegen. Das Feuer enthüllte die Aelfinn, aber schon bald schoben sich die mutigeren Angehörigen der Gruppe durch den Rauch.
»Vielleicht können wir ja verhandeln«, keuchte Thom.
»Sie sehen zu zornig aus«, meinte Noal.
»Mat«, sagte Thom, »du hast doch erwähnt, dass sie über dein Auge Bescheid wussten. Sie haben eine Frage darüber beantwortet. «
»Sie haben mir gesagt, dass ich verdammt noch mal die Hälfte des Lichts der Welt aufgeben müsste«, erwiderte Mat, dessen Schädel noch immer dröhnte. »Ich wollte es gar nicht wissen, aber sie sagten es mir trotzdem.«
»Was sagten sie sonst noch?«, verlangte Thom zu wissen. »Könnte ein Hinweis dabei sein? Wie bist du das letzte Mal hier rausgekommen?«
» Sie warfen mich hinaus.«
Sie kamen zum nächsten Raum – kein Dreieckstor -, dann liefen sie in den linken Durchgang. Vermutlich stimmte, was Thom zuvor gesagt hatte. Vermutlich mussten sie wieder in die entgegengesetzte Richtung. Aber das konnten sie nicht, wenn ihnen das Schlangennest so dicht auf den Fersen war!
» Sie warfen mich durch den Türrahmen im Aelfinn-Reich «, sagte Mat, dem langsam die Luft ausging. »Er führte in den Keller vom Stein von Tear.«
»Vielleicht können wir ja den finden!«, sagte Thom. »Dein Glück, Mat. Es soll uns ins Reich der Aelfinn bringen.«
Das konnte funktionieren. »Also gut«, sagte er, schloss das Auge und drehte sich.
Er zeigte in eine Richtung und öffnete das Auge. Er zeigte direkt auf den Gang mit den Aelfinn, die ihnen entgegenschlängelten.
»Verdammte Asche!«, fluchte er, wandte sich ab und lief vor ihnen weg, wählte blindlings einen anderen Korridor.
Thom schloss sich ihm an, aber er sah erschöpft aus. Mat hätte ihm Moiraine eine Weile abnehmen können, aber Thom würde so müde sein, dass er nicht kämpfen konnte. Die Aelfinn würden sie hetzen, bis sie nicht mehr konnten, genau wie sie es vor Jahrhunderten bei Birgitte getan hatten.
Im nächsten Raum blieb Thom stolpernd stehen und krümmte sich zusammen, obwohl er Moiraine noch immer hielt. Wie alle Gemächer hatte auch dieses vier Türdurchgänge. Aber der einzige Weg, der funktioniert hätte, führte direkt zu den Aelfinn. Der Weg, den sie nicht nehmen konnten.
»Dieses Spiel ist nicht zu gewinnen«, sagte Thom keuchend. »Selbst wenn wir betrügen, das ist nicht zu gewinnen. «
»Thom …«, sagte Mat drängend. Er reichte dem Gaukler den Ashandarei, dann nahm er Moiraine. Sie war so leicht. Was gut war, da Thom sonst niemals so lange hätte durchhalten können, wie er es getan hatte.
Noal sah sie an, dann schaute er zurück in den Korridor. Die Aelfinn würden gleich da sein. Noal erwiderte Mats Blick. »Gebt mir Euer Bündel. Ich brauche diese Nachtblumen.«
»Aber…«
»Keine Widerrede!«, sagte Noal. Er eilte herbei und schnappte sich eine Nachtblume. Sie hatte eine sehr kurze Zündschnur. Er zündete sie an und warf sie in den Korridor. Die Aelfinn waren nahe genug, dass Mat sie brüllen und zischen hören konnte, als sie den Funken erblickten.
Es donnerte, Funken flogen aus dem Gang und erhellten den dunklen Raum. Dampfsäulen tänzelten ruckartig vor den Flammen zurück. Die Luft roch stark nach Rauch und Schwefel. Beim Licht, seine Augenhöhle pochte wieder.
»Jetzt, Mat«, sagte Noal. Mats Ohren dröhnten noch immer von dem Knall. »Das Bündel.«
»Was habt Ihr vor?«, fragte Mat misstrauisch, als Noal die letzte Nachtblume herausfischte.
»Ihr seht es doch, Mat«, sagte Noal. »Wir brauchen mehr Zeit. Ihr müsst einen ordentlichen Vorsprung vor diesen Nattern bekommen, damit Ihr ein paarmal den Weg zurücklaufen könnt, Euch von Eurem Glück hier herausholen lasst.«
Noal wies auf einen der Gänge. »Diese Korridore sind schmal. Gute Abwehrstellungen. Ein Mann könnte hier stehen und nur gegen einen oder zwei kämpfen müssen. Er würde vielleicht ein paar Minuten durchhalten.«
» Noal!«, sagte Thom keuchend, die Hände auf die Knie gestützt, in der Nähe von Mats Ashandarei, der an der Wand lehnte. »Das könnt Ihr nicht tun!«
»Doch, das kann ich«, sagte Noal. Er trat an den Korridor heran, in dem sich die Aelfinn sammelten. »Thom, Ihr seid nicht in der Verfassung, um kämpfen zu können. Mat, Ihr seid derjenige, dessen Glück den Weg hier heraus finden kann. Keiner von Euch kann bleiben. Aber ich schon.«
»Es wird keiner für Euch zurückkommen können«, sagte Mat grimmig. » Sobald wir wieder zurücklaufen, wird uns dieser verdammte Ort anderswo hinbringen.«
Noal erwiderte seinen Blick, Entschlossenheit auf dem faltigen Gesicht. »Ich weiß. Ein Preis, Mat. Wir wussten, dass dieser Ort einen Preis verlangt. Nun, ich habe viel gesehen, viel getan. Man hat mich einmal zu viel benutzt, Mat. Dieser Ort ist genauso gut wie jeder andere, um sich seinem Ende zu stellen.«
Mat hob Moiraine auf, dann nickte er Noal respektvoll zu. » Komm mit, Thom.« »Aber…«
»Komm!«, bellte Mat und rannte zu einem anderen Durchgang. Thom zögerte, dann fluchte er und schloss sich ihm an, in der einen Hand Mats Fackel, in der anderen den Ashandarei. Noal trat in den Korridor hinter ihnen und hob das Kurzschwert. Im Qualm bewegten sich schattenhafte Gestalten.
»Mat«, rief Noal und warf einen Blick über die Schulter.
Mat trieb Thom an, zögerte aber und schaute zurück.
»Solltest du je einen Malkieri treffen«, sagte Noal, »dann sag ihm, dass Jain Fernstreicher auf anständige Weise starb.«
»Das werde ich, Jain«, sagte Mat. »Möge das Licht dich aufnehmen.«
Noal drehte sich um, um sich den Aelfinn entgegenzustellen, und Mat verließ ihn. Donnernd explodierte eine Nachtblume. Dann hörte Mat Noals Stimme durch den Korridor hallen, als er einen Schlachtruf ausstieß. Er war in keiner ihm bekannten Sprache.
Er und Thom kamen zum nächsten Gemach. Thom weinte, aber Mat unterdrückte seine Tränen. Noal würde ehrenvoll sterben. Einst hätte er solche Gedanken für albern gehalten – was hatte man schon von Ehre, wenn man tot war? Aber er verfügte über zu viele Erinnerungen von Soldaten und hatte zu viel Zeit mit Männern verbracht, die für diese Ehre gekämpft und geblutet hatten, um solche Vorstellungen noch anzuzweifeln.
Er schloss das Auge und drehte sich, und Moiraines Gewicht brachte ihn um ein Haar aus der Balance. Er wählte eine Richtung und zeigte genau auf den Weg, den sie gekommen waren. Er rannte los, gefolgt von Thom.
Als sie das Ende des Korridors erreichten, wartete da nicht der Raum, in dem sie Noal zurückgelassen hatten. Dieses Gemach war rund und voller gelber Säulen in Form gewaltiger, sich umeinander windender Schlingpflanzen, die in der Mitte eine kreisrunde Fläche freiließen. Gewundene Lampenständer hielten weiße Kugeln, die den Raum in weiches Licht tauchten, und der Boden war in einem Muster aus weißen und gelben Streifen gefliest, das spiralenförmig im Zentrum seinen Anfang nahm. Es roch durchdringend nach trockener Schlangenhaut.
Matrim Cauthon, du bist kein Held, dachte er und blickte über die Schulter. Der Mann,.den du zurückgelassen hast, der ist der Held. Möge das Licht dich erleuchten, Noal.
»Und nun?«, fragte Thom. Er schien wieder an Kraft gewonnen zu haben, also überreichte Mat ihm Moiraine und nahm seinen Speer entgegen. Hier gab es nur zwei Durchgänge, der hinter ihnen und der direkt gegenüber. Aber Mat drehte sich trotzdem mit geschlossenem Auge auf der Stelle. Das Glück zeigte auf den Weg auf der gegenüberliegenden Seite.