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Als er in die Höhe starrte – sein Blickfeld wurde von braunen und grünen Grasstängeln und wilder Hirse eingeschränkt -, vermochte er beinahe zu spüren, wie der Sturm näher kam. Als würde er aus dem Himmel kriechen, um ihn einzuhüllen.

Junger Bulle! Komm! Komm jagen!

Es war die Stimme einer Wölfin. Instinktiv erkannte Perrin sie als Eichentänzerin; den Namen hatte sie dank der Weise, wie sie als Welpe zwischen Schösslingen herumgetollt war. Da waren noch andere. Flüsterer. Morgenlicht. Funken. Grenzenlos. Ein gutes Dutzend Wölfe rief nach ihm, zum Teil lebende Wölfe, die träumten, aber auch die Geister von Wölfen, die gestorben waren.

Sie riefen ihn mit einer Mischung aus Gerüchen, Bildern und Lauten. Der Geruch eines springenden Bocks, dessen Hufe Spuren in die Erde stanzten. Abgefallene Blätter, die unter rennenden Wölf en zerbröckelten. Das Knurren des Sieges, die Aufregung des gemeinsam daherjagenden Rudels.

Die Einladung weckte etwas tief in seinem Inneren, den Wolf, den er versucht hatte wegzusperren. Aber man konnte einen Wolf nicht lange einsperren. Entweder er entkam oder er starb; Gefangenschaft würde er nicht ertragen. Er sehnte sich danach aufzuspringen und sein freudiges Einverständnis kundzutun, sich im Rudel zu verlieren. Er war Junger Bulle, und er war hier willkommen.

»Nein!«, sagte Perrin, setzte sich auf und hielt sich den Kopf. »Ich werde mich nicht in euch verlieren.«

Zu seiner Rechten saß Springer im Gras. Der große graue Wolf betrachtete ihn; seine goldenen Augen blinzelten nicht und reflektierten Blitze aus der Höhe. Das Gras reichte bis zu Springers Hals.

Perrin nahm die Hand herunter. Die Luft war schwer, voller Feuchtigkeit, und sie roch nach Regen. Über dem Geruch des Wetters und dem des trockenen Feldes konnte er Springers Geduld riechen.

Junger Bulle, du bist eingeladen, sagte Springer.

»Ich kann nicht mit dir jagen«, erklärte Perrin. »Springer, wir haben doch darüber gesprochen. Ich verliere mich. Wenn ich in die Schlacht ziehe, werde ich wütend. Wie ein Wolf!«

Wie ein Wolf? Junger Bulle, du bist ein Wolf. Und ein Mann. Komm jagen.

»Ich kann nicht, das sagte ich dir doch! Ich lasse nicht zu, dass mich das verschlingt.« Er dachte an einen jungen Mann mit goldenen Augen, der in einen Käfig gesperrt war und sämtliche Menschlichkeit verloren hatte. Sein Name war Noam gewesen – Perrin hatte ihn in einem Dorf namens Jarra gesehen.

Beim Licht, dachte er. Das ist nicht weit von hier. Oder zumindest nicht weit von der Stelle, an der sein Körper in der realen Welt schlummerte. Jarra war in Ghealdan. Ein seltsamer Zufall.

Mit einem Ta’veren in der Nähe gibt es keine Zufälle.

Er runzelte die Stirn, stand auf und betrachtete die Landschaft. Moiraine hatte ihm gesagt, dass in Noam nichts Menschliches mehr übrig geblieben war. Das erwartete einen Wolfsbruder, wenn er sich völlig von dem Wolf verschlingen ließ.

»Ich muss lernen, das zu kontrollieren, oder ich muss den Wolf aus mir verbannen«, sagte Perrin. »Für einen Kompromiss ist keine Zeit mehr übrig, Springer.«

Springer roch unzufrieden. Er mochte nicht, was er als die menschliche Neigung bezeichnete, Dinge kontrollieren zu wollen.

Komm. Springer stand auf. jagen. »Ich…«

Komm lernen, übermittelte Springer frustriert. Die Letzte Jagd naht.

Springers Botschaft beinhaltete das Bild eines jungen Welpen, der seine erste Beute erlegte. Das und Sorgen wegen der Zukunft – normalerweise keine wölfische Eigenschaft. Die Letzte Jagd brachte Veränderungen mit sich.

Perrin zögerte. Bei einem vergangenen Besuch des Wolfstraums hatte er von Springer verlangt, ihm zu zeigen, wie man den Ort beherrschte. Ausgesprochen unangebracht für einen jungen Wolf – eine Art Herausforderung der Überlegenheit des Älteren -, aber das war eine Erwiderung darauf. Springer war gekommen, um zu lehren, aber er würde es wie ein Wolf tun.

»Es tut mir leid«, sagte Perrin. »Ich jage mit dir – aber ich darf mich nicht verlieren.«

Diese Dinge, die du da denkst, übermittelte Springer ärgerlich. Wie kannst du diese Bilder voller Leere schicken? Die Erwiderung wurde von Bildern der Leere begleitet – ein leerer Himmel, ein leeres Feld. Du bist junger Bulle. Du wirst immer Junger Bulle sein. Wie kannst du junger Bulle verlieren? Schau herunter, und du wirst seine Pfoten sehen. Beiß zu, und seine Zähne werden töten. Das kann man nicht verlieren.

»Das ist eine Menschensache.«

Immer wieder die gleichen leeren Worte.

Perrin holte tief Luft, atmete die zu feuchte Luft wieder aus. »Also gut.« In seinen Händen erschienen Hammer und Messer. »Lass uns gehen.«

Du jagst Wild mit deinen Hufen? Das Bild eines Stiers, der seine Hörner ignorierte und versuchte, auf den Rücken eines Hirschs zu springen und ihn in den Boden zu trampeln.

»Du hast recht.« Plötzlich hielt Perrin einen guten Langbogen aus den Zwei Flüssen. Er war kein so guter Schütze wie Jondyn Barran oder Rand, aber schlecht war er auch nicht.

Springer schickte einen Stier, der einen Hirsch anspuckte. Perrin knurrte und antwortete mit Wolfskrallen, die sich aus einer Pfote schoben und einen Hirsch aus der Ferne trafen, aber das schien Springer nur noch mehr zu amüsieren. Trotz seines Unmuts musste Perrin zugeben, dass es wirklich ein lächerliches Bild war.

Der Wolf leitete das Bild an die anderen weiter, was sie belustigt heulen ließ, obwohl die meisten von ihnen den Stier zu bevorzugen schienen, der auf dem Hirsch herumsprang. Perrin knurrte und jagte hinter Springer auf den Wald zu, wo die anderen Wölfe warteten.

Als er lief, schien das Gras immer dichter zu werden. Es hielt ihn zurück wie dichtes Unterholz. Bald war ihm Springer weit voraus.

Lauf, Junger Bulle!

Ich versuche es ja.

Nicht so wie früher!

Perrin schob sich weiter durch das Gras. Dieser seltsame Ort, diese wunderbare Welt, in der die Wölfe liefen, konnte berauschend sein. Und gefährlich. Davor hatte Springer ihn mehr als nur einmal gewarnt.

Gefahren für morgen. Ignoriere sie, übermittelte Springer und wurde leiser. Sorgen sind ein Ding der Zweibeiner.

Ich kann meine Probleme nicht ignorieren!, antwortete Perrin.

Und doch tust du das oft.

Das stimmte in der Tat – vielleicht sogar mehr, als der Wolf wusste. Perrin brach aus dem Gras auf eine Lichtung heraus und blieb stehen. Auf dem Boden lagen die drei Eisenstücke, die er in seinem früheren Traum geschmiedet hatte. Der große Klumpen von der Größe zweier Fäuste, die flach gedrückte Stange, das flache Rechteck. Das Rechteck glühte schwach gelbrot und versengte das kurze Gras in seiner Umgebung.

Die Klumpen verschwanden, allerdings hinterließ das glühende Rechteck eine verbrannte Stelle. Perrin schaute auf, suchte nach den Wölfen. Am Himmel über den Bäumen öffnete sich ein großes schwarzes Loch. Er vermochte nicht zu sagen, wie weit es genau entfernt war, und es schien alles in seinem Sichtfeld zu dominieren, während es zugleich fern erschien.

Mat stand dort. Er kämpfte gegen sich selbst, gegen ein Dutzend Männer, die alle sein Gesicht hatten und die unterschiedlichsten Arten kostbarer Kleidung trugen. Mat wirbelte seinen Speer und bemerkte die Schattengestalt nicht, die sich mit einem blutigen Messer in der Hand von hinten an ihn heranschlich.

»Mat!«, rief Perrin, obwohl er wusste, dass das sinnlos war. Was er da sah, war eine Art Traum oder Vision der Zukunft. Es war schon einige Zeit her, dass er so etwas das letzte Mal gesehen hatte. Er hatte fast schon geglaubt, dass es nicht mehr passieren würde.