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»Ja«, erwiderte Chubain mit zusammengekniffenen Augen. »Das könnte es wohl.«

»Vielleicht nimmt sie mich dann endlich als ihren Behüter an.«

Chubain blinzelte. »Ihren … Behüter?«

»Ja. Einst erschien es so gut wie sicher, dass sie das tut, aber jetzt… nun, wenn ich Euch bei dieser Untersuchung helfen kann, wird das vielleicht ihren Zorn auf mich abkühlen.« Er hob die Hand und drückte Chubains Schulter. »Ich werde Eure Hilfe nicht vergessen. Ihr nennt mich Lord, aber mein Titel hat so gut wie jede Bedeutung für mich verloren. Ich will nur Egwenes Behüter sein, sie beschützen.«

Chubain runzelte die Stirn. Dann nickte er und schien sich zu entspannen. »Ich habe Euer Gespräch mitbekommen. Ihr sucht nach Spuren von Wegetoren. Warum?«

»Ich halte das nicht für das Werk der Schwarzen Ajah«, sagte Gawyn. »Ich glaube, es könnte ein Grauer Mann sein oder irgendein Attentäter. Vielleicht ein Schattenfreund bei der Dienerschaft? Ich meine, seht Euch doch nur an, wie die Frauen getötet werden. Messer.«

Chubain nickte. »Es gab auch Anzeichen für einen Kampf. Die Schwestern, die die Untersuchung durchführen, erwähnten es. Die vom Tisch gefegten Bücher. Sie glaubten, das wären die Zuckungen der Sterbenden gewesen.«

»Seltsam«, meinte Gawyn. »Wäre ich eine Schwarze Schwester, würde ich die Eine Macht benutzen, ganz egal, dass andere das spüren könnten. In der Burg lenken Frauen ständig die Macht; das wäre nicht verdächtig. Ich würde meine Opfer mit Geweben fesseln, sie mit der Macht töten und dann entkommen, bevor auch nur jemand Verdacht schöpft. Kein Kampf.«

»Vielleicht«, sagte Chubain. »Aber die Amyrlin scheint davon überzeugt zu sein, dass es das Werk von Schwarzen Schwestern ist.«

»Ich spreche mit ihr, um den Grund dafür zu erfahren«, sagte Gawyn. »Aber vielleicht solltet Ihr im Moment denen, die diese Untersuchung durchführen, den Vorschlag machen, dass es klug sein könnte, die Diener zu befragen. Wenn man es einmal auf diese Weise betrachtet?«

»Ja… ich glaube, das könnte ich tun.« Der Mann nickte und schien sich weniger bedroht zu fühlen.

Die beiden Männer traten zur Seite. Chubain gab den Dienern das Zeichen, eintreten zu dürfen. Sleete kam mit nachdenklicher Miene heraus. Er hielt etwas zwischen zwei Fingern in die Höhe. »Schwarze Seide«, sagte er. »Man kann nicht feststellen, ob die vom Angreifer stammt.«

Chubain nahm die Fasern entgegen. »Seltsam.«

»Eine Schwarze Schwester würde wohl kaum Schwarz tragen, um ihre Gesinnung zur Schau zu stellen«, sagte Gawyn. »Ein gewöhnlicher Attentäter hingegen könnte dunkle Farben brauchen, um sich besser zu verbergen.«

Chubain schlug die Fasern in ein Taschentuch ein und steckte es ein. »Ich werde das Seaine Sedai zeigen.« Er sah beeindruckt aus.

Gawyn nickte Sleete zu, und die beiden Männer zogen sich zurück.

»In der Weißen Burg wimmelt es im Moment nur so von zurückkehrenden Schwestern und neuen Behütern«, sagte Sleete leise. »Wie sollte jemand in schwarzer Kleidung zu den oberen Ebenen kommen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ganz egal, wie verstohlen er ist?«

»Graue Männer sollen angeblich nicht bemerkt werden können«, sagte Gawyn. »Ich halte das für einen weiteren Beweis. Es ist doch seltsam, dass keiner diese Schwarzen Schwestern tatsächlich gesehen hat. Wir gehen hier von vielen Annahmen aus.«

Sleete nickte und betrachtete drei Novizinnen, die die Wächter anstarrten. Sie bemerkten Sleetes Blick und eilten kichernd auseinander.

»Egwene weiß mehr, als sie sagt«, behauptete Gawyn. »Ich spreche mit ihr.«

»Angenommen, sie empfängt Euch«, sagte Sleete.

Gawyn grunzte gereizt. Eine Reihe abschüssiger Rampen brachte sie zu der Ebene, auf der sich das Arbeitszimmer der Amyrlin befand. Sleete blieb an Gawyns Seite. Seine Aes Sedai, eine Grüne namens Hattori, hatte nur selten etwas für ihn zu tun. Sie hatte noch immer ihr Auge auf Gawyn als möglichen Behüter geworfen; Egwene war noch immer so unvernünftig, dass Gawyn manchmal tatsächlich darüber nachdachte, Hattori gewähren zu lassen.

Nein. Nein, das war nur so ein Gedanke. Er liebte Egwene, auch wenn sie ihn rasend machte. Es war keine einfache Entscheidung gewesen, Andor für sie aufzugeben – ganz zu schweigen von den Jünglingen. Und noch immer weigerte sie sich, mit ihm den Behüterbund einzugehen.

Er erreichte das Arbeitsgemach und trat ein. Silviana saß an ihrem ordentlich aufgeräumten Schreibtisch im Vorzimmer von Egwenes Arbeitsraum. Die Frau musterte Gawyn; hinter ihrer reglosen Aes Sedai-Miene blieben ihre wahren Gefühle unleserlich. Er vermutete, dass sie ihn nicht leiden mochte.

»Die Amyrlin verfasst gerade einen Brief von großer Bedeutung«, sagte Silviana. »Ihr dürft warten.« Gawyn öffnete den Mund.

»Sie bat darum, nicht gestört zu werden«, sagte Silviana und wandte sich wieder den Papieren zu, die sie gelesen hatte. »Ihr dürft warten.«

Gawyn seufzte, nickte dann aber. Sleete erregte mit einem Blick seine Aufmerksamkeit und bedeutete, dass er gehen wollte. Warum hatte er ihn dann überhaupt nach unten begleitet? Er war ein seltsamer Mann. Gawyn winkte zum Abschied, und Sleete verschwand.

Das Vorzimmer war ein prächtiger Raum mit einem dunkelroten Teppich und holzgetäfelten Steinwänden. Er wusste aus Erfahrung, dass keiner der hier vorhandenen Stühle bequem war, aber es gab ein Fenster. Gawyn ging zu ihm, um etwas Luft zu schnappen, und legte die Arme auf die Fensterbank aus Stein, schaute hinaus auf das Gelände der Weißen Burg. Hier oben fühlte sich die Luft frischer, neuer an.

Unter ihm war das neue Übungsgelände der Behüter zu sehen. Das alte war aufgerissen worden, als Elaida mit ihrem Palastbau angefangen hatte. Niemand war sich sicher, was Egwene damit anfangen würde.

Auf dem Übungsgelände herrschte Betriebsamkeit. Gestalten kämpften, liefen, fochten. Der Zustrom an Flüchtlingen, Soldaten und Söldnern hatte viele gebracht, die sich für angehende Behüter hielten. Egwene hatte das Gelände für jeden geöffnet, der trainieren und sich beweisen wollte, da sie plante, im Verlauf der nächsten paar Wochen so viele Frauen, wie bereit waren, zu Aes Sedai zu erheben.

Gawyn hatte dort ein paar Tage absolviert, aber hier schienen die Geister der Männer, die er getötet hatte, viel mehr Präsenz zu haben. Das Übungsgelände war Teil seiner Vergangenheit, eine Zeit, bevor alles schiefgelaufen war. Andere Jünglinge waren mühelos – und glücklich – zu diesem Leben zurückgekehrt. Jisao, Rajar, Durrent und die meisten anderen seiner Offiziere waren bereits als Behüter erwählt worden. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde nichts mehr von seiner Gruppe übrig sein. Ausgenommen er selbst.

Die Tür zum Innenraum öffnete sich, gefolgt von gedämpften Stimmen. Gawyn drehte sich um und sah Egwene, die zu Silviana ging, um mit ihr zu sprechen. Heute trug sie Grün und Gelb. Die Behüterin warf ihm einen Blick zu, und er glaubte so etwas wie den Ansatz eines Stirnrunzeins auf ihrem Gesicht entdecken zu können.

Egwene entdeckte ihn. Sie behielt ihre Aes Sedai-Gelassenheit bei – darin war sie so schnell so gut geworden -, und in ihm regte sich augenblicklich Unbehagen.

»Heute Morgen gab es einen weiteren Todesfall«, sagte er ruhig und kam auf sie zu.

»Genau genommen war das vergangene Nacht«, erwiderte Egwene.

»Ich muss mit dir sprechen«, sprudelte es aus Gawyn heraus.

Egwene und Silviana wechselten einen Blick. »Also gut«, sagte Egwene und rauschte zurück in ihr Arbeitszimmer.

Gawyn folgte ihr, ohne die Behüterin eines Blickes zu würdigen. Das Arbeitszimmer der Amyrlin gehörte zu den prächtigsten Räumen in der Burg. Die Wände waren mit hellem Holz voller phantasiereicher, wunderbar detaillierter Szenen getäfelt. Der Kamin bestand aus Marmor, der Boden aus dunkelroten, in Diamantform geschnittenen Steinfliesen. Egwenes großer, mit Schnitzereien verzierter Schreibtisch war mit zwei Lampen ausgestattet. Sie hatten die Form zweier Frauen, die ihre Arme in die Luft hoben und aus deren zusammengelegten Händen Flammen brannten.