»Ich…«
»Und nicht einmal die Königin selbst würde so etwas verlangen! Zwei Menschen zwingen zu heiraten, weil es Euch ermüdet, mit anzusehen, wie sie sich in die Augen schauen? Wie zwei Hunde, die Ihr züchten wollt, um dann den Wurf zu verkaufen?«
»So habe ich das bestimmt nicht gemeint.«
»Trotzdem habt Ihr es gesagt. Davon einmal abgesehen, wie könnt Ihr Euch der Absichten des jungen Mannes so sicher sein? Habt Ihr mit ihm gesprochen, ihn gefragt, wie es ein Lord in einer solchen Angelegenheit tun sollte?«
»Aber Maighdin«, sagte Perrin, »Er hat etwas für Euch übrig. Ihr hättet einmal sehen sollen, wie er sich nach Eurer Entführung benahm. Beim Licht, Frau, aber das ist doch alles offensichtlich!«
»Herzensangelegenheiten sind niemals offensichtlich.« Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und fühlte sich beinahe wieder wie eine Königin. »Wenn ich heiraten will, treffe ich diese Entscheidung selbst. Für einen Mann, der von sich behauptet, dass es ihm nicht gefällt, das Kommando zu haben, gebt Ihr aber ausgesprochen gern Befehle. Wie könnt Ihr Euch so sicher sein, dass ich die Zuneigung dieses jungen Mannes überhaupt will? Kennt Ihr mein Herz?«
Tallanvor erstarrte förmlich. Dann verneigte er sich steif vor Perrin und verließ das Zelt. Er war sehr gefühlsbetont. Nun, er musste wissen, dass sie sich nicht herumschubsen lassen würde. Das war vorbei. Zuerst Gaebril, dann Valda und jetzt Perrin Aybara? Man würde Tallanvor einen schlechten Dienst erweisen, bekäme er eine Frau, die ihn heiratete, weil man es ihr befahl.
Sie musterte Perrin, der errötete. Sie mäßigte ihren Ton. »Ihr macht das noch nicht lange, also gebe ich Euch einen Rat. Es gibt Dinge, um die sich ein Lord kümmern sollte, aber aus anderen sollte er sich immer heraushalten. Ihr werdet den Unterschied im Laufe der Zeit lernen, aber verzichtet freundlicherweise darauf, solche Forderungen wie gerade eben zu stellen, bevor Ihr Euch zumindest mit Eurer Frau beratschlagt habt.«
Mit diesen Worten machte sie einen Knicks – noch immer mit allen Teetassen – und zog sich zurück. Sie hätte nicht auf diese Weise mit ihm sprechen dürfen. Nun, dann hätte er nicht einen solchen Befehl geben sollen! Anscheinend hatte sie ja doch noch etwas Feuer in sich. Sie hatte sich nicht mehr so energisch oder selbstbewusst gefühlt seit… nun, kurz bevor Gaebrils Ankunft in Caemlyn! Allerdings würde sie Tallanvor suchen müssen und seinen Zorn beschwichtigen.
Sie brachte die Tassen zu einem Spülstand in der Nähe und begab sich dann auf die Suche nach Tallanvor. Um sie herum gingen Diener und Arbeiter fleißig ihren Beschäftigungen nach. Viele der ehemaligen Gai’schain verhielten sich noch immer so, als wären sie bei den Shaido, verneigten sich und dienerten, sobald man sie bloß ansah. Die aus Cairhien waren die schlimmsten; sie waren am längsten in Gefangenschaft gewesen, und Aiel waren sehr gut in ihren Lektionen.
Natürlich gab es auch ein paar echte Aiel-Gai’schain. Welch seltsamer Brauch. Soweit es Morgase verstanden hatte, waren einige der Gai’schain von den Shaido gefangen genommen und in Maiden befreit worden. Sie trugen weiterhin das Weiß, und das bedeutete, dass sie ihren eigenen Verwandten und Freunden als Sklaven dienten.
Man konnte jedes Volk verstehen. Aber sie musste zugeben, dass man bei den Aiel vermutlich länger als bei anderen dafür brauchen würde. Zum Beispiel diese Gruppe aus Töchtern, die durch das Lager liefen. Warum mussten sie jeden zur Seite stoßen, der ihnen im Weg stand? Dafür bestand doch gar kein…
Morgase zögerte. Diese Töchter eilten direkt auf Perrins Pavillon zu. Sie sahen aus, als brächten sie schlechte Nachrichten.
Ihre Neugier war einfach zu stark, und sie folgte ihnen. Die Töchter stellten zwei Wachen an den Zelteingang, aber das Gewebe gegen Lauscher war entfernt worden. Sie umrundete das Zelt und versuchte auszusehen, als wäre sie mit etwas anderem beschäftigt als mit Lauschen, verspürte dabei aber eine gewisse Scham, weil sie Tallanvor seinem Schmerz überließ.
»Weißmäntel, Perrin Aybara«, drang Sulins energische Stimme nach außen. »Eine große Streitmacht von ihnen befindet sich direkt vor uns auf der Straße.«
7
Leichter als eine Feder
Nachts erschien die Luft ruhiger, obwohl der Donner Lan noch immer warnte, dass längst nicht alles in Ordnung war. In den Wochen seiner Reise mit Bulen schien der Sturm über ihnen finsterer geworden zu sein.
Nach dem Ritt gen Süden ging es nach Osten weiter; sie waren irgendwo in der Nähe der Grenze zwischen Saldaea und Kandor, auf der Lanzenebene. Um sie herum ragten gewaltige verwitterte Hügel in die Höhe, deren steile Hänge an Festungen erinnerten.
Vielleicht hatten sie die Grenze verfehlt. Diese Straßen im Hinterland hatten oft keine Grenzsteine, und den Bergen war egal, welche Nation sie für sich beanspruchte.
»Meister Andra«, sagte Bulen hinter ihm. Lan hatte ihm ein Reitpferd besorgt, eine weiße Stute. Er führte noch immer sein Lastpferd Späher.
Bulen holte ihn ein. Lan bestand darauf, als »Andra« angesprochen zu werden. Ein Anhänger war schlimm genug. Wenn niemand wusste, wer er war, konnte auch niemand darum bitten, ihn zu begleiten. Im Grunde war er Bulen für die Warnung, was Nynaeve getan hatte, zu Dank verpflichtet. Dafür schuldete er dem Mann etwas. Allerdings redete Bulen gern.
»Meister Andra«, fuhr Bulen fort. »Falls ich einen Vorschlag machen darf, wir könnten an der Kreuzung von Berndt doch nach Süden abbiegen, nicht wahr? Ich kenne dort eine Herberge, die großartige Wachteln serviert. Auf der Straße nach Südmettier könnten wir dann wieder nach Osten reiten.
Ein bedeutend leichterer Weg. An dieser Straße hat mein Cousin einen Bauernhof – er ist ein Cousin mütterlicherseits, Meister Andra -, und wir könnten …«
»Wir bleiben auf diesem Weg«, sagte Lan.
»Aber Südmettier ist eine so viel bessere Straße!«
»Und darum herrscht dort auch viel mehr Betrieb, Bulen.«
Bulen seufzte, hielt dann aber den Mund. Der Hadori auf seiner Stirn stand ihm, und er hatte sich als überraschend fähig mit dem Schwert erwiesen. Ein Schüler mit einem Talent, wie es Lan schon lange nicht mehr erlebt hatte.
Es war dunkel – wegen der Berge brach die Nacht hier früh herein. Verglichen mit den Gebieten in der Nähe der Großen Fäule war es auch recht kühl. Leider war das Land hier ziemlich bevölkert. Tatsächlich kamen sie eine Stunde nach der Kreuzung zu einer Herberge, in deren Fenster noch Licht brannte.
Bulen betrachtete sie sehnsüchtig, aber Lan ritt weiter. Er ließ sie hauptsächlich nachts reiten. So verhinderte man, gesehen zu werden.
Vor der Herberge saßen drei Männer, die in der Dunkelheit ihre Pfeifen rauchten. Der würzige Rauch verbreitete sich in der Luft und wehte an den Fenstern der Herberge vorbei. Lan schenkte ihnen keine große Aufmerksamkeit, bis sie aufhörten zu rauchen – alle gleichzeitig. Sie banden Pferde von dem Zaun neben der Herberge los.
Großartig, dachte Lan. Straßenräuber, die auf den nächtlichen Wegen nach müden Reisenden Ausschau hielten. Nun, drei Männer sollten sich nicht als zu gefährlich erweisen. Sie trabten hinter Lan her. Angreifen würden sie erst, wenn die Herberge ein Stück hinter ihnen lag. Lan lockerte das Schwert in der Scheide.
»Mein Lord«, sagte Bulen drängend und schaute über die Schulter. »Zwei der Männer tragen den Hadori.«
Lan fuhr so schnell herum, dass sein Umhang wallte. Die drei Männer kamen näher und hielten nicht an. Sie strebten auseinander und ritten an Bulen und ihm vorbei.
Lan schaute ihnen nach. »Andere?«, rief er. »Was glaubt Ihr eigentlich, was Ihr da macht?«
Einer der drei – ein schlanker, gefährlich aussehender Mann – warf einen Blick zurück über die Schulter. Der Hadori hielt sein langes Haar zurück. Es war Jahre her, dass Lan Andere gesehen hatte. Anscheinend hatte er endlich seine Kanndori-Uniform abgelegt; unter seinem tiefschwarzen Umhang war lederne Jagdkleidung zu sehen.