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Unterwegs konnte er nicht verhindern, immer wieder über die Schulter zu blicken. Diese verdammten Bilder hatten ihn nervös gemacht. Viele der Leute auf den Straßen erschienen verdächtig. Ein paar Murandianer gingen an ihm vorbei und schienen so betrunken zu sein, dass er ihren Atem hätte anzünden können. Er blieb auf Distanz. Nach seinen Erlebnissen in Hinderstab konnte er nicht vorsichtig genug sein. Beim Licht, er hatte Geschichten gehört, nach denen Pflastersteine Menschen angegriffen hatten. Wenn ein Mann nicht einmal den Steinen unter seinen Füßen vertrauen konnte, worauf konnte er dann noch vertrauen?

Schließlich erreichte er die Schenke, ein einladender Schuppen namens Des toten Mannes Atem. Vor der Tür standen zwei Schläger, die Keulen hielten und immer wieder in die gewaltigen Pranken klatschen ließen. Im Augenblick wurden viele zusätzliche Rausschmeißer eingestellt. Er würde darauf achten müssen, nicht zu große Gewinne einzustreichen. Schankwirte mochten keinen Mann, der zu viel gewann, denn das konnte Kämpfe provozieren. Es sei denn, der Mann gab seinen Gewinn für Essen und Trinken aus. Dann konnte er gewinnen, so viel er wollte, vielen Dank auch.

Im Inneren der Schenke war es dunkler als im Zur Maid mit den sieben Streifen. Die Männer beugten sich tief über ihre Becher oder Spiele, und es wurden nicht viele Mahlzeiten serviert. Nur starke Getränke. Die Theke wies Nägel auf, die etwa einen Fingerbreit hoch hervorstanden und einen in den Arm stachen. Mat vermutete, dass sie versuchten, sich selbst zu ziehen und abzuhauen.

Bernherd, der Wirt, war ein Tairener mit schmierigen Haaren und einem so kleinen Mund, dass es aussah, als hätte er seine Lippen aus Versehen verschluckt. Er roch nach Rettich, und Mat hatte ihn noch nie lächeln gesehen, nicht einmal, wenn er ein Trinkgeld bekam. Die meisten Wirte würden selbst den Dunklen König anlächeln, wenn es um Trinkgeld ging -

Mat hasste es, in einem Laden zu spielen und zu trinken, wo man eine Hand auf dem Geldbeutel halten musste. Aber er hatte Lust, heute Abend eine hübsche Summe zu gewinnen, und es liefen Würfelspiele und klirrten Münzen, also fühlte er sich irgendwie zuhause. Der Spitzenbesatz seines Mantels zog ein paar Blicke auf sich. Warum hatte er sich bloß dafür entschieden? Am besten ließ er ihn von Lopin entfernen, wenn er wieder im Lager war. Nun, nicht alles. Vielleicht einen Teil.

Weiter hinten im Raum fand er ein Spiel, das von drei Männern und einer Frau in Hosen gespielt wurde. Sie hatte kurzes blondes Haar und nette Augen; ihm fiel das bloß auf, weil er an Thom dachte. Auf jeden Fall hatte sie einen vollen Busen, und in letzter Zeit neigte sein Geschmack zu Frauen, die etwas schlanker in der Brust waren.

Wenige Minuten später würfelte er mit ihnen, und das beruhigte ihn etwas. Aber er behielt seinen Geldbeutel in Sichtweite, legte ihn vor sich auf den Boden. Nach kurzer Zeit wuchs der Münzstapel daneben; es war hauptsächlich Silber.

»Habt Ihr gehört, was drüben bei Schmiedsgrün passiert ist?«, fragte einer der Männer seine Gefährten, während Mat würfelte. »Schreckliche Sache.« Der Sprecher war ein hochgewachsener Bursche mit einem verkniffenen Gesicht, das aussah, als wäre er ein paarmal gegen eine Tür gelaufen. Er nannte sich Jäger. Vermutlich, weil Frauen nach einem Blick in dieses Gesicht die Flucht ergriffen und er ihnen hinterherjagen musste.

» Was?«, fragte Cläre. Sie war die blonde Frau. Mat schenkte ihr ein Lächeln. Er spielte nicht oft gegen Frauen, da die meisten behaupteten, Würfeln anstößig zu finden. Obwohl sie natürlich nichts dagegen hatten, wenn ein Mann ihnen von seinem Gewinn etwas Hübsches mitbrachte. Egal, Würfeln mit einer Frau war nicht fair, da sein Lächeln ihr Herz aufgeregt pochen ließ und sie weiche Knie bekam. Aber er lächelte Mädchen nicht mehr auf diese Weise an. Davon abgesehen hatte sie sowieso nicht auf sein Lächeln reagiert.

»Jowdry«, sagte Jäger, als Mat die Würfel schüttelte. »Man hat ihn heute Morgen tot aufgefunden. Die Kehle herausgerissen. Der Körper war blutleer, wie ein Weinschlauch voller Löcher.«

Mat war so überrascht, dass er die Würfel warf, aber nicht darauf achtete, wie sie fielen. »Was?«, wollte er wissen. »Was habt Ihr da gesagt?«

»Ach, das war nur jemand, den wir kannten«, sagte Jäger und musterte ihn. »Er schuldete mir zwei Kronen.«

»Blutleer«, sagte Mat. »Seid Ihr sicher? Habt Ihr die Leiche gesehen?«

»Was?« Jäger verzog das Gesicht. »Verdammte Asche, Mann! Ist das Euer Ernst?«

»Ich …«

»Jäger«, sagte Cläre. »Sieh dir das an.«

Der schlanke Mann schaute nach unten, genau wie Mat. Die Würfel, die er geworfen hatte – alle drei – waren gelandet und balancierten auf ihren Kanten. Beim Licht! Er hatte das schon mit Münzen geschafft, damit sie dann auf die Seite fielen, aber so etwas war ihm noch nie zuvor gelungen.

Und plötzlich in genau diesem Augenblick fingen in seinem Kopf die Würfel an zu klappern. Beinahe hätte er einen Satz bis zur Decke gemacht. Blut und verfluchte Asche! Diese Würfel in seinem Kopf bedeuteten nie etwas Gutes. Sie hörten erst auf, wenn sich etwas veränderte, für gewöhnlich etwas, das nichts Gutes für Matrim Cauthon bedeutete.

»Ich habe noch nie so etwas …«, sagte Jäger.

»Sagen wir, es ist ein Verlust.« Mat warf ein paar Münzen hin und sammelte den Rest seiner Gewinne ein.

»Was wisst Ihr über Jowdry?«, wollte Cläre wissen. Sie griff nach der Taille. Mat hätte Gold gegen Kupfer gewettet, dass sie dort ein Messer hatte, nach der Art zu urteilen, wie sie ihn anstarrte.

»Nichts«, sagte Mat. Nichts und doch zu viel. »Entschuldigt mich.«

Hastig durchquerte er die Schenke. Dabei fiel ihm auf, dass einer der muskulösen Türsteher mit Bernherd dem Wirt sprach und auf ein Blatt Papier in seiner Hand zeigte. Er konnte nicht erkennen, was dort stand, aber er konnte es sich durchaus vorstellen: sein Gesicht.

Fluchend trat er auf die Straße hinaus. Er nahm die erste Gasse, die kam, und lief los.

Die Verlorenen jagten ihn, ein Bild mit seinem Gesicht in der Tasche eines jeden Gauners in der Stadt und ein Ermordeter, dem man das Blut abgezapft hatte. Das konnte nur eines bedeuten. Der Gholam war in Caemlyn. Es erschien unmöglich, dass er so schnell hergefunden hatte. Andererseits hatte Mat gesehen, wie er sich durch ein kein zwei Handspannen breites Loch gequetscht hatte. Das Ding schien einfach nicht zu wissen, was möglich war und was nicht.

Blut und verdammte Asche, dachte er und nahm den Kopf herunter. Er musste Thom einsammeln und in das Lager der Bande außerhalb der Stadt zurückkehren. Er eilte die dunkle, regennasse Straße entlang. Das Pflaster spiegelte das Licht der Öllampen in der Höhe wider. Elayne sorgte stets dafür, dass der Königinnenweg nachts gut beleuchtet war.

Er hatte ihr eine Nachricht zukommen lassen, aber bis jetzt noch keine Antwort erhalten. Was war das für eine Dankbarkeit? Seiner Rechnung nach hatte er ihr zweimal das Leben gerettet. Einmal hätte ausreichen müssen, um sie zu tränenreichen Küssen zu veranlassen, aber er hatte nicht einmal einen Kuss auf die Wange bekommen. Nicht, dass er einen wollte; nicht von einer Königin. Denen ging man besser aus dem Weg.

Du hast eine verfluchte Hochlady der Seanchaner geheiratet, dachte er. Die Tochter der Kaiserin. Jetzt war es unmöglich, den Adel zu meiden! Das konnte er vergessen. Wenigstens war Tuon hübsch. Und sie konnte gut Steine spielen. Und sie war schlagfertig, man konnte sich gut mit ihr unterhalten, selbst wenn sie die meiste Zeit einfach nur schwierig …

Nein. Er durfte jetzt nicht an Tuon denken.

Davon abgesehen hatte er keine Antwort von Elayne erhalten. Er würde energischer sein müssen. Es ging nicht mehr nur um Aludra und ihre Drachen. Der verfluchte Gholam war in der Stadt.