»Und wenn ich mich weigere?«
»Das wird ihrer Gesundheit… nicht guttun.«
Perrin knirschte mit den Zähnen.
»Eure Streitmacht wird sich der unseren unter dem Licht stellen«, sagte der Anführer der Weißmäntel. »Das sind unsere Bedingungen.«
Perrin blickte zur Seite. Grady erwiderte seinen Blick, und es lag eine offensichtliche Frage darin. Er konnte den Anführer der Weißmäntel auf der Stelle gefangen nehmen, ohne dass es ihn große Mühe kostete.
Perrin war versucht. Aber sie waren unter der Friedensflagge der Weißmäntel gekommen. Er würde den Frieden nicht brechen. Stattdessen drehte er sich um und führte seine Leute zurück in sein Lager.
Galad sah Aybara hinterher. Diese goldenen Augen waren beunruhigend. Er hatte Byars beharrlichen Standpunkt, dass dieser Mann nicht nur ein Schattenfreund war, sondern Schattengezücht, nicht ernst genommen. Aber nachdem er nun in diese Augen geblickt hatte, war er sich nicht länger so sicher, diese Behauptung so ohne Weiteres abtun zu können.
Neben ihm stieß Bornhaid die angehaltene Luft aus. »Ich kann nicht glauben, dass Ihr das hier wolltet. Was, wenn er Aes Sedai mitgebracht hätte? Wir hätten nichts gegen die Eine Macht tun können.«
»Sie hätten mir nichts angetan«, sagte Galad. »Davon abgesehen, hätte Aybara die Möglichkeit, mich hier mit der Einen Macht zu töten, hätte er das auch mit mir in meinem Lager tun können. Aber wenn er so ist, wie Ihr und Kind Byar sagt, dann sorgt er sich sehr um sein Erscheinungsbild. Er führte die Trollocs nicht direkt gegen die Zwei Flüsse. Er gab vor, sie zu verteidigen.« So ein Mann würde subtil handeln. Er war nicht in Gefahr gewesen.
Er hatte Aybara selbst sehen wollen, und er war froh, dass er es getan hatte. Diese Augen … sie allein verdammten ihn schon beinahe. Und Aybara hatte auf die Erwähnung der ermordeten Weißmäntel mit Anspannung reagiert. Darüber hinaus sprachen seine Leute davon, dass er sich mit den Seanchanern verbündet und Männer in seinen Diensten hatte, die die Eine Macht lenken konnten.
Ja, dieser Aybara war gefährlich. Galad hatte sich Sorgen gemacht, seine Streitmacht hier kämpfen zu lassen, aber das Licht würde ihnen beistehen. Es war besser, diesen Aybara jetzt zu besiegen, als abzuwarten und ihm in der Letzten Schlacht gegenüberzustehen. So schnell hatte er seine Entscheidung getroffen. Die richtige Entscheidung. Sie würden kämpfen.
»Kommt«, sagte Galad und winkte seinen Männern zu. »Lasst uns ins Lager zurückkehren.«
11
Ein unerwarteter Brief
Sie können unmöglich erwarten, dass ich das hier unterschreibe«, sagte Elayne und warf die Handvoll Papiere neben ihrem Stuhl zu Boden.
»Es ist unwahrscheinlich, dass sie das tun«, sagte Dyelin. Ihr blondes Haar saß makellos, ihre faltenfreie Miene war kontrolliert, ihr schlanker Körper strahlte Selbstsicherheit aus. Die Frau war perfekt! Es war einfach ungerecht, dass sie so makellos aussah, wo sich Elayne wie eine zum Schlachten gemästete Sau vorkam.
Der Kamin in Elaynes Wohnzimmer knisterte warm. Auf einer Kommode an der Wand stand eine Kanne Wein, aber natürlich durfte sie davon nicht trinken. Wenn ihr noch eine einzige Person verdammte Ziegenmilch anbot…
Birgitte lehnte am anderen Ende des Raumes an der Wand. Ihr goldener Zopf hing über ihrer rechten Schulter und bot einen Kontrast zu dem roten Mantel mit dem weißen Kragen und den himmelblauen Hosen. Sie hatte sich eine Tasse Tee eingeschenkt und lächelte in sie hinein, amüsiert von Elaynes Wut. Das Gefühl wurde durch den Behüterbund an Elayne übermittelt.
Sie waren in dem Raum allein. Elayne hatte sich in das Wohnzimmer zurückgezogen, nachdem sie den Vorschlag von Elloriens Boten entgegengenommen und erklärt hatte, das Angebot in Ruhe zu »überdenken«. Nun, sie hatte darüber nachgedacht! Und in den Müll geworfen, wo es hingehörte!
»Das ist eine Beleidigung«, sagte sie und deutete auf die Seiten.
»Wollt Ihr sie für alle Ewigkeit gefangen halten, Elayne?«, fragte Dyelin und hob eine Braue. »Ein Lösegeld können sie sich nicht leisten, nicht nach ihren Ausgaben für den Versuch, die Thronfolge anzutreten. Das überlässt Euch die Entscheidung.«
»Von mir aus können sie verfaulen.« Elayne verschränkte die Arme. »Sie haben Heere gegen mich aufgestellt und Caemlyn belagert!«
»Ja«, erwiderte Dyelin tonlos. »Ich glaube, ich war dabei.«
Elayne fluchte leise vor sich hin, dann stand sie auf und fing an, auf und ab zu gehen. Birgitte musterte sie; Melfane hatte darauf hingewiesen, dass sie sich nicht zu sehr verausgaben sollte. Stur erwiderte sie den Blick ihrer Behüterin, dann ging sie weiter auf und ab. Sollte man sie zu Asche verbrennen, und diese verdammte Hebamme gleich mit! Zu laufen hieß nicht, sich zu verausgaben!
Ellorien gehörte zu den Letzten, die sich lautstark gegen Elaynes Herrschaft aussprachen, und sie war die Heikelste – ausgenommen vielleicht Jarid Sarand. Diese Monate markierten den Anfang einer langen Prüfung für Elayne. Wie stand sie zu bestimmten Themen? Wie leicht konnte man sie herumschubsen? Wie sehr kam sie nach ihrer Mutter?
Sie sollten wissen, dass man sie nicht so leicht einschüchtern konnte. Aber unglücklicherweise sah die Wahrheit nun einmal so aus, dass sie oben auf einem wackeligen Turm aus Teetassen stand. Jede dieser Tassen verkörperte eines der Adelshäuser von Andor; manche hatten sie freiwillig unterstützt, andere nur widerstrebend. Nur sehr wenige von ihnen waren so stark, wie sie gern gehabt hätte.
»Die gefangenen Adligen sind eine Ressource«, sagte Elayne. »Man sollte sie darum auch so betrachten.«
Dyelin nickte. Die Adlige hatte so eine Art, Elayne zu locken, sie dazu zu zwingen, sich nach Antworten abzumühen, von denen beide wussten, dass sie sie finden musste. »Eine Ressource ist bedeutungslos, solange man sie nicht irgendwann benutzt«, bemerkte Dyelin. Sie hielt einen Becher Wein. Verdammtes Frauenzimmer.
»Ja«, sagte Elayne, »aber eine Ressource unter Wert zu verkaufen bringt einem nur den Ruf ein, nicht sorgfältig genug zu sein.«
»Es sei denn, man verkauft etwas unmittelbar vor dem Augenblick, an dem sein Wert dramatisch fällt«, entgegnete Dyelin. »Man hat schon viele Kaufleute als Narren bezeichnet, weil sie Eispfeffer mit einem Preisnachlass verkauften, nur um sie später als klug zu loben, weil die Preise noch tiefer fielen.«
»Und diese Gefangenen? Fällt ihr Wert Eurer Meinung nach bald?«
»Ihre Häuser sind kompromittiert worden«, sagte Dyelin. »Je stärker Eure Position wird, Elayne, desto mehr verlieren diese politischen Gefangenen an Wert. Ihr solltet den Vorteil nicht verschleudern, aber Ihr solltet ihn auch nicht wegsperren, bis sich keiner mehr darum schert.«
»Du solltest sie hinrichten«, sagte Birgitte.
Beide Frauen starrten sie an.
»Was denn?«, sagte Birgitte. »Das haben sie verdient, und es würde dir den Ruf verleihen, hart durchgreifen zu können. «
»Das wäre nicht richtig«, sagte Elayne. »Man sollte sie nicht dafür töten, weil sie einen anderen Thronanwärter unterstützten. Es kann keinen Verrat geben, wenn es keine Königin gibt.«
»Also können unsere Soldaten sterben, aber die Adligen spazieren ungeschoren davon?«, fragte Birgitte. Dann hob sie eine Hand, bevor Elayne protestieren konnte. »Erspare mir die Belehrung. Ich verstehe. Ich stimme zwar nicht zu, aber ich verstehe. So ist es immer schon gewesen.«
Elayne nahm wieder ihre Wanderung auf. Allerdings blieb sie kurz stehen, um auf Elloriens Angebot zu treten. Das brachte ihr ein Augenrollen von Birgitte ein, aber es fühlte sich gut an. Das »Angebot« war eine Liste leerer Versprechungen, die mit der Forderung abschloss, Elayne sollte die Gefangenen zum »Wohle Andors« freilassen. Ellorien behauptete, da die Gefangenen ja mittellos waren, die Krone ihnen ein Pardon gewähren und sie freilassen sollte, damit sie beim Wiederaufbau helfen konnten.