Glück der Bösen. — Diese stillen, düsteren, bösen Menschen haben Etwas, das ihr ihnen nicht streitig machen könnt, einen seltenen und seltsamen Genuss im dolce far niente, eine Abend- und Sonnenuntergangs-Ruhe, wie sie nur ein Herz kennt, das allzu oft durch Affecte verzehrt, zerrissen, vergiftet worden ist.
Worte in uns gegenwärtig. — Wir drücken unsere Gedanken immer mit den Worten aus, die uns zur Hand sind. Oder um meinen ganzen Verdacht auszudrücken: wir haben in jedem Momente eben nur den Gedanken, für welchen uns die Worte zur Hand sind, die ihn ungefähr auszudrücken vermögen.
Dem Hunde schmeicheln. — Man muss diesem Hunde nur einmal das Fell streichen: sofort knistert er und sprüht Funken, wie jeder andere Schmeichler — und ist geistreich auf seine Art. Warum sollten wir ihn nicht so ertragen!
Der ehemalige Lobredner. — »Er ist stumm über mich geworden, obwohl er die Wahrheit jetzt weiss und sie sagen könnte. Aber sie würde wie Rache klingen — und er achtet die Wahrheit so hoch, der Achtungswürdige!
Amulet der Abhängigen. — Wer unvermeidlich von einem Gebieter abhängig ist, soll Etwas haben, wodurch er Furcht einflösst und den Gebieter im Zaume hält, zum Beispiel Rechtschaffenheit oder Aufrichtigkeit oder eine böse Zunge.
Warum so erhaben! — Oh, ich kenne diess Gethier! Freilich gefällt es sich selber besser, wenn es auf zwei Beinen» wie ein Gott «daher schreitet, — aber wenn es wieder auf seine vier Füsse zurückgefallen ist, gefällt es mir besser: diess steht ihm so unvergleichlich natürlicher!
Der Dämon der Macht. — Nicht die Nothdurft, nicht die Begierde, — nein, die Liebe zur Macht ist der Dämon der Menschen. Man gebe ihnen Alles, Gesundheit, Nahrung, Wohnung, Unterhaltung, — sie sind und bleiben unglücklich und grillig: denn der Dämon wartet und wartet und will befriedigt sein. Man nehme ihnen Alles und befriedige diesen: so sind sie beinahe glücklich, — so glücklich als eben Menschen und Dämonen sein können. Aber warum sage ich diess noch? Luther hat es schon gesagt, und besser als ich, in den Versen:»Nehmen sie uns den Leib, Gut, Ehr', Kind und Weib: lass fahren dahin, — das Reich muss uns doch bleiben!«Ja! Ja! Das» Reich«!
Der Widerspruch leibhaft und beseelt. — Im sogenannten Genie ist ein physiologischer Widerspruch, es besitzt einmal viele wilde, unordentliche, unwillkürliche Bewegung und sodann wiederum viele höchste Zweckthätigkeit der Bewegung, — dabei ist ihm ein Spiegel zu eigen, der beide Bewegungen neben einander und in einander, aber auch oft genug wider einander zeigt. In Folge dieses Anblicks ist es oft unglücklich, und wenn es ihm am wohlsten wird, im Schaffen, so ist es, weil es vergisst, dass es gerade jetzt mit höchster Zweckthätigkeit etwas Phantastisches und Unvernünftiges thut (das ist alle Kunst) — thun muss.
Sich irren wollen. — Neidische Menschen mit feinerer Witterung suchen ihren Rivalen nicht genauer kennen zu lernen, um sich ihm überlegen fühlen zu können.
Das Theater hat seine Zeit. — Wenn die Phantasie eines Volkes nachlässt, entsteht der Hang in ihm, seine Sagen sich auf der Bühne vorführen zu lassen, jetzt erträgt es die groben Ersatzstücke der Phantasie, — aber für jenes Zeitalter, dem der epische Rhapsode zugehört, ist das Theater und der als Held verkleidete Schauspieler ein Hemmschuh anstatt ein Flügel der Phantasie: zu nah, zu bestimmt, zu schwer, zu wenig Traum und Vogelflug.
Ohne Anmuth. — Er hat einen Mangel an Anmuth, und weiss es: oh, wie er es versteht, diess zu maskiren! Durch strenge Tugend, durch Düsterkeit des Blickes, durch angenommenes Misstrauen gegen die Menschen und das Dasein, durch derbe Possen, durch Verachtung der feineren Lebensart, durch Pathos und Ansprüche, durch cynische Philosophie, — ja, er ist zum Charakter geworden, im steten Bewusstsein seines Mangels.
Warum so stolz — Ein edler Charakter unterscheidet sich von einem gemeinen dadurch, dass er eine Anzahl Gewohnheiten und Gesichtspuncte nicht zur Hand hat, wie jener: sie sind ihm zufällig nicht vererbt und nicht anerzogen.
Scylla und Charybdis des Redners. — Wie schwer war es in Athen, so zu sprechen, dass man die Zuhörer für die Sache gewann, ohne sie durch die Form abzustossen oder von der Sache mit ihr abzuziehen! Wie schwer ist es noch in Frankreich, so zu schreiben!