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Am 7. Oktober 1808 gab Napoleon in Erfurt ein Festmahl; seine Gäste waren der Kaiser Alexander, die Königin von Westfalen, der König von Bayern, der König von Württemberg, der König von Sachsen, der Prinz Wilhelm von Preußen, die Beherrscher von Oldenburg, von Mecklenburg-Schwerin, von Weimar und der Fürst-Primas (Dalberg). Die Unterhaltung kam auf die goldene Bulle, die bis zur Errichtung des Rheinbundes für die römische Kaiserwahl, die Anzahl und die Eigenschaften der Wähler maßgebend gewesen waren. Der Fürst-Primas sprach eingehend über diese Bulle und erwähnte, sie stamme aus dem Jahre 1409.

«Ich glaube, Sie täuschen sich, «sagte lächelnd Napoleon;»die Bulle wurde 1356 unter der Regierung Kaiser Karls IV. verkündet.«

«So, ist es, Sire, «antwortete der Fürst-Primas,»ich erinnere mich jetzt; aber woher wissen Eure Majestät dies so genau?«

«Als ich einfacher Leutnant bei der Artillerie war…, «erzählte Napoleon –

Bei diesen Worten malte sich ein so lebhaftes Gefühl in den Mienen seiner edlen Gäste, daß der Sprecher unwillkürlich unterbrach; aber gleich darauf fuhr er lächelnd fort:

«Als ich die Ehre hatte, einfacher Leutnant bei der Artillerie zu sein, war ich drei Jahre in Garnison zu Valence. Ich war kein Freund der Gesellschaften und lebte äußerst zurückgezogen. Dafür hatte es ein glücklicher Zufall gefügt, daß ich in der Nähe eines kenntnisreichen und sehr gefälligen Buchhändlers wohnte. Dessen Bibliothek habe ich während dieser drei Garnisonjahre gelesen und wieder gelesen, und ich habe auch das nicht vergessen, was sich nicht auf meinen Stand bezog. Zudem hat mich die Natur mit einem guten Zahlengedächtnis begabt; es ist nicht selten, daß ich meinen Ministern einzelne Posten und die Gesamtbeträge ihrer ältesten Rechnungen anführe.«

Das war jedoch nicht das einzige Andenken Napoleons aus Valence.

Zu den wenigen Personen, die Bonaparte in Valence besuchte, gehörte Herr v. Tardivon, Abt von Saint-Ruf, dessen Orden kurz zuvor aufgehoben worden war. In seinem Hause traf er Fräulein Karoline von Colombier, in die er sich verliebte. Die Familie dieses Fräuleins bewohnte ein Landhaus, das eine halbe Stunde von Valence lag und Bassiau hieß; der junge Leutnant erhielt Zutritt im Hause und machte mehrere Besuche. Inzwischen trat ein Edelmann aus dem Dauphiné, namens Bressieux als Bewerber auf. Bonaparte sah, daß es Zeit sei, sich zu erklären, sollte er nicht zu spät kommen; er schrieb daher an Fräulein Karoline einen langen Brief, worin er ihr alle seine Gefühle ausdrückte und sie ersuchte, ihre Eltern damit bekannt zu machen. Diese nahmen jedoch, so vor die Wahl zwischen einem Leutnant ohne Aussicht und einem Edelmann mit einigem Vermögen gestellt, den Edelmann zum Schwiegersohn. Bonaparte wurde in möglichst wenig verletzender Form zurückgewiesen, und sein Brief einer dritten Person eingehändigt, die ihn dem Schreiber zurückstellen wollte. Aber Bonaparte weigerte sich, ihn zurückzunehmen.»Behalten Sie ihn, «sagte er zu der Person,»er wird eines Tages Zeugnis von meiner Liebe wie von der Reinheit meiner Gesinnungen gegen Fräulein Karoline ablegen. «Die Person behielt den Brief, und ihre Familie bewahrt ihn noch heute auf.

Drei Monate später heiratete Fräulein Karoline Herrn v. Bressieux.

Im Jahre 1806 wurde Frau v. Bressieux mit dem Titel einer Ehrendame der Kaiserin-Mutter an den Hof berufen, ihr Bruder in der Eigenschaft eines Präfekten nach Turin geschickt und ihr Gemahl zum Baron und Verwalter der Staatsforsten ernannt.

Sonst trat Bonaparte während seines Aufenthaltes zu Valence noch in nähere Beziehung zu den Herren v. Montalivet und Bachasson, von denen der eine Minister des Innern und der andere Inspektor der Lebensmittel in Paris wurde. Sonntags lustwandelten diese drei jungen Männer fast immer zusammen außerhalb der Stadt und blieben bisweilen stehen, um einem Tanzvergnügen im Freien zuzusehen, das um zwei Sous für den Mann und den Tanz ein Gewürzkrämer der Stadt gab, der in seinen Mußestunden die Fiedel zu streichen pflegte. Dieser Fiedler war ein alter Soldat, der sich nach seinem Abschied nach Valence zurückgezogen und dort verheiratet hatte, worauf er in der geschilderten Weise ein Doppelgeschäft betrieb. Da aber der Verdienst auch so für seinen Bedarf nicht ausreichte, suchte und erhielt er nach der Einrichtung der Departements eine Austrägerstelle in den Bureaus der Zentralverwaltung. Von diesem Posten holten ihn die ersten Freiwilligenbataillone im Jahre 1790 weg.

Hierauf wurde dieser alte Soldat Gewürzkrämer, Fiedler und Ausläufer im Laufe weniger Jahre Marschall Victor, Herzog von Belluno.

Als Bonaparte Valence verließ, hinterließ er bei seinem Bäcker, namens Coriol, eine Schuld von drei Franken zehn Sous.

Der junge Korse kam zu gleicher Zeit mit seinem Landsmann Paoli in Paris an. Die Konstituierende Versammlung hatte Korsika an der Wohltat der französischen Gesetze teilnehmen lassen; Mirabeau hatte auf der Rednerbühne erklärt, es sei Zeit, die flüchtigen Patrioten, die die Unabhängigkeit der Insel verteidigt, zurückzurufen, und so war Paoli heimgekehrt. Bonaparte wurde von dem alten Freunde seines Vaters wie ein Sohn bewillkommt, und der junge Schwärmer fand sich seinem Helden gegenüber, der eben erst zum Generalstatthalter und Militärkommandanten der Insel ernannt worden war.

Bonaparte erhielt Urlaub, den er dazu benutzte, Paoli zu folgen und seine Familie wiederzusehen, die er vor sechs Jahren verlassen hatte. Der patriotische General wurde von allen Anhängern der Unabhängigkeit mit unaussprechlichem Jubel empfangen, und der junge Leutnant war Zeuge von dem Triumph des berühmten Verbannten. So groß war die Begeisterung, daß die allgemeine Stimme seiner Mitbürger Paoli zugleich an die Spitze der Nationalgarde und zum Vorsitzenden der Departementalverwaltung erhob. Eine Zeitlang blieb er in vollkommener Harmonie mit der Konstituierenden Versammlung; aber ein Antrag des Abbé Charrier, der den Vorschlag machte, Korsika an den Herzog von Parma gegen Piacenza auszutauschen und mit letzterem den Papst für Avignon zu entschädigen, bewies Paoli, welche geringe Wichtigkeit der Mutterstaat dem Besitz seines Vaterlandes beilegte. In dieser Zeit geschah es, daß die englische Regierung, die Paoli zur Zeit seiner Verbannung aufgenommen hatte, mit dem neuen Präsidenten Unterhandlungen eröffnete; auch verbarg Paoli seine Vorliebe für die britische Verfassung der im Werke begriffenen französischen gegenüber nicht. Hier aber schieden sich die Wege des jungen Leutnants und des alten Generals; Bonaparte blieb französischer Bürger, und Paoli wurde wieder korsischer Anführer.

Zu Anfang des Jahres 1792 wurde Bonaparte nach Paris zurückberufen. Dort fand er Bourrienne wieder, einen alten Schulfreund, der nach einer Reise durch Preußen und Polen über Wien zurückkehrte.

Keiner von beiden Schulkameraden war glücklich; sie beschlossen, ihr Mißgeschick gemeinsam zu tragen, um es sich minder schwer zu machen; der eine bewarb sich um eine Stelle im Heere, der andere wollte beim Ministerium des Auswärtigen angestellt werden. Da beide erfolglos waren, träumten sie von Handelsgeschäften, die sie aus Mangel an Kapital meist nicht ausführen konnten. Eines Tages kamen sie auf den Gedanken, mehrere im Bau begriffene Häuser in der Rue Montholon mietweise zu übernehmen, aber die Ansprüche der Eigentümer waren so übertrieben, daß sie sich genötigt sahen, von dem Unternehmen abzusehen aus demselben Grund, aus dem sie schon so viele andere aufgegeben hatten. Als sie aus dem Hause des Erbauers traten, stellten sie fest, daß sie nicht nur nicht zu Mittag gespeist, sondern daß sie auch kein Geld hatten, das Versäumte nachzuholen. Diesem Übelstand wußte Bonaparte dadurch abzuhelfen, daß er seine Uhr versetzte.

Inzwischen war der 10. Juni, [Fußnote] das düstere Vorspiel des 10. August, angebrochen. Die beiden jungen Männer hatten sich zum Frühstück bei einem Restaurateur in der Straße St. Honoré getroffen und waren eben mit Essen fertig, als sie durch einen großen Lärm und laute Rufe:» Ça ira! Es lebe die Nation! Es leben die Sansculotten! Nieder mit dem Veto!«ans Fenster gezogen wurden. Sie sahen einen Haufen von 6000 bis 8000 Menschen, von Santerre und dem Marquis von St. Hurugues geführt, die Vorstädte St. Antoine und St. Marceau hinabeilen und sich zur Versammlung begeben.»Folgen wir dieser Canaille!«sagte Bonaparte, und sofort schlugen die beiden jungen Männer den Weg nach den Tuilerien ein. An der Terrasse des Seineufers blieben sie stehen; Bonaparte lehnte sich gegen einen Baum, und Bourienne setzte sich auf eine Brustwehr.