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„Gebt Acht, dass ihr nicht danebenhaut! Dieser Mensch ist zu allem fähig. Wenn euer Plan nicht so gut wäre, müsste man richtig Angst haben."

Großmutter hatte trotzdem Angst um sie, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ. Um auf andere Gedanken zu kommen, machte sie auf dem Heimweg einen Besuch bei Frau Meier von nebenan. Frau Meier bewirtete sie mit Tee und Zuckerplätzchen. Dann begannen die alten Damen zu plaudern und da sie meist gleichzeitig redeten, wurde es keiner von beiden langweilig. Die Zeit verging ihnen wie im Flug und als Großmutter endlich aufbrach, war es schon ziemlich spät geworden.

Bei ihr zu Hause im Wohnzimmer brannte Licht. Herr Oberwachtmeister Dimpfelmoser saß auf dem Sofa. Er hatte sich in die Bettdecke eingehüllt und schien nicht besonders glücklich zu sein.

„Wo bleiben Sie denn so lange, zum Donnerwetter!"

„Wieso?", fragte Großmutter.

„Weil ich längst wieder im Dienst sein könnte, wenn Sie vom Spritzenhaus gleich nach Hause gekommen wären! Da – sehen Sie sich das an!"

Auf der Kommode neben dem Sofa lag seine zweite Uniform, frisch gereinigt und aufgebügelt.

„Sie waren kaum weg", sagte Dimpfelmoser, „da klingelt es an der Tür und der Lehrjunge von der Reinigungsanstalt steht draußen, mit einem Paket unterm Arm. Eine schöne Empfehlung vom Chef, und weil ich es bin, hätten sie Überstunden gemacht."

„Na also!", rief Großmutter. „Wunderbar! Da sehen Sie, was man alles erreichen kann, wenn man den Leuten ein bisschen Dampf macht. Ich verstehe bloß nicht, weshalb Sie noch immer halb nackt da herumsitzen. Wollen Sie sich nicht anziehen?"

Herr Dimpfelmoser blickte sie traurig an.

„Die Knöpfe!", sagte er achselzuckend. „Die haben sie in der Reinigung alle abgeschnitten." – Er zeigte auf eine Papiertüte neben der Uniform. – „Ich hätte sie mir längst angenäht, wenn ich wüsste, wo Sie Ihr Nähzeug haben ..."

Großmutter holte das Nadelkissen, den Fingerhut und eine Rolle schwarzen Zwirn von der derben Sorte. Dann nähte sie Herrn Dimpfelmoser die Knöpfe an die Uniform, alle sechsunddreißig. Die Hosenknöpfe zuerst, dann die Knöpfe am Rock: auf der Brust, an den Taschen, den Ärmeln, am Kragen und an den Schulterstücken. Das dauerte seine Zeit, denn Großmutter hielt nichts von schlampiger Arbeit.

„Ich nähe, so schnell ich kann und so gründlich wie möglich", sagte sie. „Schneller geht es beim besten Willen nicht."

Endlich saß auch der sechsunddreißigste Knopf an der Stelle, wohin er gehörte. Herr Dimpfelmoser atmete auf. Ruck, zuck war er angezogen. Er setzte den Helm auf und schnallte den Säbel um.

„Großmutter", sagte er, sich den Schnurrbart zwirbelnd, „Sie ahnen gar nicht, wie dankbar ich Ihnen bin! Endlich fühlt man sich wieder als ganzer Mensch. Und nun schleunigst ins Spritzenhaus! Hoffentlich haben Kasperl und Seppel dort keinen Murks gemacht, so ein Räuberfang ist bekanntlich kein Kinderspiel!"

Er stürmte mit langen Schritten davon. Vor der Haustür bestieg er sein Fahrrad und wollte losfahren – da kam Großmutter aus dem Haus gelaufen.

„Herr Oberwachtmeister!", rief sie. „Herr Oberwachtmeister!"

„Was gibt's denn? Sie sehen doch, dass ich in Eile bin!"

„Aber der Schlüssel, Herr Oberwachtmeister! Wollen Sie denn den Schlüssel nicht mitnehmen?"

„Welchen Schlüssel, zum Donnerwetter?"

„Den Schlüssel zum Spritzenhaus!"

„Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Her damit, her damit! Jede Sekunde ist kostbar, auf Wiedersehen!"

„Auf Wiedersehen, Herr Oberwachtmeister! Alles Gute!"

Großmutter blieb in der Haustür stehen und wartete, bis das rote Rücklicht im Dunkel der Nacht verschwunden war.

„Ich finde es ungeheuer beruhigend, dass er Kasperl und Seppel zu Hilfe eilt", dachte sie.

Immer hereinspaziert

Im Spritzenhaus herrschte tiefe Finsternis. Kasperl hatte sich an der rechten Innenseite des Tores aufgestellt, Seppel links, jeder mit einer Feuerpatsche bewaffnet.

„Ob Hotzenplotz kommt?", fragte Seppel zum einhundertsiebenundfünfzigsten Mal; und Kasperl antwortete: „Bestimmt! Oder meinst du, dass der sich einen vergrabenen Schatz entgehen lässt?"

Seppel kicherte vor sich hin.

„Schade, dass es hier drin so finster ist! Ich wollte, wir könnten sein dummes Gesicht sehen, wenn wir ihm unsere Feuerpatschen aufs Dach hauen ..."

„Pscht!", unterbrach ihn Kasperl aufgeregt. „Draußen kommt wer!"

Sie hörten, wie jemand über den Marktplatz geradelt kam und das Rad an der Mauer abstellte.

Hotzenplotz – mit dem Fahrrad?

„Gewiss hat er es gestohlen", flüsterte Kasperl.

Nun wurde ans Tor geklopft.

„Seid ihr noch drin?", fragte eine leise Stimme.

Kasperl und Seppel verhielten sich mäuschenstill. So dumm waren sie nicht, dass sie Hotzenplotz auf den Leim gingen und sich verrieten.

„Warum sagt ihr nichts? Ich bin es, Dimpfelmoser! Wartet, ich komme jetzt zu euch rein ..."

„Komm du nur!", dachte Kasperl. „Du scheinst nicht zu wissen, dass Oberwachtmeister Dimpfelmoser seit gestern Mittag bei uns zu Hause im Bett liegt!"

Draußen wurde der Schlüssel ins Schloss gesteckt und zweimal herumgedreht. Kasperl und Seppel hoben die Feuerpatschen und hielten den Atem an.

Vorsichtig wurde das Tor geöffnet und jemand steckte den Kopf herein. Im Mondschein erkannten sie, dass es Hotzenplotz sein musste. Wie zu erwarten, trug er die Polizeiuniform und den Helm des Herrn Oberwachtmeisters Dimpfelmoser.

„Immer hereinspaziert!" Kasperl schlug ihm mit seiner Feuerpatsche den Helm vom Kopf, Seppel besorgte den Rest.

„So, den hätten wir! – Und was nun?"

„Nun die Uniform aus und den Schlauch her!"

Der Gefangene lag auf der Nase und rührte sich nicht. Kasperl zog ihm mit Seppels Hilfe die Uniform aus. Nebst Schuhen und Strumpfsocken, wie sich von selbst versteht. Dann wickelten sie ihn von unten bis oben in einen Feuerwehrschlauch und stülpten ihm einen leeren Wassereimer über den Kopf.

„Er soll es um kein Haar besser haben als Oberwachtmeister Dimpfelmoser!", erklärte Kasperl; und Seppel meinte: „Gewiss nicht!"

Das Spritzenhaustor stand offen, der Mond schien herein und leuchtete ihnen. Kasperl und Seppel zerrten ihren Gefangenen in die hinterste Ecke des Raumes, genau an die gleiche Stelle zwischen der Wand und dem Feuerwehrauto, wo auch Herr Dimpfelmoser gelegen hatte.

„Von allein kommt er hier nicht weg", meinte Kasperl. „Ich sause jetzt mit den gestohlenen Sachen nach Hause und du bleibst als Wache hier."

„Gut", sagte Seppel. „Ich halte für alle Fälle die Feuerpatsche bereit – und wenn Hotzenplotz den Versuch macht ..."

An dieser Stelle wurde er mitten im Satz unterbrochen: Irgendwer hatte das Tor des Spritzenhauses von außen zugeknallt. Nun standen die beiden wieder im Finstern. Sie hörten den Schlüssel im Schloss knacken, einmal und noch einmal.

„Heda!", rief Kasperl. „Was soll das? Hier sind ja Leute drin!" Er schlug mit den Fäusten ans Tor, er trat mit den Füßen dagegen. „Aufsperren! Aufsperren!"

Als Antwort ertönte vom Gitterfenster herab ein dröhnendes Lachen. Die Freunde fuhren herum. In der Fensteröffnung erblickten sie einen behelmten Kopf, der sich deutlich vom hellen Nachthimmel abhob. Noch einen!

„Na, ihr zwei Flaschenpostler?"

Kasperl und Seppel kamen sich vor wie in einem bösen Traum. War das Hotzenplotz, dort am Fenster? Aber den hatten sie doch gerade erst in den Feuerwehrschlauch gewickelt ...

„Damit habt ihr wohl nicht gerechnet, wie?"

Es war tatsächlich Hotzenplotz! Diese Stimme gab es kein zweites Mal.