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„Wenn ihr mich reinlegen wollt, müsst ihr's schlauer anstel-

len! Ich bin schließlich nicht blöd. Ich bin ein gelernter Räuber – und ihr seid geborene Hornochsen, hö-hö-hö-höööh!"

Kasperl und Seppel verstanden die Welt nicht mehr.

„Aber w-wir h-haben Sie ...", stammelte Seppel. „W-wir h-haben Sie doch gerade erst m-mit der F-feuerpatsche ... Und dann..."

„Dann haben wir Sie in den Schlauch gewickelt!", rief Kasperl.

„Mich?", widersprach ihm Hotzenplotz. „Mich gewiss nicht! Ich lasse mich nämlich nicht einwickeln, merkt euch das, von euch beiden schon gar nicht! Am besten, ihr schlaft jetzt und lasst euch was Hübsches träumen – meinetwegen von einem vergrabenen Schatz in einem gewissen Spritzenhaus – oder von Kasperls Großmutter ..."

„Lassen Sie Großmutter aus dem Spiel!", rief Kasperl entrüstet.

„Im Gegenteil!", sagte der Räuber Hotzenplotz. „Mit Großmutter habe ich eine Menge vor. Das Spiel mit ihr soll erst richtig losgehen, hö-hö-hö-höööh!"

Ein Mann mit Herz

Hotzenplotz prüfte nach, ob das Spritzenhaus gut verschlossen war; dann schwang er sich auf Herrn Dimpfelmosers Fahrrad und während Kasperl und Seppel um Hilfe riefen (aber um diese Zeit war das völlig zwecklos, da alle Leute im Städtchen schliefen und niemand sie hören konnte), radelte er durch die stillen Straßen zum Häuschen von Kasperls Großmutter.

Großmutter war noch wach.

Sie vertrieb sich die Zeit mit Stricken: zwei glatt, zwei verkehrt – zwei glatt, zwei verkehrt ...

Hotzenplotz spähte durchs Fenster. Er ließ sie die Nadel zu Ende stricken, dann klopfte er an die Scheibe.

„Pscht! Großmutter!"

Großmutter legte den Strickstrumpf weg.

„Ist da wer?"

„Ja", sagte Hotzenplotz leise und mit verstellter Stimme. „Kommen Sie, ich bin's!"

„Ach, Sie sind das!" Großmutter hielt ihn für Oberwachtmeister Dimpfelmoser. „Warum schon zurück – und wo haben Sie Kasperl und Seppel?"

„Die warten im Spritzenhaus", flüsterte Hotzenplotz.

„Mit dem Gefangenen?"

„Mit dem Gefangenen."

„Dann hat also alles geklappt?"

„Wie am Schnürchen."

„Na, wundervoll! Wollen Sie denn nicht reinkommen?"

„Kommen Sie lieber raus", sagte Hotzenplotz. „Und vergessen Sie nicht den Hut aufzusetzen. Es kann etwas länger dauern, ich werde Sie Hotzenplotz gegenüberstellen. Sie haben doch keine Angst vor ihm?"

„Wenn Sie dabei sind, Herr Oberwachtmeister – dann gewiss nicht!"

Großmutter setzte den schwarzen Hut mit der grauen Borte auf, nahm für alle Fälle ein warmes Wolltuch um und eilte hinaus. Hotzenplotz salutierte.

Da er den Mond im Rücken hatte brauchte er nicht zu fürchten, dass Großmutter ihn erkannte.

„Ich bin mit dem Fahrrad gekommen", flüsterte er. „Das geht schneller und außerdem ist es bequemer für Sie."

Großmutter legte die Hand ans Ohr.

„Ich verstehe Sie kaum, Herr Oberwachtmeister. Sprechen Sie doch ein wenig lauter!"

„Bedaure", erwiderte Hotzenplotz, ebenso leise wie vorhin. „Es ist wegen der Nachbarschaft, Sie verstehen. Die Nachtruhe meiner verehrten Mitbürger ist mir heilig."

„Das haben Sie schön gesagt", meinte Großmutter. „Daran merke ich, dass Sie ein Mann mit Herz sind. Ein Hotzenplotz würde das niemals sagen!"

Rollsplitt

In der Uniform des Herrn Polizeioberwachtmeisters Alois Dimpfelmoser radelte der Räuber Hotzenplotz mit Kasperls Großmutter auf dem gestohlenen Dienstfahrrad durch das schlummernde Städtchen.

Großmutter saß im Damensitz auf dem Gepäckträger und hielt sich mit beiden Händen am Sattel fest. Anfangs war sie ein wenig ängstlich gewesen, doch allmählich begann ihr das Radfahren Spaß zu machen.

„Stellen Sie sich vor", kicherte sie, „dies ist in meinem ganzen Leben das erste Mal, dass ich auf einem Fahrrad sitze! Als ich ein junges Mädchen war, gab es noch keine Fahrräder, wissen Sie; und in späteren Jahren hatte ich keine Gelegenheit mehr dazu. Ich glaube, Sie haben mich auf den Geschmack gebracht. Ob ich mir auf die alten Tage ein Fahrrad anschaffen sollte – was meinen Sie?"

Hotzenplotz brummte etwas wie „gute Idee" und „das finde ich ausgezeichnet"; aber im Stillen dachte er: „Hoffentlich geht das noch eine Weile glatt mit ihr ..."

Spätestens an der nächsten Kreuzung musste selbst Großmutter merken, dass sie in die falsche Richtung radelten. Aber ein richtiger Räuber weiß sich in jeder Lage zu helfen.

„Vorsicht, Großmutter!", zischte er. „Hier beginnt eine Baustelle, da liegt Rollsplitt – der spritzt einem ins Gesicht, wenn man drüberradelt. Am besten, Sie nehmen für eine Weile den Zwicker runter und machen die Augen zu. Haben Sie mich verstanden?"

„Danke – zu liebenswürdig!"

Großmutter nahm den Zwicker von der Nase und schloss die Augen. Sie sah sich im Geist als stolze Besitzerin eines Fahrrades durch das Städtchen flitzen; und alle Leute, die ihr auf der Straße begegneten, blickten ihr voll Bewunderung nach.

Solche und andere angenehme Gedanken hinderten sie freilich nicht daran, sich von Zeit zu Zeit zu erkundigen, ob denn die Baustelle immer noch nicht zu Ende sei.

„Leider nein!", pflegte Hotzenplotz dann zu antworten.

„Sie tun gut daran, wenn Sie den Zwicker noch eine Weile unten lassen. Mit Rollsplitt ist nicht zu spaßen."

So kam es, dass Großmutter viel zu spät merkte, was da mit ihr gespielt wurde. Als sie Verdacht schöpfte und den Zwicker aufsetzte, lagen die letzten Häuser des Städtchens schon weit hinter ihnen und eben bog Hotzenplotz von der Landstraße ab, in den Wald hinein.

„Heda!", rief Großmutter. „Wohin fahren Sie uns denn da, Herr Oberwachtmeister. Warum radeln wir nicht zum Spritzenhaus?"

„Darum!", sagte der Räuber Hotzenplotz barsch.

Er sagte es laut und mit seiner gewohnten Stimme. Großmutter merkte gleich, dass da etwas faul war.

„Hören Sie mal, Sie da vorn!", rief sie. „Sind Sie womöglich gar nicht der Herr Polizeioberwachtmeister Dimpfelmoser?"

Hotzenplotz radelte lachend weiter.

„Das haben Sie reichlich spät gemerkt", meinte er. „Raten Sie mal, wer ich wirklich bin, hö-hö-hö-höööh!"

Großmutter war empört.

„Ich kenne nur einen Menschen im ganzen Landkreis, dem ich ein solches Schurkenstück zutraue", rief sie – „und das sind Sie! Was haben Sie eigentlich mit mir vor?"

„Ich entführe Sie."

„Dass ich nicht lache! Ich werde um Hilfe schreien! – Hilfe! Zu Hiiilfeee! Man will mich entführen! Rettet mich! Rettet miiiiich!"

„Schreien Sie ruhig, so lang Sie wollen", meinte der Räuber Hotzenplotz, „hier im Wald hört Sie doch keiner. Alles, was Sie mit Ihrem Gebrüll erreichen, ist, dass Sie Halsweh kriegen."

Damit hatte er leider Recht. Großmutter schluchzte ein paarmal und sagte mit tränenerstickter Stimme:

„Schämen Sie sich, Herr Hotzenplotz! Als hilflose alte Dame erwarte ich, dass Sie mich auf der Stelle nach Hause zurückbringen und sich bei mir entschuldigen."

Hotzenplotz lachte schallend.

„Na schön", sagte Großmutter. „Wenn Sie mich nicht zurückbringen, werde ich eben vom Rad springen und davonlaufen."

„Bitte sehr!", brummte Hotzenplotz. „Erstens ist das in Ihrem Alter nicht ungefährlich und zweitens würden Sie nicht weit kommen."

Auch damit hatte er leider Recht.

„Ich sehe schon", dachte Großmutter, „dass mir nichts anderes übrig bleibt, als ihm die Fahrradpumpe über den Kopf zu hauen."