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»Sollen wir uns ihm anschließen? Was meinst du?« fragte El-ahrairah nach einer Weile. »Es könnte uns den Weg nach draußen zeigen.«

»Mach bloß keinen Fehler, Meister«, mahnte Rabscuttle. »Ich weiß nicht, wer oder was das ist, aber ich weiß, daß es hinter uns her ist und uns totmacht, wenn es uns findet. Wir werden gejagt.«

Jetzt fingen sie beide an zu rennen, es war eine Flucht in Panik, einmal diesen Weg, dann den anderen, ohne zu wissen, wohin sie liefen. Es war ein Alptraum, eine ziellose Flucht, die der Kaninchennatur widerspricht. Denn normalerweise, wie ihr alle wißt, erkennt ein Kaninchen, woher Gefahr droht oder wo der Feind steht, und es läuft in die entgegengesetzte Richtung. Aber hier, in diesem komischen Feld mit seinen vielen Pfaden, konnten sie nicht feststellen, wo sich die Gefahr befand; sie konnten auch nicht vor ihrem Verfolger davonlaufen, denn jeder verschlungene Pfad war plötzlich zu Ende und zwang zur Umkehr auf demselben Weg. Es konnte auch sein, daß sie genau auf diesen unbekannten Feind zurannten, und die Angst vor ihm hielt ihre Herzen umklammert und packte jeden Augenblick stärker zu. Sie liefen hinauf und hinunter, hin und her, hilflos und voller Entsetzen, und zugleich wuchs ihre Erschöpfung.

Schließlich sanken sie im einbrechenden Dunkel zu Boden, wo eine der Hecken endete und eine Lücke ließ, hinter der sich ein gerade verlaufender Pfad öffnete.

»Ich kann nicht mehr, Meister«, keuchte Rabscuttle. »Ich bin fertig. Und außerdem laufen wir im Kreis. Hier waren wir schon einmal. Hier liegt noch mein hraka von vorhin.«

An diesem Punkt erkannte El-ahrairah, wie vergeblich ihre Flucht war. Er wandte den Kopf, um zu sehen, woher sie gekommen waren, und in diesem Augenblick sah er zum ersten Mal hinter sich den Verfolger, der näherkam.

In den Jahren danach war El-ahrairah niemals bereit zu beschreiben, was er gesehen hatte, und nur einmal sprach er überhaupt davon. Das war, als ein Kaninchen ihn einst fragte: »Aber du hast doch das Schwarze Kaninchen von Inle gesehen und mit ihm gesprochen ... wie hätte das komische Feld denn schlimmer sein können?«

»Das Schwarze Kaninchen«, erklärte El-ahrairah, »flößte einem einen gewaltigen Schrecken ein, das Gefühl der Hilflosigkeit und Angst vor immerwährender Finsternis. Aber es ist nicht böse oder grausam.« Und kein weiteres Wort kam über seine Lippen.

Angesichts dieses schaurigen, grausigen, furchtbaren Anblicks raste El-ahrairah blindlings durch eine Lücke direkt neben ihnen, und Rabscuttle folgte ihm auf dem Fuße. Und nun sahen sie auch den Weg, der hinausführte, den sie offenbar vorher immer übersehen hatten.

»Auch wenn der Weg sich nicht von selbst dorthin gezaubert hat«, pflegte Rabscuttle zu sagen, »würde ich das trotzdem immer noch gern glauben. Es gibt nichts von diesem Feld, was ich nicht glauben würde.«

Einmal draußen, rannten sie über die offene Wiese, wußten aber instinktiv, daß sie nicht mehr verfolgt wurden. »Es geht nicht über sein Revier hinaus«, sagte El-ahrairah.

Bald sahen sie auch Greenweed beim silflay im letzten Tageslicht. Als sie vor ihm standen, fuhr er erschreckt in die Höhe, starrte sie ungläubig und völlig entgeistert an und versuchte wegzulaufen. El-ahrairah packte ihn und drückte ihn zu Boden.

»Hat also diesmal nicht geklappt, Greenweed«, sagte er. »Du widerliche, lügenhafte Kreatur. Jetzt ist uns alles klar. Dieses - dieses ruchlose Wesen hat dir erlaubt, hier zu leben, und beschützt dich aus eigenem Interesse vor elil. Es war deine Aufgabe, dich mit jedem Kaninchen, das sich hierher verirrte, anzufreunden und es zu ermuntern, in das Feld zu gehen, weil es so interessant wäre. Und wenn es drinnen war, hast du deinen Herrn verständigt.«

Der elende Greenweed brachte kein Wort hervor, überzeugt, daß El-ahrairah ihn töten würde.

»Aber das war das letzte Mal«, sagte El-ahrairah zum Schluß. »Du kommst morgen mit uns, und wir werden schon ein Plätzchen für dich finden, wo du wie ein anständiges Kaninchen bis ans Ende deiner Tage leben kannst.«

Greenweed brach am nächsten Tage mit ihnen auf, und sie ließen ihn im ersten Gehege, zu dem sie kamen. El-ahrairah erzählte dem Leitkaninchen nichts von dem schändlichen Verrat, sagte nur, er sei zu alt, um mit ihnen weiterzureisen. Sie haben nie wieder etwas von ihm gehört.

9. Der Marsch über den großen Sumpf

... und er neigte sich zu mir und hörte mein Schreien und zog mich aus der grausamen Grube und aus dem Schlamm und stellte meine Füße auf einen Fels, daß ich gewiß treten kann.

Psalm 40:2

An einem schönen klaren Mittsommermorgen kurz nach Tagesanbruch überquerten El-ahrairah und Rabscuttle auf ihrem Heimweg eine grasbewachsene Senke zwischen zwei Hügeln. Kolonien von Margeriten standen schon in voller Blüte, und auch lila Esparsetten waren da. Sie hielten an, um sich am frischen Gras gütlich zu tun, und derweil wehte ihnen eine leichte Brise von unten herauf die Gerüche von Schafen und Flußpflanzen zu.

Vor ihnen lag ein Gelände von einer Beschaffenheit, mit der sie vertraut waren. Nur an der Westseite grenzten die Felder an ein Sumpfland, das sich weit nach Norden erstreckte. Ein Mann war dabei, Schilf zu schneiden, doch sonst war das Tal friedlich und still.

Die Kaninchen kletterten gemächlich hinunter und kamen an ein Feld, das neben dem Sumpf lag und an der gegenüberliegenden Seite von einem Abhang begrenzt wurde, den oben Holunder- und Weißdornhecken krönten. Im Hang war eine Reihe von Kaninchenlöchern, und als sie sich denen näherten, kamen zwei Kaninchen heraus und beobachteten sie. El-ahrairah begrüßte sie und erwähnte das schöne Wetter.

»Ihr seid doch hlessil, oder?« fragte eines der Kaninchen. Das andere starrte nur auf El-ahrairahs verletzte Ohren und sagte nichts.

»Ja, so könnte man sagen«, antwortete El-ahrairah. »Wir sind schon ziemlich lange unterwegs, aber jetzt täten uns ein paar Tage Ruhe gut. Meint ihr, wir dürften hierbleiben? Mir gefällt das Gehege, so wie es aussieht, und wenn's nicht überfüllt ist, hätte vielleicht niemand etwas dagegen, daß wir hier Rast machen.«

»Das muß natürlich unser Anführer entscheiden«, erwiderte das zweite Kaninchen. »Kommt mit, ich bring euch hin. Ich glaube nicht, daß er etwas dagegen hätte. Im allgemeinen ist er sehr umgänglich.«

Die Kaninchen gingen zusammen unten den Abhang entlang und hielten neben vier oder fünf Löchern am anderen Ende an.

»Hier ist der Chef gewöhnlich zu finden«, sagte das erste Kaninchen. »Ich geh mal rein und sag ihm, daß ihr hier seid. Er heißt übrigens Burdock«, fügte er hinzu und verschwand im nächstgelegenen Loch.

Als Burdock herauskam, um sie willkommen zu heißen, machte er sofort Eindruck auf El-ahrairah. Er verhielt sich überhaupt nicht unfreundlich und fand es offenbar ganz natürlich, daß zwei hlessil eine Weile in seinem Gehege bleiben wollten.

»Mit elil haben wir hier kaum Ärger«, sagte er, »und bis heute haben uns auch die Menschen in Ruhe gelassen. Ihr seid wahrscheinlich von weither gekommen, stimmt's? Hier gibt es meines Wissens weit und breit keine anderen Gehege. Selbstverständlich könnt ihr hierbleiben, solange ihr wollt.«