Выбрать главу

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das ganze Gehege informiert war - und dann gab es weitere Schwierigkeiten. Von allen Seiten kamen Kaninchen, um mit Burdock zu sprechen, mit Celandine zu sprechen, mit El-ahrairah zu sprechen. Einige glaubten nicht an die Gefahr und verkündeten, sie würden nicht mitgehen. Die Weibchen sagten, sie hätten Neugeborene in ihren Wohnkesseln - was sollten sie machen? Ihnen konnte El-ahrairah nur erklären, sie müßten ihren Wurf zurücklassen, wenn ihnen ihr Leben lieb wäre, und ihm folgen, was sie erboste. Andere fragten ihn, wie weit es über den Sumpf wäre und wie lange es dauern würde, um ihn zu überqueren. Er antwortete, er wisse es nicht, sei aber entschlossen, ihr Leben zu retten, wenn er es könnte.

Nach einiger Zeit holte er Rabscuttle und ging zur Platane. Überrascht stellte er fest, daß dort schon eine Menge Kaninchen auf ihn warteten, unter ihnen Burdock und Celandine. Er sprach ihnen Mut zu und belobigte sie, daß sie mitkommen wollten - sie hätten sich richtig entschieden. Als hinter seinem Rücken der Mond aufging, brach er ohne zu zögern zum Sumpfgebiet auf.

In Wahrheit wußte El-ahrairah allerdings von Sümpfen etwas mehr als die meisten Kaninchen, denn er hatte einst in den trüben Mooren von Kelfazin gelebt. Er hatte erkannt, daß diese Kaninchen nur eine Chance hatten, wenn sie den Sumpf überquerten, und da sie ihr Leitkaninchen nicht führen wollte, mußte er es tun. Aber er hatte überhaupt nicht daran gedacht, wie das in Wirklichkeit sein würde. Aber er lernte sehr schnell, und zwar gleich von Anfang an. Kaum war er in das Sumpfgebiet eingedrungen, kam er zu einer unbewachsenen Stelle und sank ganz plötzlich mit den Vorderpfoten bis zum Bauch ein. Er riß sich gerade noch rechtzeitig zurück und stieß dabei gegen Burdock, dem er aufgetragen hatte, direkt hinter ihm zu bleiben, damit es wenigstens so aussähe, als ob ihr Leitkaninchen sie führte. Er hielt kurz inne, dachte nach und machte ein paar Schritte nach links. Wieder sank er ein, und wieder riß er sich zurück. Also nach rechts? Es würde auch nicht besser sein, dachte er, zwang sich aber, es zu versuchen. Diesmal kam er etwas weiter, bevor der Boden unter ihm nachgab. Er zog sich heraus, legte sich hin und wälzte sich herum, erst einmal, dann zweimal, bevor er aufstand. Jetzt hatte er festen Boden unter den Füßen.

Er wartete auf Burdock und Celandine und ging dann am Rand der morastigen Stelle entlang, wo er eingesunken war. Nach einer größeren Strecke wandte er sich wieder nach links und untersuchte den Boden Schritt für Schritt. Diesmal sank er nicht ein und hatte die kleine Hoffnung, daß er den Morast vielleicht umrundet hätte, und in diesem Fall, dachte er, könnte er jetzt wieder geradeaus gehen, immer den Mond im Rücken.

Er ging äußerst vorsichtig, probierte jedes Stück Boden erst aus, bevor er es mit seinem Gewicht belastete. Manchmal trug ihn der Boden, und manchmal sanken die Pfoten ein, bevor er sie zurückziehen konnte. Im Licht des Vollmonds hatte er jetzt gute Sicht und schaute prüfend umher, um zu sehen, ob es einen Unterschied, wenn auch nur einen winzigen, zwischen sicherem und unsicherem Boden gab. Aber zu sehen war nichts - jedoch, man konnte ihn erschnüffeln. Der Boden, der etwas trockener war, roch anders als Moorboden. Herumwitternd, kam er gut voran, wenn auch nur langsam und oft in Kurven. Der Weg nach Westen allerdings war schwierig; oft mußten sie lange Umwege rechts oder links machen, bevor sie wieder vorsichtig geradeaus weiterziehen konnten. Einmal kam er zu einem kleinen Moorsee, das stehende Wasser so still, daß sich der Mond darin spiegelte. Er ging weitläufig darum herum, in der Annahme, daß die Uferstellen nur dünner Schlamm sein würden.

Nachdem die Nacht zur Hälfte vorüber war, wurde er allmählich sehr müde. Es war schon schwierig genug, dauernd die Pfoten aus dem Sumpf zu ziehen, aber dazu kam noch die Anstrengung, unaufhörlich wittern zu müssen und jeden Schritt erst auszuprobieren, bevor er den Boden mit seinem Gewicht belasten durfte. Wie weit waren sie denn nun tatsächlich über den Sumpf gekommen? Wie groß war der Sumpf überhaupt? Er ahnte nun, daß sie ihn bis Sonnenaufgang nicht überqueren könnten und vielleicht noch den ganzen nächsten Tag und auch noch die ganze nächste Nacht dazu brauchen würden. Die Kaninchen müßten ausruhen, aber eben nur in offenem Gelände, ohne Busch oder Hecke zur Deckung.

Das würde ihnen nicht gefallen, und ihm bestimmt auch nicht.

Falls sie überhaupt hier herauskämen - auf was für ein Gelände würden sie gelangen?

Er wischte diese Gedanken beiseite, um den nächsten Schritt zu bedenken. Das war immer noch der einzige Weg, dachte er:    einen Schritt vor den andern zu setzen und fortwährend die Pfoten zur rechten Zeit zurückzuziehen. Zweimal schreckte er Moorschneehühner auf, die verärgert und laut kreischend davonflogen, denn es schien ihnen doch sehr gegen die Natur zu sein, daß Kaninchen - ausgerechnet Kaninchen! - hier um Mitternacht herumwuselten.

In späteren Zeiten pflegte El-ahrairah zu sagen, daß dieser nächtliche Marsch über den Sumpf das schlimmste all seiner Abenteuer gewesen war. Mehrmals fürchtete er, daß er niemals heil herauskäme. Andererseits war er froh, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als sich weiter abzumühen, denn hätte es eine andere Möglichkeit gegeben - er hätte sie ohne zu zögern wahrgenommen. Der Mond zeigte ihm nur eine trostlose, leere Fläche, auf der überall schreckliche Gefahren lauerten, wo es weder Zuflucht noch Obdach gab. Es würde nicht lange dauern, bis sein Körper im Schlamm versunken war, dachte er. Und was dann? Rabscuttle müßte dann übernehmen; für diesen Fall sollte er besser ein paar Anweisungen von ihm bekommen.

Beim Aufbruch hatte er Rabscuttle zur Nachhut bestimmt, damit er auf Nachzügler und Ausfälle achten konnte. Aber jetzt ließ er nach hinten weitersagen, daß Rabscuttle sofort vorkommen solle.

Das schien ewig zu dauern. Als er endlich vorn auftauchte, fragte ihn El-ahrairah, wie es hinten aussah. Wie verhielten sich die Kaninchen?

»Besser als ich dachte«, sagte Rabscuttle. »Keines ist ausgefallen, und keines mußte zurückgelassen werden. Die sind alle noch überzeugt, daß sie hinkommen - wo immer das ist. Und zum Glück haben wir da hinten auch noch einen guten Geschichtenerzähler, ein Kaninchen namens Chicory, das hält die anderen munter mit einer Geschichte nach der anderen, und keines fällt aus, weil jedes wissen will, wie es weitergeht, verstehst du? Also, was kann ich für dich tun, Meister?«

El-ahrairah erklärte es ihm und blieb so lange bei Rabscuttle, bis er gewiß sein durfte, daß er es begriffen hatte. Dann überließ er ihm die Aufgabe, sich den Weg zu erschnüffeln, und ließ den ganzen Zug der Kaninchen vorüberziehen. Rabscuttle, dachte er, hatte recht gehabt. Sie waren mehrheitlich in guter Verfassung, und der Führung einfach zu folgen, hatte sie offenbar nicht ermüdet. Seine eigene Erschöpfung und Niedergeschlagenheit konnte er nur der Last der Verantwortung zuschreiben, die er selbst übernommen hatte, und außerdem der Mühe, immer wieder den Weg auszurufen, gefährlichen Boden auszumachen und rechtzeitig zurückzuweichen. Er wartete Chicory ab und hörte belustigt zu, wie der die Geschichte von den Salatblättern des Königs erzählte. Ganz am Ende der Kolonne fand er ein kleines, sehr junges Kaninchen, das nur mit Mühe mitkam. Er sprach ihm mit herzlichen Worten Mut zu und begleitete es eine Weile, bevor er zu Rabscuttle und Burdock zurückkehrte.

Wie er erwartet hatte, war Rabscuttle der unangenehmen Aufgabe völlig gewachsen und machte seine Sache gut -besser als ich, dachte El-ahrairah. Rabscuttle fand es richtig erheiternd, wenn seine Vorderpfoten im Schlamm einsanken. Er glaubte anscheinend nicht, in Gefahr zu sein, wenn aber doch, dann verbarg er es sehr gut. Aber noch besser war es, daß er sich offenbar mit Burdock und Celandine so gut verstand. Er hatte sogar Celandine kurzzeitig die Führung überlassen. »Ist nichts dabei«, sagte er dauernd, »ist ja nichts dabei« und »Uups!«, wenn Celandine bis zu den Schultern versank.