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Nach einiger Zeit war es uns, als kennten wir Flyairth und Prake. Aber zwei Dinge wußten wir nicht: Wir wußten nicht, ob die zwei Weibchen etwas mit dem Aussenden der Wissensströme zu tun hatten, und wir wußten nicht, ob diese Strömung noch irgendwo anders, außerhalb von Efrafra, hinkam - durch ein anderes Gehege hindurch, meine ich, zu anderen Kaninchen. Wir konnten nicht darauf antworten, versteht ihr? Wir konnten nur das Wissen empfangen, das uns durch den Geheimen Fluß zuströmte, und einander täglich bestätigen, um was es sich gehandelt hatte.

Wir wußten, daß Flyairth und Prake ein eigenes Gehege nach ihren eigenen Wünschen eingerichtet hatten - Thinial nannten sie es - und daß die Männchen unter der Herrschaft der Weibchen zufrieden waren. Männchen, die sich nicht damit abfinden wollten, gingen einfach weg, und niemand hielt sie auf. Die kleine Owsla, aus Weibchen bestehend, war sehr beliebt. Das waren gewiß die klügsten Kaninchen, die man sich denken konnte; sie schikanierten die anderen nicht, und folglich gab es auch keinen Groll.

Einige Alleinstehende brachten offenbar dennoch Junge zur Welt. Sie erkoren sich Männchen, die sie mochten, und vereinigten sich mit ihnen. Wenn sie dann später ihre Jungen austrugen, beurlaubten sie sich von der Owsla, solange es nötig war, um die Kleinen aufzuziehen und ihnen selbständiges Handeln beizubringen. Wenn die Jungkaninchen sie nicht mehr brauchten, meldeten sie sich wieder zur Owsla zurück.

Flyairth hatte selber zwei Würfe, und soweit wir das mitbekommen konnten, wuchsen ihre Jungen zu wackeren Kaninchen heran.

Lange Zeit empfingen wir dann nichts mehr. Ich dachte mir, da Thinial nun gut und gedeihlich organisiert war, gebe es für    uns    nichts mehr zu lernen, und die Wissensübermittlung durch den Geheimen Fluß sei nun zu Ende. Ich kann nicht sagen, daß ich darüber traurig war, denn die ganze Sache war mir unheimlich gewesen. Ich hatte dauernd Angst, daß General Woundwort etwas darüber erfahren könnte. Und doch machte ich weiter, jede Nacht legte ich mich in die Strömung des Flusses. Ich war süchtig.

Ich konnte nicht aufhören.

Aber dann war da eines Nachts eine Art von ... heftig verwirbeltem Nebel, der mich umhüllte; ich befand mich in einem verwirrenden Durcheinander, in dem ich nichts empfangen konnte oder jedenfalls nichts verstand. Den anderen erging es genauso.

Schließlich schälte sich doch eine Sache klar heraus, nämlich ein Stück Wissen, das handelte von der Weißen Blindheit. Von uns hatte noch niemand ein Kaninchen an der Weißen Blindheit sterben sehen, aber wir wußten davon soviel wie alle Kaninchen. Zum Beispiel, wie ein infiziertes Kaninchen im Freien herumtaumelt, nichts sehen kann, so daß es am Ende vielleicht sogar ins Wasser stolpert und ertrinkt, und daß andere Kaninchen sich anstecken, so daß ein ganzes Gehege vernichtet wird. Wir wußten, daß es lange dauert, bis ein Kaninchen an der Weißen Blindheit stirbt.

Wir erhielten in dieser Nacht alle drei Kenntnis von der Blindheit. Sie betraf uns nicht, sie war einfach da wie ein Stein oder ein Baum. Wir haben nicht geglaubt, daß sie durch den Geheimen Fluß herunterkommt, um uns anzustecken, doch schon dieses Wissen, das alles andere im Fluß zurückdrängte und ihn auf unerklärliche Weise aufwühlte, war erschreckend genug.

Zwei Nächte später wurde das Wissen ergänzt. Flyairth war beim Spazieren außerhalb von Thinial auf ein einzelnes torkelndes Kaninchen gestoßen, ein hlessi, das an der Blindheit starb. Zu Tode erschreckt hielt sie sich abseits, sah aber dann, daß es sich aus eigenem Antrieb Thinial näherte. Doch anscheinend im letzten Moment schleppte es sich in anderer Richtung weiter.

Das war alles, was uns der Fluß in dieser Nacht übermittelte.

Anschließend erfuhren wir mehrere Nächte lang hintereinander nur noch von Flyairths wachsender Sorge; sie wußte, wenn die Blindheit irgendwie in ihr Gehege hineingetragen würde, wäre Thinial von Zerstörung bedroht.«

»Nicht ich war es«, sagte Vilthuril, »sondern Hyzenthlay, die vom Fluß erfuhr, daß Flyairth alles auf sich nehmen würde, um die Blindheit von Thinial fernzuhalten. Sie hatte die größte Angst, daß ein angestecktes Kaninchen, ein Fremdling, zufällig ins Gehege eindringen könnte. Es ist ja eine merkwürdige Sache, wie ihr sicher alle wißt, daß angesteckte Kaninchen durchaus fähig sind, sich zu paaren, und das auch oft tun.

Flyairth teilte ihrer Owsla ihre Befürchtungen mit, und sie waren alle dafür, daß alles getan werden sollte, um angesteckte Kaninchen vom Gehege fernzuhalten. Am Tage wurde allen Fremdlingen der Einlaß verweigert, gleichgültig, ob man ihnen die Ansteckung ansehen oder ob man sie riechen konnte. In der Nacht war das allerdings schwieriger. Ein Fremdling war unter Umständen in der Lage, ungesehen einzudringen. Die Männchen - jeweils vier - übernahmen freiwillig Nachtwachen, um Fremde abzuweisen.

Das war mehrere Tage lang alles, was wir erfuhren. Aber dann empfingen wir die Nachricht, daß ein angestecktes Männchen, ein Fremdling, nachts in Thinial eingedrungen war und sich mit einem Weibchen gepaart hatte, das nun schwanger war. Eines der wachhabenden Männchen gestand, er habe mit dem Fremdling gekämpft, doch der habe ihn niedergeschlagen und sich den Eintritt erzwungen. Verständlicherweise hatte er nichts gemeldet, in der Hoffnung, nie mehr von der Sache zu hören. Das schwangere Weibchen, Milmown, hatte der Owsla berichtet, der Fremdling habe sich mit ihr gepaart und sei dann seiner Wege gegangen.

Noch hätte alles gut ausgehen können, wenn Milmown nicht blind geworden wäre. Als das offensichtlich wurde, zeigten sich Flyairth und Prake unerbittlich. Milmown, wenngleich von vielen bemitleidet, wurde von der Owsla des Geheges verwiesen mit der Auflage, ja nie zurückzukommen.

Aber sie ging nicht weg. Sie blieb in der Nähe des Geheges und flehte jeden, der sie anhören mochte, an, man möge ihr doch die Rückkehr erlauben. Aus irgendeinem Grund wurde die Entwicklung der Krankheit bei ihr verzögert. Sie kratzte ein Loch in den Sand und brachte dort ihren Wurf zur Welt; es waren nur vier Kaninchen, blind, taub und ohne Fell. Als sie alt genug waren, um sich allein durchs Leben zu schlagen, forderte die Weiße Blindheit ihr Opfer, und Milmown starb.

Alles, was wir drei nun vom Geheimen Fluß erfahren hatten, war dasselbe Wissen, das Tag für Tag wiederholt wurde. Wir wußten, daß die vier Jungen aus Milmowns Wurf im Freien lebten, so gut es ging, nicht weit von Thinial entfernt, und obwohl sie offenbar nicht von der Blindheit befallen waren, verweigerte ihnen die Anführerin des Geheges jede Hilfe und Unterkunft. Niemand konnte sagen, daß sie falsch handelte, doch nur wenige hätten sich imstande gefühlt, solch eine Strenge an den Tag zu legen.

Sicher haben manche in Thinial erwartet, daß die Jungen den Tausend zum Opfer fallen würden, doch keine elil tauchten auf, und wir erfuhren vom Geheimen Fluß, daß die Jungen weiterhin am Leben blieben.

Dann wurde uns neues Wissen zugeströmt - etwas, was vorher noch nicht durch den Fluß gekommen war. Anfangs war es verworren und bruchstückhaft, und wir konnten nichts damit anfangen, bis Thethuthinnang meinte, es hätte vielleicht damit zu tun, daß die Kaninchen in Thinial sich gegen Flyairth stellten. Als wir das einmal begriffen hatten, kamen die Nachrichten klarer durch. Der Grund war der, daß Milmown im Gehege wohlgelitten gewesen war und viele Freunde gehabt hatte, einschließlich einiger Mitglieder der Owsla. Diese Freunde hatten allerdings nicht viel für sie tun können, als sie ausgestoßen worden war, weil sie von der Blindheit befallen war; sie würde sterben, und mehr war dazu nicht zu sagen. Nun aber, da sie nicht mehr lebte und ihre vier Jungen offenkundig nicht blind waren, sagten einige ihrer früheren Freunde, daß Flyairth und Prake zu weit gingen und daß Milmowns Junge draußen dem Tod auszuliefern grausam und völlig unnötig sei. Flyairth hingegen lehnte es ab, ihre Ansicht zu ändern. Die Sicherheit und die Lebensfähigkeit von Thinial waren ihr wichtigstes Ziel, und das rechtfertigte jede Unnachgiebigkeit.