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»Weder du noch sonst jemand könnte dorthin zurückgehen?«

»O nein. Viel zu weit.«

»Kehaar würde es wahrscheinlich finden«, warf Blackberry ein.

»Wir brauchen das auch nicht zu wissen«, sagte Hazel. »Ich wollte nur wissen, ob andere Kaninchen aus Thinial möglicherweise hier auftauchen werden. Die Antwort heißt: Höchst unwahrscheinlich.«

»Hazel-rah«, fragte Flyairth, »wie kommt es, daß du mich nie gefragt hast, ob ich nicht lieber mit Groundsel gegangen wäre, der die Kaninchen zum neuen Gehege geführt hat? Ich wäre sehr gern mit ihnen gegangen, nur, ich habe nichts mehr von ihnen gehört. Als es taute, waren sie auf einmal weg.«

»Es tut mir leid, es kam mir einfach nie in den Sinn, dich zu fragen«, antwortete Hazel. »Weißt du, wir wußten ja schon vor dem Frost, welche von unseren Kaninchen mitgehen sollten. Das war alles schon abgemacht, und unsere Kaninchen wären schon vor deiner Ankunft von hier weggegangen, wenn nicht der Frost plötzlich eingesetzt hätte. Und als es taute, haben wir einfach da weitergemacht, wo wir aufgehört hatten.«

»So wenige haben Groundsel begleitet«, sagte sie. »Wenn's nach mir gegangen wäre, ich hätte das ganze Gehege mitgenommen.«

»Aber zufällig warst du ja nicht das Leitkaninchen, oder?« warf Bigwig ein.

»Ich wäre liebend gern mit ihm gegangen.« Nach einer Pause dann: »Hazel-rah, ich würde gern deiner Owsla etwas sagen, etwas sehr Wichtiges. Aber in diesem Gehege kenne ich mich nicht aus. Wer ist in der Owsla und wer nicht? Ich weiß nicht Bescheid.«

»Ja, das ist unser Fehler«, sagte Hazel. »Weißt du, wir sind zusammen hergekommen und haben alle möglichen Gefahren zusammen durchgestanden, so wie den Kampf mit General Woundwort, und wir haben nie eine Owsla gebraucht, die Befehle erteilt hätte und so was. Wir sind alle in der Owsla. Und es funktioniert auch.«

»Ja, ich weiß, daß es funktioniert«, bestätigte Flyairth. »Ihr seid alle so zufrieden und vertragt euch so gut. Niemand hat hier Feinde, soweit ich sehe.«

»Also dann«, sagte Hazel, »was ist das für eine wichtige Sache? Du kannst es auch uns sagen, und wir werden dir aufmerksam zuhören, das verspreche ich dir.«

»Ich glaube, ihr wißt schon, worum es geht«, erwiderte Flyairth. »Um die Weiße Blindheit. Keiner hier scheint zu wissen, wie sie wirkt, keinem ist diese schreckliche Gefahr bewußt. Keiner von euch hat jemals ein Kaninchen mit der Weißen Blindheit gesehen oder gesehen, wie sich die Blindheit in einem Gehege ausbreitet. Es ist unbeschreiblich grauenhaft, die weitaus größte Bedrohung aller Kaninchen, schlimmer als alle die Tausend zusammengenommen. Kaninchen, die noch leben, verwandeln sich in herumtastende, verfaulende Häufchen Elend. Ich weiß, ihr haltet mich für besessen. Aber das wärt ihr auch, hättet ihr gesehen, was ich gesehen habe. Wie Menschen überhaupt so grausam sein können, um Kaninchen mit der Weißen Blindheit anzustecken, geht über mein Begriffsvermögen. Was immer wir planen oder tun, müßte in jedem Fall die Möglichkeit der Weißen Blindheit berücksichtigen und wie man sie vermeidet.«

Sie hatte so leidenschaftlich und mit Nachdruck gesprochen, daß ihre Zuhörer wie gebannt dasaßen und schwiegen. Nach einer Weile fragte Hazeclass="underline" »Gut, aber was rätst du uns dann? Was, meinst du, sollten wir tun?«

»Ihr seid hier in einer ungeheuren Gefahr«, sagte Flyairth. »Ein Gehege direkt neben einem Weg, auf dem Menschen gehen. Ich habe noch nie ein Gehege gesehen, das einer Gefahr derart ausgesetzt ist.«

»Was ist los, Fiver?« fragte Hazel.

»Das müßtest du eigentlich wissen«, antwortete Fiver. »Du warst ja da, als ich dem Leitkaninchen vom Sandleford-Gehege genau das gleiche sagte, lang, lang ist's her, aber er wollte mir nicht glauben. Und was dann geschehen ist, das weißt du.«

»Du meinst also, daß Flyairth recht hat?«

»Natürlich hat sie recht. Der einzige Unterschied zwischen damals und heute ist der, daß ich damals definitiv wußte: Etwas Schreckliches wird geschehen, und zwar bald. Heute ist das nicht so, trotz allem, was sie gesagt hat. Heute fühle ich mich nicht von Ängsten bedrängt. Aber dennoch hat sie recht.«

»Und was meinst du, was sollten wir tun, Flyairth?«

»Hier weggehen, alle, und an einen Ort ziehen, wo es sicherer ist. In ein neues Gehege, in größere Sicherheit. Keine Menschen. Was da kürzlich im Schnee passiert ist, als die Männer kamen, das ist doch unvorstellbar. Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte; ich meine, daß Kaninchen so etwas überhaupt in Erwägung ziehen können, an so einer Stelle zu hausen.«

»Na, hör mal, du bist selber erst ein paar Tage hier«, warf Bigwig ärgerlich ein. »Und schon willst du uns sagen, was wir tun sollen. Wer bist du denn, daß du uns so belehren kannst?«

»Es tut mir leid«, erwiderte Flyairth. »Ihr habt mich gefragt, was mir Sorge macht und was ich euch rate zu tun. Ich habe nur auf eure Fragen geantwortet.«

»Laß sie in Ruhe, Bigwig«, sagte Hazel. »Ich bin ganz froh zu wissen, was sie denkt. Flyairth, leider kann ich weder dich noch sonst jemanden im Augenblick zu Groundsels Gehege schicken. Bitte versteh das, es ist alles mit Campion abgesprochen. Im Moment müssen wir das Thema fallenlassen. Ich merke schon, es ist wärmer geworden heute nacht, und wir wollen jetzt Schlafengehen, alle zusammen, hier, wo wir sind.«

Er selber schlief nicht gleich ein. Er lag wach zwischen Bigwig und Fiver und bewegte in seinem Herzen, was Flyairth gesagt hatte.

15. Flyairth geht fort

Abiit, excessit, evasit, erupit.

(Er ging, er machte sich fort, er entschlüpfte, er entrann.)

Cicero (In Catilinam)

»Hazel-rah, sie tut alles, um die Herrschaft an sich zu reißen«, sagte Bigwig. »Jetzt ist sie im Wabenbau und erzählt allen Jungkaninchen von den Männern im Schnee. Sie erzählt ihnen, solange sie hierblieben, wären sie in größter Gefahr, die Weiße Blindheit zu bekommen, aber sie würde sie zu einem sicheren Ort führen und mit ihnen ein neues Gehege gründen. Soll ich zurückgehen und sie töten, bevor sie noch mehr Schaden anrichtet?«

»Mach das nicht«, antwortete Hazel. »Jedenfalls jetzt noch nicht.«

»Es ist nämlich so«, erklärte Bigwig, »sie war gewohnt, das Leitkaninchen zu sein - ha, ein Weibchen als Leitkaninchen -, bis man sie rausgeschmissen hat, und jetzt ist sie hier und will wieder Leitkaninchen spielen.«

»Haben ihr welche von den Sandleford-Kaninchen zugehört?« fragte Hazel.

»Nein und auch nicht Strawberry und Blackavar. Aber eine Menge der Jungkaninchen und auch Weibchen aus Efrafra.«

»Ich möchte gern mit Fiver und Blackberry sprechen«, sagte Hazel. »Und auch mit Vilthuril und Hyzenthlay. Komm, wir gehen sie mal suchen.«

Sie fanden sie und auch Thethuthinnang im Wohnkessel von Fiver, zusammengedrängt und in der Wärme ihrer Leiber dösend.

»Bigwig«, sagte Hazel, »erzähle ihnen, was du mir gerade von Flyairth berichtet hast.«

Bigwig gehorchte und steigerte sich dabei in eine noch größere Wut. »Man muß sie töten«, schloß er. »Man muß sie bald töten, bevor sie noch mehr Unheil anrichtet.«

»Moment mal, Moment mal«, sagte Blackberry. »Hazel-rah, darf ich auch was sagen?«

»Ja, sicher, und Fiver auch«, sagte Hazel.

»Die ganze Aufregung dreht sich doch nur um diese Blindheit, scheint mir«, erklärte Blackberry. »Bigwig glaubt, Flyairth will unter allen Umständen Leitkaninchen werden. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, wenn sie nie etwas von dieser Blindheit gewußt hätte, aber dennoch von ihrem Gehege fortgegangen und hier angelangt wäre, dann hätte sie sich ganz friedlich hier eingegliedert, ohne je Ärger zu machen.«