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Rithla erklärte das alles Hyzenthlay im Wabenbau, wo sie mit Thethuthinnang, Bigwig und einigen anderen zufällig Anwesenden zusammensaß.

Hyzenthlay, erst seit kurzer Zeit Leitkaninchen, war gewissenhaft darauf bedacht, alles gut zu regeln, was ihr vorgetragen wurde. Entsprechend teilte sie Rithla aus eigener Machtvollkommenheit mit, daß die Weibchen durchaus willkommen seien, zumal eine erkleckliche Anzahl von Weibchen Flyairth begleitet hatten.

Als sie hörte, er habe sie alle auf dem Belt zurückgelassen, wo sie nach Belieben hierher aufbrechen sollten, meinte sie, das erschiene ihr doch sehr gefährlich. Ungeachtet der Anweisungen Campions an Rithla hielt sie es für möglich, daß die Weibchen sich verirren könnten und außerdem von elil bedroht wären. Deswegen würde sie ihnen entgegengehen und sie noch vor Einbruch der Nacht hergeleiten. Nein, es war nicht nötig, daß Rithla sie führte, der Weg war ihr bekannt. Er aber sei müde, sollte silflay machen und sich schlafen legen.

Bigwig hatte das meiste mitgehört und protestierte sofort. Wie konnte sie so sicher sein, die Weibchen zu finden? Aber was viel wichtiger war - ein Kaninchen auf dem Down allein war größter Gefahr von Seiten unvermuteter elil ausgesetzt. Rithla hatte Glück gehabt. Man hätte ihm nie auftragen sollen, allein herzukommen. Hyzenthlay solle unbedingt bleiben, wo sie war.

Hyzenthlay entgegnete, die Weibchen seien ja schon unterwegs, und so sei es auch sicher nicht schwierig, sie zu finden. Es gab nur einen Weg, für Menschen gemacht und entsprechend klar erkennbar. Und was elil anlangte - sie konnte schneller laufen als sie, und außerdem sei bei Tag nicht mit ihnen zu rechnen.

Bigwig schlug dann vor, daß er und Holly sie begleiteten, aber das lehnte sie ab. Andere Kaninchen wollte sie keiner Gefahr aussetzen. Aber das erboste Bigwig. »Du nennst dich Leitkaninchen und dann willst du ganz allein da draußen herumtippeln wegen einiger bejammernswerter Efrafra-Weibchen? Ist das die Art, wie du die Dinge gegeneinander abwägst? Wenn Hazel hier wäre, würde er dir das glatt verbieten, und das weißt du auch. Ein dämliches, schafsköpfiges Weibchen, das sich Leitkaninchen nennt. Leitmaus wäre wohl eher angebracht!«

Hyzenthlay stellte sich vor ihn und sah ihm in die Augen. »Bigwig, ich habe gesagt, was ich tun werde, und damit basta. Wenn du meine Autorität jetzt in Frage stellst, dann wird es morgen in diesem Gehege überhaupt keine Autorität mehr geben, das ist dir sicher klar. Jetzt laß mich bitte gehen und laß ein paar Wohnkessel für die Efrafra-Weibchen freimachen.«

Bigwig stürmte wutschnaubend aus dem Wabenbau und beschimpfte das erste Kaninchen, das ihm begegnete; es war zufällig Hawkbit.

Hyzenthlay bat indessen Thethuthinnang, Hazel nach seiner Rückkehr zu berichten, was vorgefallen war, und machte sich auf zum Belt.

Sie wunderte sich, daß sie unterwegs keine Kaninchen traf, und rätselte, was wohl geschehen sein mochte. Es war nun früher Abend, und der Wind hatte sich völlig gelegt. Die Schatten der hochaufgeschossenen Wiesenkerbelhalme wurden länger, und die Sonne senkte sich auf eine Wolkenbank im Westen herab. Von unguten Ahnungen bedrängt, eilte sie weiter. Nach einer ganzen Weile näherte sie sich dem Belt, ohne ein Anzeichen von Kaninchen zu entdecken. Sie forschte nun zur Linken und zur Rechten, fand aber im Zwielicht keine Spuren. Als sie noch überlegte, was zu tun sei, stieß sie auf eine Häsin, die ihre einjährigen Häschen in ihrem Sitz fütterte. Die Häsin sprach zuerst.

»Suchst du etwa nach verirrten Kaninchen? Weibchen? Da ist so ein Grüppchen, da hinten bei der Buche.«

Kurz darauf war Hyzenthlay mitten unter ihnen.

»Ich bin ein Kaninchen vom Watership Down, und ich suche euch. Rithla hat uns erzählt, daß ihr allein zu uns kommen wollt. Was ist passiert?«

»Es ist wegen Nyreem hier«, antwortete eines der Weibchen. »Sie hat sich einen Hinterlauf verletzt und kann nicht mehr laufen. Wir sind bei ihr geblieben. Wir wollten sie nicht die ganze Nacht hier allein lassen, wegen der elil.«

Hyzenthlay untersuchte das verletzte Kaninchen. Nyreem hatte große Schmerzen und konnte kaum stehen, geschweige denn laufen. Der obere Teil des Laufs war geschwollen und sehr empfindlich. Doch war keine Wunde zu sehen, und Hyzenthlay glaubte, sie müsse nur ruhen und sonst nichts, und das sagte sie den andern.

»Ruhen? Hier?« fragte ein Weibchen. »Und wie lange?«

»Bis es ihr bessergeht«, sagte Hyzenthlay knapp.

»Aber jetzt wird's Nacht. Wenn ein Feind kommt, kann sie nicht laufen, kann sich nicht verteidigen -«

»Ich werde bei ihr bleiben!« erwiderte Hyzenthlay. »Ihr andern geht sofort weiter, so schnell ihr könnt, auf diesem Pfad da drüben. Da kommt ihr geradewegs zum Watership Down, wo sie euch schon erwarten. Keine Widerrede jetzt! Auf geht's!«

Keines der Weibchen war je in seinem Leben sehr weit über Efrafra hinausgekommen; sie gehorchten ihr alle mit einer leichten Andeutung von Murren. Hyzenthlay machte es sich in dem hohen Gras neben Nyreem bequem. Das arme kleine Geschöpf, so rührend jung und völlig unerfahren, war außer sich vor Angst, und Hyzenthlay konnte im Augenblick nichts anderes tun, als sie zu beruhigen und ihr das Gefühl einer Sicherheit zu geben, das sie selbst nicht im mindesten verspürte. Sie erzählte ihr alle Geschichten, an die sie sich erinnern konnte, und brachte sie schließlich dazu, in der Wärme ihrer Flanke einzuschlafen. Bald fühlte sich Hyzenthlay selber schläfrig, kämpfte aber gegen jedes Einnicken an. Eulenrufe ertönten, der Mond stieg auf, und aus dem Gras kamen jetzt all die kleinen Nachtgeräusche: Geraschel, leises Gesäusel, kaum hörbares Tappen und ein schnelles Tzsch-und-weg, das vielleicht gar nicht dagewesen war, vielleicht nur vernehmbar gewesen war in einem Paar langer Ohren, die aufs äußerste angespannt lauschten. Sie betete mit aller Macht zu El-ahrairah, er möge sie beschützen, und versuchte sich vorzustellen, daß er inmitten der Mondlichtschatten in ihrer Nähe wäre.

Wohl in keiner Nacht zuvor hatte sie jemals soviel Angst ausstehen müssen wie in dieser Nacht. Verkrampft lag sie da und versuchte, sich nicht zu rühren, um Nyreem nicht zu stören, und dabei kam ihr unwillkürlich alles in den Sinn, was sie je von elil gehört hatte - wie geräuschlos sie sich gegen den Wind bewegten, ihre Kaninchenbeute so still anpirschend, daß das ahnungslose Opfer erst merkte, was los war, wenn sich die Fangzähne in sein Fleisch bohrten. Sie hatte Würmer und Käfer in den Schnäbeln von Amseln zucken sehen und beobachtet, wie Drosseln die Häuser lebender Schnecken auf Steinen zerschmetterten. Würde es auch für sie so sein? Sie hatte auch aasfressende Käfer gesehen, die kleine Höhlen graben und ihre Eier dort hineinlegen, zusammen mit kleinen, toten Insekten, von denen sich die ausgeschlüpften Larven ernähren. Sie dachte an Fledermäuse und Eulen, die Nachtfalter und Mäuse jagen, ihre lebende Nahrung. Maulwürfe, wie sie wußte, würden sich unter der Erde auf Leben und Tod bekriegen, wenn sie sich in ihren unterirdischen Gängen begegneten. Waren Kaninchen die einzigen Geschöpfe, die nicht jagten und töteten? So kam es ihr in ihren trüben Gedanken vor. Woundwort hatte alles Erdenkliche getan, um Kaninchen zur Wildheit zu erziehen, aber am Ende hatte es ihm nichts Gutes eingebracht. Sie dachte an all die Efrafranier, die er in den Tod geschickt hatte, und wünschte sich von Herzen, sie hätte Woundwort jetzt neben sich liegen. Wenn das nicht die reine Verzweiflung war - was sonst?