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Nach drei Tagen war Nyreems verletztes Bein wieder vollständig geheilt, und sie hatte sich so schnell und glatt im Gehege eingelebt wie alle Neuankömmlinge aus Efrafra. Das heißt, bis sie anfing, Sandwort zu bewundern.

Sandwort war ein stämmiges und willensstarkes Männchen, das schon wenige Monate nach seiner Geburt den Unwillen zahlreicher älterer Kaninchen auf sich gezogen hatte.

»Du solltest besser deinen jungen Sandwort gut im Auge behalten«, bemerkte Silver eines Tages zur Mutter von Sandwort, einem ruhigen, sanften Weibchen namens Melsa, einer Tochter von Clover, die einst im Stall der Nuthanger Farm eingesperrt gewesen war. »Er war heute morgen unverschämt und anmaßend mir gegenüber; ich mußte ihm eins an die Löffel geben.«

»Ich werde nicht mehr mit ihm fertig«, erwiderte Melsa. »Er hat keine Achtung vor mir - und genaugenommen vor keinem anderen Kaninchen. Leider ist er sehr groß und stark für sein Alter und hat auf mehrere jüngere Kaninchen schon solchen Eindruck gemacht, daß sie ihn bewundern und als eine Art von Anführer betrachten.«

»Na, dann sag ihm mal, er sollte ein bißchen weniger großschnäuzig sein«, sagte Silver, »wenn er sich nicht mit Hazel-rah und Bigwig anlegen will. Oder mit mir.« Er hatte Melsa gern, und deswegen wollte er es dabei bewenden lassen, zumindest für den Augenblick.

Es war jedoch Sandwort, der es nicht dabei bewenden ließ. Es dauerte nicht lange, da beschwerten sich noch weitere Veteranen über sein Verhalten. Er hatte Holly ignoriert, der ihn ermahnt hatte, sich im langen Gras unsichtbar zu machen, als Menschen auf den Down gekommen waren. Er hatte sich glatt geweigert, Buckthorn zu gehorchen, einem so ruhigen und unbeschwerten Kaninchen, wie es kaum eines gab, das ihm eines Abends gesagt hatte, er solle seine rauflustigen Genossen aus dem Wabenbau hinausbringen, irgendwohin, wo sie krakeelen konnten. »Wir haben dasselbe Recht, hier zu sein wie du«, hatte er gesagt, und Buckthorn, angesichts der kleinen Horde von Sandwort-Anhängern, hatte es für das Beste gehalten, nichts mehr zu sagen und selber aus dem Wabenbau zu gehen.

Kurzum, es war bald nicht mehr zu übersehen, daß Sandwort sich keinem der Kaninchen im Gehege mehr untergeben fühlte. In solch einer freien und nachsichtigen Gesellschaft wäre das auch nicht weiter störend gewesen, wenn er nicht angefangen hätte, jüngere Kaninchen, Männchen und Weibchen, zu überreden, ihm auf Ausflüge außerhalb des Geheges zu folgen, und jede Auskunft zu verweigern, wohin sie gingen oder wo sie gewesen waren.

»Ich bin dir überhaupt keine Auskunft darüber schuldig, weder dir noch sonst jemandem, wo ich gewesen bin«, erklärte er eines Abends Silver, der ihn nach seiner Rückkehr mit zwei, drei anderen von einem offenbar längeren und ermüdenden Streifzug befragt hatte. »Ich kann gehen, wohin ich will, und das geht keinen was an.«

Diesmal jedoch war er im Unrecht, denn nicht nur Silver, sondern auch mehrere der älteren Kaninchen hatten bemerkt, daß er jetzt ein Kaninchen weniger dabei hatte als bei seinem Auszug.

»Wo ist Crowla?« fragte Silver, der sich viel Mühe gegeben hatte, das junge Weibchen von dem Ausflug mit Sandwort abzuhalten.

»Wie soll ich das wissen?« antwortete Sandwort. »Ich bin nicht der Hüter jedes Kaninchens, das Lust hat, das Gehege zur selben Zeit wie ich zu verlassen.«

»War sie denn nicht bei dir?« fragte Silver beharrlich.

»Kann sein, kann auch nicht sein.«

»Willst du damit sagen, es interessiert dich nicht, was mit Crowla passiert ist, die mit dir losgezogen ist?«

»Wenn du mich fragst: Jedes Kaninchen kann kommen oder gehen, wann und wie es will«, sagte Sandwort. »Ich nehme an, sie kommt vielleicht noch, etwas später.«

Crowla kam jedoch nicht zurück, und nach mehreren Tagen mußten ihre Freundinnen folgern, daß sie nie mehr zurückkommen würde. Sandwort blieb weiterhin gleichgültig und betonte, was ihr auch zugestoßen sein möge, habe mit ihm nichts zu tun. An diesem Punkt fühlte sich Hazel verpflichtet, sich um die Sache zu kümmern. Am Abend ging er Sandwort an; es war beim silflay auf dem Down.

»Hast du Crowla aufgefordert, auf deinen Ausflug mitzukommen?«

»Nein«, antwortete Sandwort und knabberte weiter am Gras. »Sie hat mich gefragt, ob sie mitkommen darf.«

»Und du hast es ihr erlaubt?«

»Ich habe gesagt, sie solle machen, was sie wolle.«

»Immerhin, du hast sie bei den anderen gesehen, als du aufgebrochen bist. Du hast gewußt, daß sie dabei ist. Wann hast du zum erstenmal gemerkt, daß sie gefehlt hat?«

»Weiß nicht mehr. Wahrscheinlich auf dem Rückweg.«

»Und du hast gemeint, das geht dich eigentlich gar nichts an?«

»Ja sicher. Ich suche mir nicht aus, welche Kaninchen mitgehen. Das ist ihre Sache, nicht meine.«

»Selbst in so einem Fall? Bei einem unerfahrenen Weibchen, das so viel jünger ist als du?«

»Viele Weibchen sind jünger als ich.«

»Gib mir anständig Antwort«, sagte Hazel verärgert. »Hast du dich für sie verantwortlich gefühlt? Ja oder nein?«

Sandwort machte eine Pause. Schließlich erwiderte er: »Nein.«

»Nur das wollte ich wissen«, sagte Hazel. »Nyreem war auch an jenem Tag dabei, ist das richtig?«

»Ja, ich glaub', sie war dabei.«

»Ein völlig unerfahrenes junges Weibchen, das gerade mit einem verletzten Bein aus Efrafra gekommen war?«

Sandwort antwortete nicht.

»Und wegen ihr warst du auch nicht besorgt?«

»Nein, nicht besonders.«

Hazel ließ ihn ohne ein weiteres Wort stehen.

Später am Abend besprach er die Sache mit Fiver und Bigwig. »Wir haben ein liebes junges Weibchen verloren, er hat sie in den Tod geführt. Ich habe Crowla gern gehabt, sie hatte sich gut entwickelt. Und wenn ich das recht sehe, macht er das ganz sicher wieder.«

»Ich könnte ihn doch rausholen und ihn windelweich prügeln«, meinte Bigwig.

»Nein«, sagte Fiver. »Das bringt nichts. Das verklärt ihn nur zum rebellischen Helden bei seinen Freunden. Denn genaugenommen, hat er ja nichts Verbotenes getan. Schließlich darf er aus dem Gehege hinausgehen, wohin er will, jederzeit. So wie jedes Kaninchen. Und wenn andere Kaninchen zur selben Zeit gehen wollen, ist es nicht seine Aufgabe, sie davon abzuhalten. Nur würde halt kein halbwegs vernünftiges Kaninchen so etwas tun, erst recht nicht, wenn eine Freundin vermißt wird, eben weil sie mit ihm gegangen ist.«

»Jedenfalls muß verhindert werden, daß er es noch mal tut«, sagte Bigwig.

»Die einzige Möglichkeit, das zu verhindern, wäre ein striktes Ausgangsverbot - außer, um silflay zu machen«, meinte Fiver.

»So weit möchte ich nicht gehen«, erklärte Hazel. »Das schmeckte mir zu sehr nach Woundwort. Im Augenblick wollen wir ihn noch in Ruhe lassen. Sollte allerdings noch einmal jemand aus seiner Clique nicht mit ihm zurückkommen, müßten wir etwas unternehmen.«

Nur zwei Tage später benahm sich Sandwort abermals ruppig. Der Zwischenfall war nicht so schwerwiegend, wie der Verlust von Crowla, war indessen schlicht eine vorsätzliche Unverschämtheit. Silver und Blackavar waren am Fuß des Downs mit irgend etwas beschäftigt gewesen, und als sie zurückkehren wollten, stellten sie fest, daß Sandwort ihnen mit drei oder vier Jungkaninchen gefolgt war. Silver und Blackavar waren an eine kaum sichtbare Lücke zwischen dicken hohen Grasbüscheln gekommen und zögerten noch, ob sie sich hindurchzwängen oder die Stelle einfach umgehen sollten. In diesem Moment kam Sandwort von hinten heran und fragte: »Geht ihr da durch?« Weder Silver noch Blackavar gaben sofort Antwort. »Also, ich geh' jedenfalls«, sagte Sandwort, stieß sie beiseite und drängte sich an ihnen vorbei in die Lücke, und die anderen Kaninchen folgten ihm und konnten sich zum Teil nicht verkneifen, das Zögern der beiden spöttisch zu kommentieren.