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»Steh auf«, befahl Hazel dem Fremdling. »Du kommst wohl besser mit mir. Falls du dich fragen solltest, wer ich bin - ich bin das Leitkaninchen hier. Bei mir bist du sicher.«

Der Fremdling rappelte sich mühsam hoch. Er hatte eine schlimme, klaffende Wunde auf dem Rücken und ein Ohr war aufgerissen. Hazel musterte ihn; der Kerl war jung, aber von beachtlicher Größe und beinahe so kräftig gebaut wie Bigwig.

»Wie heißt du?« fragte er.

»Stonecrop«, antwortete der andere.

»Na gut«, sagte Hazel. »Komm jetzt mit in meinen Bau. Ich muß mit dir reden.« Als Stonecrop zögerte, fügte er hinzu: »Nur Mut, keiner tut dir was.«

Sie gingen das kurze Stück durch die Bäume hindurch in den Wabenbau, wo eine kleine Gruppe Kaninchen müßig herumstand, miteinander plauderte und sich bereit machte, einen schönen Tag zu genießen. Als Stonecrop erschien, fuhren alle erschreckt und abgestoßen zurück. Im geschlossenen Wabenbau war Stonecrops Geruch noch ärger. Selbst die Kaninchen, die noch nie einen Menschen gerochen hatten, wurden von lähmendem Entsetzen gepackt.

Hazel schaute in die Runde. »Das ist ein Kaninchen, das ich gerade draußen gefunden habe. Ich weiß, wie euch allen zumute ist, aber ich bin gewillt, mit ihm zu sprechen. Ich muß herausfinden, was mit ihm los ist und wie er zu diesem Gestank kam.«

»Bei allen Igelzecken, Hazel-rah«, rief Hawkbit. »Was in aller Welt -«

»Sei still«, erwiderte Hazel scharf. »Ihr habt mich alle gehört. Laßt ihn in Ruhe. Hyzenthlay, kommst du bitte mit mir!«

Wieder einmal hatte er das starke Gefühl, daß sie erschüttert waren und ihm nur widerwillig gehorchten. Seine Forderung widersprach jedem Kanincheninstinkt, jeder Regel im Kaninchenverhalten. Er zwang sich, ganz langsam durch den Wabenbau zu gehen, und Hyzenthlay und der tief verängstigte Stonecrop folgten ihm.

»Also, nur die Ruhe«, sagte Hazel, als sie zu dritt seinen Wohnkessel erreichten. »Mach's dir bequem. Schlaf ein bißchen, wenn du willst. Wie fühlst du dich?«

»Könnt' schlimmer sein«, antwortete Stonecrop. »Ich bin bereit zu reden, wenn du das willst.«

»Nun, du weißt ja sicher«, sagte Hazel, »daß du ganz stark nach Mensch riechst, und deswegen sind all diese Kaninchen gegen dich und glauben, daß sie dich töten müssen. Hyzenthlay und ich möchten wissen, wie du zu dem Geruch gekommen bist und ob wir etwas von den Menschen zu fürchten haben, bei denen du warst.«

Stonecrop gab eine Weile keine Antwort. Schließlich sagte er: »Mit Wildkaninchen hatte ich bis jetzt noch nie zu tun.«

»Wie kommt das?« fragte Hazel.

»Ich bin in einem Verschlag zur Welt gekommen«, erwiderte Stonecrop. »Wir waren vier in einem Wurf - zwei Weibchen und zwei Männchen. Als wir die Augen offen und schon etwas Fell hatten, erzählte uns die Mutter, sie sei von einem hrududu angefahren und dabei bewußtlos geworden, viele Tage vor unserer Geburt. Die Männer im hrududu hatten sie aufgehoben und mit nach Hause genommen und gedacht, sie würde bald sterben, aber sie starb nicht und wurde in den kleinen Stall gesperrt, wo sie uns geboren hat. Da waren zwei Menschenkinder, Mädchen, die ihr immer Wasser und was zu fressen brachten. Sie war ein ziemlich großes und starkes Kaninchen, unsere Mutter, und deswegen war sie nach dem Zusammenstoß nicht gestorben und auch nicht später in dem kleinen Stall.«

»Wie hieß sie denn?« wollte Hyzenthlay wissen.

»Thrennion«, antwortete Stonecrop. »Sie hat uns erzählt, Thrennions seien hübsche rote Beeren, die im Winter auf Bäumen wachsen, aber ich habe bisher natürlich noch nie Thrennion-Beeren gesehen.

Sie erholte sich, zum Teil jedenfalls, und konnte uns sogar säugen, und so wuchsen wir auf. Die Menschenmädchen kümmerten sich um uns, und als wir größer waren, brachten sie uns Löwenzahnblätter und kleingeschnittene Karotten -Mutter hat uns die Namen beigebracht. Ich war der größte und stärkste von uns, und das eine Mädchen machte ein Mordsgetue mit mir, hob mich immer aus dem Verschlag heraus und hielt mich fest, um mich ihren Freundinnen zu zeigen. Sie hat sicher gehofft, daß ich zahm werde, aber das wurde ich nicht. Ich habe mich immer gewehrt und versucht ihr zu entkommen, aber sie hielt mich zu fest. Und bevor sie mich aus dem Stall herausnahm, hat sie immer alle Türen und Fenster verschlossen, und da habe ich mir keine Hoffnung mehr gemacht.

Ich war erstaunt, daß wir am Leben blieben, denn wir grämten uns und verloren an Kraft. Wir waren unglücklich. Mutter erzählte uns immer Geschichten vom Leben in der Wildnis und ermahnte uns, immer nach einer Gelegenheit zum Weglaufen Ausschau zu halten.

Dann starb Mutter, sie welkte einfach dahin, und als sie nicht mehr da war, wurden wir noch verzweifelter. Ich war der mit der größten Chance, denn ich war der Liebling der Mädchen und wurde öfter aus dem Stall genommen als die anderen. Und einmal, als sie mich herausholten, sah ich ein Loch in der Wand, direkt über dem Boden. Da war ein Mann, der den glatten Boden immer mit einem festen Besen schrubbte und mit dem kehrte er das Schmutzwasser durch das Loch hinaus. Ich merkte mir die Stelle genau.

Eines Tages haben mich die beiden Mädchen herausgeholt, um mich einer Freundin zu zeigen. Soviel ich verstanden habe, hat mich dieses Mädchen auch einmal halten wollen. Sie war älter als die anderen beiden Mädchen, die ihr offenbar nicht gern etwas abschlugen.

Das Mädchen, das mich hielt, wollte mich gerade dem größeren Mädchen herüberreichen, aber irgendwie war sie ungeschickt, und plötzlich hab' ich gemerkt, daß meine Hinterbeine frei waren. Ich trat gewaltig nach hinten aus, und ich merkte, wie meine Pfoten über den ganzen nackten Arm des Mädchen kratzten. Sie schrie, und ich sprang weg und landete auf dem Boden. Die Mädchen versuchten, mich zu fangen, aber ich entwischte ihnen und rannte wie verrückt auf das Abflußloch zu, schoß hindurch und fand mich im Hof wieder.

Ich hatte keine Ahnung, wohin ich mich wenden sollte, ich lief einfach los. Ich hatte Glück. Ich kam aus dem Hof heraus und war auf einmal auf einem Feld mit lauter großen Tieren. Ihr nennt sie Kühe, nicht wahr? Ich lief über das Feld, und da war ein Haufen Bäume, da habe ich mich die ganze Nacht versteckt. Kein Tier hat mich gestört, und natürlich weiß ich jetzt auch, warum.

Ein paar Tage bin ich da herumgewandert, hab' etwas gefressen und mich versteckt, und eines Nachts bin ich einem Igel begegnet, der offenbar an meinem Geruch keinen Anstoß nahm. Der Igel hat mir erzählt, es gebe einen Haufen Kaninchen oben auf dem Hügel. In der Nacht bin ich bei ihm geblieben, und sowie es hell wurde, hab' ich ihn nach dem Weg gefragt. Er sagte >Geradeaus auf den Hügel<, und so bin ich raufgeklettert.

Ich wollte mich eben ins Gras setzen, als diese Kaninchen - deine Kaninchen, nicht wahr? - als die mich gefunden und überall beschnüffelt haben. Dann haben sich alle auf mich gestürzt. Ich habe gekämpft, so gut ich konnte, aber sie haben mich natürlich untergekriegt. Sie haben dauernd geschrien >Macht ihn tot! Macht ihn tot!<, und sie hätten mich wirklich getötet, ganz klar, wenn du nicht gekommen wärst, um mich zu retten.

Und jetzt? Was passiert jetzt? Machen mich jetzt andere Kaninchen tot? Macht ihr mich tot?«

»Nein«, sagte Hazel. »Hyzenthlay und ich werden das verhindern. Hier bist du sicher. Aber momentan mußt du noch hier in diesem Bau bleiben. Geh auf keinen Fall hier raus! Einer von uns wird heute bei dir bleiben.«

»Aber was machen wir denn bloß mit ihm?« fragte Hyzenthlay. »Du kennst unsere Gesetze. Das Gehege wird ihn niemals dulden.«

»Ich weiß«, erwiderte Hazel. »Aber ich lasse nicht zu, daß man ihn umbringt, solange ich es verhindern kann. Jetzt habe ich seine Geschichte gehört, und nun bin ich ganz auf seiner Seite.«

»Dann muß er hier in deinem Wohnkessel bleiben. Außerhalb ist er nirgendwo sicher. Und wenn wir ihn wegschicken, wird er allein gegen die elil überhaupt nichts ausrichten können.«