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»Versuch's mal mit dem Mond«, sagte der alte Hase, ohne El-ahrairah anzusehen.

Doch dieser war nun überzeugt davon, daß der alte Hase mehr wußte, als er sagen wollte, es sei denn, man setzte ihm zu. Also rutschte er dicht an ihn heran und sagte: »Ich weiß, du bist größer als ich und du kannst schneller rennen, aber ich möchte erfahren, was du weißt, und ich werde dir so lange mit aller Kraft zusetzen, bis du es mir sagst. Ich bin kein närrisches, neugieriges Kaninchen, das dir nur die Zeit stiehlt, sondern eines, das diese Suche als seine Herzensangelegenheit betrachtet.«

»Dann tust du mir leid«, erwiderte der Hasengreis, »denn du fühlst dich offenbar verpflichtet, etwas zu suchen, was unmöglich gefunden werden kann, und bei der Suche wirfst du dein Leben weg.«

»Rate mir«, sagte El-ahrairah, »und ich werde tun, was du mir rätst.«

»Da gibt es nur eine Möglichkeit für dich«, entgegnete der greise Hase. »Das Geheimnis, das du suchst, ist mit Hilfe der Drei Kühe zu lösen und mit niemandem sonst. Hast du schon von den Drei Kühen gehört?«

»Nein, allerdings nicht«, sagte El-ahrairah. »Was haben denn Kaninchen mit Kühen zu schaffen? Natürlich habe ich schon Kühe gesehen, hatte aber noch nie etwas mit ihnen zu tun.«

»Ich kann dir auch nicht sagen, wo du sie findest«, gab ihm der Hasenpatriarch zu bedenken. »Aber das Geheimnis der Drei Kühe - beziehungsweise das Geheimnis, das sie hüten - ist das einzige, was deine Suche beenden kann.«

Und damit legte sich der alte Hase ohne weitere Umstände hin und schlief ein.

El-ahrairah lief nun überall herum und fragte nach den Drei Kühen, erhielt aber statt Antworten nur Neckereien und Hohn und Spott. Schließlich hatte er das Gefühl, daß er sich nur lächerlich machte. Manchmal wurde er bösartigerweise auf Irrwege verwiesen und erfuhr am Ende einer Reise, daß er hereingelegt worden war. Dennoch gab er nicht auf.

Eines Abends, Anfang Mai, als er unter einem blühenden Schlehdornbusch lag und die Sonne hinter einem Silberhimmel unterging, hörte er wieder, ganz in der Nähe, seine Freundin, die Goldammer, in den unteren Zweigen singen.

»Komm her, Freundin«, rief er. »Komm und hilf mir!«

Da sang die Goldammer:

Hinter den Downs und vor den Buchen, El-ahrairah braucht nicht länger zu suchen.

»Wo, kleiner Vogel - wo?« rief El-ahrairah und sprang auf. »Sag's mir doch!«

Bei meinem goldenen Federkleid: Die erste Kuh, die ist nicht weit. Am Fuß des Hangs siehst du im Nu den Zauberwald der Scheckenkuh.

Die Goldammer flog davon, und El-ahrairah schnüffelte an den ersten Bibernellen und den frühen purpurfarbenen Orchideen. Er war verwirrt, denn er wußte, daß sich hier in der Nähe kein Wald befand, geschweige denn ein Zauberwald. Dennoch ging er den Hang ganz hinab, und zu seiner Verblüffung sah er am Ende der Wiese einen dichten Wald, und direkt davor lagerte die größte braun-weiß gescheckte Kuh, die er jemals gesehen hatte.

Das mußte die Kuh sein, die er suchte; er wußte nun, daß der Wald tatsächlich irgendwie verzaubert war, denn wie sonst könnte er plötzlich an einer Stelle erstanden sein, wo seines Wissens sich noch nie ein Wald befunden hatte. Wenn er das finden wollte, was er suchte, mußte er zweifellos in diesen Wald hineingehen.

Er näherte sich der Kuh mit großer Vorsicht, da er unsicher war, ob sie ihn vielleicht angreifen würde oder nicht, doch andererseits, sagte er sich, im schlimmsten Fall kann ich immer noch wegrennen. Die Kuh aber, mit ihren großen braunen Augen, starrte ihn nur an und sagte nichts.

»Frith segne dich, Mutter«, sagte El-ahrairah. »Ich bin auf der Suche nach einem Weg durch den Wald.«

Die Kuh schwieg so lange, daß er sich fragte, ob sie ihn überhaupt gehört hatte. Doch endlich antwortete sie: »Es gibt keinen Weg, der da hindurchführt.«

»Aber ich muß hindurch«, sagte El-ahrairah.

Er sah nun, daß der Wald am Rand mit ineinander verfilztem und zusammengewachsenem Dornengestrüpp praktisch versiegelt war, so daß höchstens noch etwas von der Größe eines Käfers hineinkam. Nur wo die Kuh lagerte, war eine Lücke, die sie aber völlig ausfüllte. Irgendwann mußte sie sich ja einmal bewegen, dachte er und wußte, es war zwecklos, sie darum zu bitten, denn sie hatte ja gerade gesagt, es führe kein Weg hindurch.

Die Nacht brach herein, und die Kuh hatte sich nicht gerührt. Am Morgen lag sie noch immer am selben Fleck, und da wußte El-ahrairah, daß es eine Hexenkuh war, denn sie hatte offenbar kein Bedürfnis, zu grasen oder zu trinken. Es wurde ihm klar, daß er sich etwas einfallen lassen mußte. Er stand auf, unter den Augen der Kuh, und wanderte langsam am Waldrand entlang, bis er zu einer Art Einbuchtung kam, wo die Bäume und das zusammenhängende Dickicht in den Wald hineinrückten. Er hatte gehofft, eine Ecke zu finden, wo er den Wald vielleicht hätte umgehen können, aber so weit er sehen konnte gab es keine Möglichkeit. Er ging ein Stück weit in die Einbuchtung hinein und kam dann herausgerannt und eilte zu der Kuh.

»Bist du sicher, daß niemand in deinen Wald kommt, Mutter?« fragte er.

»Niemand betritt diesen Wald«, antwortete die Kuh. »Er ist Frith, unserem Herrn, geweiht und durch das Licht der Sonne und des Mondes verzaubert.«

»Na schön, ich weiß nicht, wie das mit dem Licht der Sonne und des Mondes ist«, sagte El-ahrairah. »Aber hinter der Biegung sind zwei Dachse am Werk, und die scheinen entschlossen, reinzugehen. Die graben schon wie verrückt, und sie brauchen nicht mehr lang.«

»Keine Chance«, entgegnete die Kuh. »Die Verzauberung ist viel zu stark. Aber ich werde trotzdem mal nachsehen und sie verjagen.« Sie rappelte sich auf und trottete schwerfällig fort.

Sowie sie in der Einbuchtung verschwunden war, schoß El-ahrairah wie der Blitz durch die Lücke und befand sich auf einmal in dem unwirklichen Licht des Waldes.

Das war kein Wald wie andere Wälder. Es fing schon damit an, daß unheimliche Geräusche laut wurden, angsterregende Geräusche, die möglicherweise aus Bäumen kamen oder aber von Tieren, wenngleich er sich nicht vorstellen konnte, von welchen Tieren. Außerdem gab es weder Weg noch Pfad. Manchmal kam es ihm vor, daß er Wasser roch oder hörte, aber als er darauf zugehen wollte, fand er nichts und wurde unsicher. Er hatte gedacht, durch einen Wald zu gehen, das sei doch nicht der Rede wert für ein Kaninchen seines Wissensstandes und seiner Erfahrung, doch bald wurde er eines Besseren belehrt, als er nämlich feststellte, daß er im Kreise ging. Auch war er überzeugt, daß sich trotz aller Geräusche weder ein Vogel noch sonst irgendein Lebewesen in dem ganzen Revier befand, das er abgegangen war.

Vier Tage lang oder sogar hrair Tage lang wanderte El-ahrairah hungernd durch diesen fürchterlichen Wald, in dem nicht einmal Gras wuchs. Mehr als einmal wäre er gern wieder zurückgegangen, aber er wußte weder, wo es zurück noch wo es vorwärts ging. Eines Tages gelangte er schließlich in dieser Waldwüste zu einem steilen Hang, an dem unten ein kleines Gewässer vorbeifloß, das völlig überwachsen war. Er beschloß, dem Gewässer zu folgen, das ja früher oder später aus dem Wald hinausfließen müßte, wie er sich dachte, wenngleich er nicht wußte, auf welcher Seite.

Er folgte dem Bach zwei Tage lang und wurde so schwach, daß er nicht weitergehen konnte. Er legte sich hin und schlief ein, und als er erwachte, sah er im weiteren Verlauf des Bachs den schwachen Abglanz eines stärkeren Lichts. Er stolperte vorwärts und kam endlich zu einer sumpfigen Stelle, wo das Gewässer aus dem Wald hinausfloß in eine ebene grüne Wiese so weit das Auge reichte. Das Gras dieser mit Schlüsselblumen übersäten Wiese war das beste, das er je gekostet hatte. Er fraß sich rundherum satt, und in einem Loch im Uferhang schlief er einen ganzen Tag und eine Nacht.