Rckwrts setzte die Musik ein. Der Tanz begann. Ein lterer Offizier hatte sie aufgefordert, sie lie mit einer Entschuldigung den plaudernden Kreis und schritt an seinem Arm gegen den ndern Saal zu, an mir vorbei. Wie sie mich erblickte, spannte sich pltzlich ihr Gesicht gewaltsam zusammen - aber nur eine Sekunde lang, dann nickte sie mir mit einem hflichen Erkennen (ehe ich mich noch zu gren oder nicht-gren entschlossen hatte) wie einem zuflligen Bekannten zu:Guten Abend, Doktorund war schon vorbei. Niemand htte ahnen knnen, was in diesem graugrnen Blick verborgen war, und ich, ich selbst wute es nicht. Warum grte sie warum erkannte sie mich nun mit einmal an? War das Abwehr, war es Annherung, war es nur die Verlegenheit der berraschung? Ich kann Ihnen nicht schildern, in welcher Erregtheit ich zurckblieb, alles war aufgewhlt, war explosiv in mir zusammengepret, und wie ich sie so sah, lssig walzend am Arme des Offiziers, auf der Stirne den khlen Glanz der Sorglosigkeit, indes ich doch wute, da sie da sie so wie ich nur daran daran dachte da wir zwei hier allein ein furchtbares Geheimnis gemeinsam hatten und sie walzte in diesen Sekunden wurde meine Angst, meine Gier und meine Bewunderung noch mehr Leidenschaft als jemals. Ich wei nicht, ob mich jemand beobachtet hat, aber gewi verriet ich mich in meinem Verhalten noch viel mehr, als sie sich verbarg - ich konnte eben nicht in eine andere Richtung schauen, ich mute ja, ich mute sie ansehen, ich sog, ja, ich zerrte von ferne an ihrem verschlossenen Gesicht, ob die Maske nicht fr eine Sekunde fallen wollte. Und sie mute diesen starren Blick unangenehm empfunden haben. Als sie am Arme ihres Tnzers zurckschritt, sah sie mich im Blitzlicht einer Sekunde an, scharf befehlend, wie wegweisend: wieder spannte sich jene kleine Falte des hochmtigen Zornes, die ich schon von damals kannte, bse ber ihrer Stirn.
Aber aber ich sagte es Ihnen ja ich lief Amok, ich sah nicht nach rechts und nicht nach links. Ich verstand sie sofort - dieser Blick hie: sei nicht auffllig! bezhme dich! - ich wute, da sie wie soll ich es sagen? da sie Diskretion des Benehmens hier im offenen Saal von mir wollte ich verstand, da, wenn ich jetzt heimginge, ich morgen gewi sein knne, von ihr empfangen zu werden da sie es nur jetzt, nur jetzt vermeiden wollte, meiner aufflligen Vertraulichkeit ausgesetzt zu sein, da sie - und wie sehr mit Recht - von meinem Ungeschick eine Szene frchtete Sie sehen ich wute alles, ich verstand diesen befehlenden grauen Blick, aber aber es war zu stark in mir, ich mute sie sprechen. Und so schwankte ich hin zu der Gruppe, in der sie plaudernd stand, schob mich - obwohl ich nur einige der Anwesenden kannte - ganz an den lockeren Kreis heran nur aus Begier, sie sprechen zu hren, und doch immer scheu mich duckend wie ein geprgelter Hund vor ihrem Blick, wenn er kalt an mir vorbeistreifte, als sei ich eine der Leinenportieren, an der ich lehnte, oder die Luft, die sie leicht bewegte. Aber ich stand, durstig nach einem Wort, das sie zu mir sprechen sollte, nach einem Zeichen des Einverstndnisses, stand und stand starren Blickes inmitten des Geplau-ders wie ein Block. Unbedingt mute es schon auffllig geworden sein, unbedingt, denn keiner richtete ein Wort an mich, und sie mute leiden unter meiner lcherlichen Gegenwart.
Wie lange ich so gestanden htte, ich wei es nicht eine Ewigkeit vielleicht ich konnte ja nicht fort aus dieser Bezauberung des Willens. Gerade die Hartnk-kigkeit meiner Wut lahmte mich Aber sie ertrug es nicht lnger pltzlich wandte sie sich mit der prachtvollen Leichtigkeit ihres Wesens gegen die Herren und sagte:Ich bin ein wenig mde ich will heute einmal frher zu Bett gehen Gute Nacht! und schon streifte sie mit einem gesellschaftlich fremden Kopfnicken an mir vorbei ich sah noch die hochgezogene Falte auf der Stirn und dann nur mehr den Rcken, den weien, khlen, nackten Rcken. Eine Sekunde lang dauerte es, bevor ich begriff, da sie fortging da ich sie nicht mehr sehen, nicht mehr sprechen knnte diesen Abend, diesen letzten Abend der Rettung einen Augenblick lang also stand ich noch starr, bis ichs begriff dann dann
Aber warten Sie warten Sie Sie werden sonst das Sinnlose, das Stupide meiner Tat nicht verstehen ich mu Ihnen erst den ganzen Raum schildern Es war der groe Saal des Regierungsgebudes, ganz von Lichtern erhellt und fast leer, der ungeheure Saal die Paare waren zum Tanz gegangen, die Herren zum Spiel nur an den Ecken plauderten einige Gruppen der Saal war also leer, jede Bewegung auffllig und im grellen Licht sichtbar und diesen groen weiten Saal schritt sie langsam und leicht mit ihren hohen Schultern durch, ab und zu einen Gru mit ihrer unbeschreiblichen Haltung erwidernd mit dieser herrlichen erfrorenen hoheitlichen Ruhe, die mich an ihr so entzckte Ich ich war zurckgeblieben, ich sagte es Ihnen ja, ich war gleichsam gelhmt, bevor ich es begriff, da sie fortging und da, als ich es begriff, war sie schon am ndern Ende des Saales knapp vor der Tre Da oh, ich schme mich jetzt noch, es zu denken da packte es mich pltzlich an und ich lief- hren Sie: ich lief ich ging nicht, ich lief mit polternden Schuhen, die laut widerhallten, quer durch den Saal ihr nach Ich hrte meine Schritte, ich sah alle Blicke erstaunt auf mich gerichtet ich htte vergehen knnen vor Scham noch whrend ich lief, war mir schon der Wahnsinn bewut aber ich konnte ich konnte nicht mehr zurck Bei der Tr holte ich sie ein Sie wandte sich um ihre Augen stieen wie ein grauer Stahl in mich hinein, ihre Nasenflgel zitterten vor Zorn ich wollte eben zu stammeln anfangen da da lachte sie pltzlich hellauf ein helles, unbesorgtes, herzliches Lachen, und sagte laut so laut, da es alle hren konntenAch, Doktor, jetzt fllt Ihnen erst das Rezept fr meinen Buben ein ja, die Herren der Wissenschaft Ein paar, die in der Nhe standen, lachten gutmtig mit ich begriff, ich taumelte unter der Meisterschaft, mit der sie die Situation gerettet hatte griff in die Brieftasche und ri ein leeres Blatt vom Block, das sie lssig nahm, ehe sie noch einmal mit einem kalten, dankenden Lcheln ging Mir war leicht in der ersten Sekunde ich sah, da mein Irrsinn durch ihre Meisterschaft gutgemacht, die Situation gewonnen aber ich wute auch sofort, da alles fr mich verloren sei, da diese Frau mich um meiner hitzigen Narrheit hate hate mehr als den Tod da ich nun hundertmal und hundertmal vor ihre Tr kommen knnte und sie mich wegweisen wrde wie einen Hund. Ich taumelte durch den Saal ich merkte, da die Leute auf mich blickten ich mu irgendwie sonderbar ausgesehen haben Ich ging zum Bfett, trank zwei, drei, vier Glser Kognak hintereinander das rettete mich vor dem Umsinken meine Nerven konnten schon nicht mehr, sie waren wie durchgerissen Dann schlich ich bei einer Nebentr hinaus, heimlich wie ein Verbrecher Um kein Frstentum der Welt htte ich jenen Saal nochmals durchschreiten knnen, wo ihr Lachen noch gell an allen Wnden klebte ich ging genau wei ichs nicht mehr zu sagen, wohin ich ging in ein paar Kneipen und soff mich an soff mich an wie einer, der sich alles Wache wegsaufen will aber es ward mir nicht dumpf in den Sinnen das Lachen stak in mir, schrill und bse das Lachen, dieses verfluchte Lachen konnte ich nicht betuben Ich irrte dann noch am Hafen herum meinen Revolver hatte ich zu Hause gelassen, sonst htte ich mich erschossen. Ich dachte an nichts anderes, und mit diesem Gedanken ging ich auch heim nur mit diesem Gedanken an das Schubfach links im Kasten, wo mein Revolver lag nur mit diesem einen Gedanken.
Da ich mich dann nicht erscho߅ ich schwre Ihnen, das war nicht Feigheit es wre fr mich eine Erlsung gewesen, den schon gespannten kalten Hahn abzudrcken aber wie soll ich es Ihnen erklren ich fhlte noch eine Pflicht in mir ja, jene Pflicht, zu helfen, jene verfluchte Pflicht mich machte der Gedanke wahnsinnig, da sie mich noch brauchen knnte, da sie mich brauchte es war ja schon Donnerstag morgens, als ich heimkam, und Samstag ich sagte es Ihnen ja Samstag kam das Schiff, und da diese Frau, diese hochmtige, stolze Frau die Schande vor ihrem Gatten, vor der Welt nicht berleben wrde, das wute ich Ah, wie mich solche Gedanken gemartert haben an die sinnlos vertane kostbare Zeit, an meine irrwitzige bereilung, die jede rechtzeitige Hilfe vereitelt hatte stundenlang, ja stundenlang, ich schwre es Ihnen, bin ich im Zimmer niedergegangen, auf und ab, und habe mir das Hirn zermartert, wie ich mich ihr nhern, wie ich alles gutmachen, wie ich ihr helfen knnte denn da sie mich nicht mehr vorlassen wrde in ihrem Haus, das war mir gewi߅ ich hatte das Lachen noch in allen Nerven und das Zucken des Zornes um ihre Nasenflgel stundenlang, wirklich stundenlang bin ich so die drei Meter des schmalen Zimmers auf und ab gerannt es war schon Tag, es war schon Vormittag