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Da finden wir also die ganze Gesellschaft auf dem guten Dampfer >Cincinnati<, der unter einer mächtigen Rauchfahne machtvoll den Strom hinauffuhr.

Cassys Gesundheit hatte sich inzwischen erheblich gebessert. Sie saß jetzt an Deck, nahm an der Tafel teil und wurde als eine Dame angesehen, die sehr schön gewesen sein mußte.

Vom ersten Moment an, als Georg ihr Gesicht mit einem ersten Blick gestreift, wurde er von einer jener fließenden, unbestimmten Erinnerungen verfolgt, die fast jeden einmal heimsuchen und zuweilen nicht mehr loslassen. Er mußte sie immer wieder betrachten und sie ständig beobachten. Bei Tisch, oder wenn sie in der Tür ihrer Kabine saß, konnte sie immer wieder dem Blick des jungen Mannes begegnen, der ihn sogleich höflich zurückzog, sobald sie durch ihr Benehmen verriet, daß sie die Beobachtung empfand.

Cassy wurde unruhig. Sie überlegte, ob er sie verdächtigte, und beschloß schließlich, sich völlig seiner Großmut auszuliefern und ihm ihre ganze Geschichte anzuvertrauen.

Georg war von Herzen geneigt, mit jedem Mitgefühl zu haben, der Legrees Plantage entronnen war — ein Ort, bei dessen Erinnerung oder Erwähnung er alle Geduld verlor. Mutig alle Folgen außer acht lassend, was für sein Alter und seinen Stand nur allzu charakteristisch war, versicherte er ihr, er würde alles tun, was in seiner Macht stünde, um sie zu beschützen und durchzubringen.

Die nächste Kabine bewohnte eine französische Dame mit Namen de Thoux, die in Begleitung ihrer kleinen Tochter reiste, einem Mädelchen von ungefähr zwölf Jahren.

Diese Dame hatte aus Georgs Unterhaltung kaum gehört, daß er aus Kentucky stammte, als sie offensichtlich geneigt schien, seine Bekanntschaft zu machen, worin sie durch die Anmut ihres kleinen Mädchens unterstützt wurde, die ein reizendes Spielzeug abgab, um die öde Langweile einer vierzehntägigen Dampferfahrt zu vertreiben.

Georgs Liegestuhl stand oft unter der Tür ihrer Kabine, und Cas–sy konnte, wenn sie auf Deck saß, ihre Unterhaltung verfolgen.

Madame de Thoux zog höchst genaue Erkundigungen über Kentucky ein, wo sie, wie sie sagte, früher einmal gelebt hatte. Georg entdeckte zu seiner Überraschung, daß sie ganz in seiner Nachbarschaft gewohnt haben mußte, ihre Fragen verrieten eine Kenntnis der Leute und der Umgebung, die ihn völlig verblüffte.

»Kennen Sie vielleicht«, sagte Madame de Thoux eines Tages zu ihm, »in Ihrer Nachbarschaft einen Mann mit Namen Harris?«

»Es gibt da einen alten Burschen dieses Namens, der nicht weit vom Gut meines Vaters lebt«, erwiderte Georg. »Wir haben allerdings nicht viel mit ihm zu tun gehabt.«

»Ich glaube, er ist ein großer Sklavenhalter, nicht wahr?« fragte Madame de Thoux in einer Art und Weise, die größeres Interesse verriet, als sie zu zeigen gewillt war.

»Das ist er«, stimmte Georg zu, leicht überrascht von soviel Eifer.

»Haben Sie jemals gehört, ob er einen — vielleicht haben Sie gehört — daß er einen Mulattenjungen mit Namen Georg hatte?«

»Oh, gewiß — Georg Harris — den kenne ich gut; er heiratete ein Mädchen meiner Mutter, aber ist jetzt nach Kanada entflohen.«

»Wirklich?« rief Madame de Thoux rasch. »Gott sei gedankt!«

Georg sah wie ein lebendiges Fragezeichen aus, aber er sagte nichts.

Madame de Thoux stützte ihren Kopf in die Hand und brach in Tränen aus.

»Er ist mein Bruder!« sagte sie.

»Madame!« rief Georg, jetzt vollständig überrascht.

»Ja«, sagte Madame de Thoux, stolz den Kopf erhebend und sich die Tränen trocknend; »Mr. Shelby, Georg Harris ist mein Bruder!«

»Ich bin tief erstaunt!« sagte Georg und schob seinen Stuhl zwei Schritte zurück, um Madame de Thoux zu betrachten.

»Ich wurde in den Süden verkauft, als er noch ein Knabe war«, fuhr sie fort. »Ein guter und großmütiger Mann hatte mich gekauft. Er nahm mich mit nach Westindien, schenkte mir die Freiheit und heiratete mich. Er ist vor kurzem verstorben, und ich reise jetzt nach Kentucky und will versuchen, meinen Bruder zu finden und auszulösen.«

»Ich erinnere mich, daß er von einer Schwester Emily sprach, die in den Süden verkauft wurde.«

»Ja, ganz recht! Das bin ich«, antwortete Madame de Thoux, »Erzählen Sie, was für ein Mensch …«

»Ein prächtiger, junger Mann«, unterbrach sie Georg, »trotzdem der Fluch der Sklaverei auf ihm lag. Er bekam ein erstklassiges Zeugnis, sowohl über seine Intelligenz wie über seine moralische Sauberkeit! Ich weiß das, verstehen Sie«, setzte er hinzu, »weil er in unser Haus geheiratet hat.«

»Was ist sie für ein Mädchen?« fragte Madame de Thoux eifrig.

»Ein Juwel!« erwiderte Georg. »Ein schönes, kluges, liebenswürdiges Mädchen. Sehr fromm. Meine Mutter hat sie erzogen und fast wie eine Tochter gehalten. Sie konnte lesen und schreiben, wunderbar sticken und nähen und hatte eine schöne Singstimme.«

»Wurde sie in Ihrem Hause geboren?« fragte Madame de Thoux.

»Nein, Vater kaufte sie unterwegs, als er einmal in New Orleans war, und brachte sie Mutter als Geschenk mit. Damals war sie acht oder neun Jahre alt. Vater hatte nie sagen wollen, was er für sie zahlen mußte, aber neulich, als wir seine Papiere durchsahen, stießen wir auf den alten Kaufvertrag. Er hatte allerdings eine riesige Summe bezahlt — vermutlich wegen ihrer ungewöhnlichen Schönheit.«

Georg saß mit dem Rücken zu Cassy, so daß er den aufmerksamen Ausdruck ihres Gesichts nicht sehen konnte, während er diese Einzelheiten erzählte.

Aber bei diesem Punkte seiner Geschichte berührte sie plötzlich seinen Arm und fragte mit einem Gesicht, schneeweiß vor brennendem Interesse: »Wissen Sie vielleicht noch den Namen der Leute, denen er das Kind abkaufte?«

»Der Mann, der vornehmlich an dem Geschäft beteiligt war. hieß Simmons, glaube ich — wenigstens stand es so auf dem Kaufvertrag.«

»Oh, mein Gott!« sagte Cassy und brach ohnmächtig zusammen.

Jetzt war Georg hell wach und ebenso Madame de Thoux. Obwohl niemand von beiden sich die Ursache von Cassys Ohnmacht vorstellen konnte, erhob sich dennoch ein Tumult, wie es in einem solchen Fall nicht anders sein kann: Georg warf in der Wärme seines humanen Gefühls einen Wasserkrug um und zerbrach zwei Gläser, verschiedene Damen in der Nähe hatten kaum von einer Ohnmacht gehört, als sie schon in die Kabine stürzten und soweit wie möglich alle frische Luft aussperrten, so daß im ganzen alles getan wurde, was zu erwarten gewesen wäre.

Arme Cassy, als sie sich erholt hatte, drehte sie ihr Gesicht zur Wand und schluchzte wie ein Kind — vielleicht, Mutter, kannst du beschreiben, was sie dachte; vielleicht auch nicht. Aber in jener Stunde war sie sicher, daß Gott sich ihrer erbarmt hatte und daß sie ihre Tochter wiedersehen würde — wie es nach Monaten auch geschah -, aber damit greifen wir vor.

42. Kapitel

Ergebnisse

Die übrige Geschichte ist bald erzählt. Georg Shelby bemühte sich sogleich, bewegt nicht nur — und darin jedem andern jungen Manne ähnlich — von dem romantischen Zusammentreffen, sondern auch von Gefühlen der Menschlichkeit, Cassy den Kaufvertrag über Eliza zuzustellen, dessen Daten und Namen alle mit ihrem eigenen Wissen der Tatsache übereinstimmten und sie nicht länger über die Identität ihres Kindes im Ungewissen ließen. Sie hatte nun nur noch zu ermitteln, welchen Weg die Flüchtlinge genommen hatten.

Madame Thoux und sie, durch diese einzigartige Schicksalsverknüpfung unlöslich miteinander verbunden, reisten unverzüglich nach Kanada weiter und begannen dort die Suche von einer Quäkersiedlung zur anderen, wo die zahlreichen, der Sklaverei entronnenen Flüchtlinge Aufnahme fanden. In Amherstberg machten sie den Missionar ausfindig, bei dem Georg und Eliza nach ihrer Ankunft in Kanada Obdach gefunden hatten, und durch ihn vermochten sie die Familie weiter nach Montreal zu verfolgen.